SPD gelingt spannender Diskurs zu neuen Wegen in der Haushaltspolitik

Sie diskutierten über die haushaltspolitischen Ansätze und stellten ihre Strategien vor: V.l.n.r.: Taunussteins Bürgermeister Sandro Zehner bei seinem Vortrag HFA-Vorsitzender Christoph König, Kronbergers Bürgermeister Klaus Temmen und Hattersheims Bürgermeisterin Antje Köster. Foto: Westenberger

Kronberg (mw) – Wie kann eine nachhaltige und zukunftsfähige Haushaltspolitik aussehen? Was kann eine Stadt ihren Bürgern in Zeiten knapper Mittel und von weniger Handlungsspielraum anbieten? „Wo soll sie für die Zukunft sparen und wo spart sie an der Zukunft?“. Das fragte sich die Kronberger SPD und mit ihr die stellvertretende Vorsitzendes des SPD-Ortsvereins und Stadtverordnete Andrea Poerschke zur Begrüßung der Gäste zur Podiumsdiskussion in der Stadthalle. Das Thema Haushaltspolitik – oftmals als knochentrocken und langweilig verkannt, vor allem aber wenig transparent allein den Kommunalpolitikern vorbehalten, müsse in der Mitte der Gesellschaft ankommen. Denn diese politischen Entscheidungen, was die Stadt ihren Bürgern bieten kann, betreffe am Ende die Bürger direkt. „Die Entscheidungen haben direkten Einfluss auf die Angebote in der Stadt, die sie für ihre Bürger bereit hält“, so Poerschke. Und tatsächlich sorgten die Sozialdemokraten dafür, dass der Dialogabend „Dürfen wir an der Zukunft sparen? Neue Wege in der Haushalts- und Finanzpolitik von Kommunen“ spannend, ideenreich und aufklärend anstatt knochentrocken wurde. Maßgeblich wirkten daran die SPD-Bürgermeisterin der Stadt Hattersheim, Antje Köster sowie der CDU-Bürgermeister der Stadt Taunusstein, Sandro Zehner als Podiumsgäste mit, die sehr anschaulich und lebendig von ihren neuen Wegen in der Haushaltspolitik erzählten. Ergänzt wurden ihre Beiträge von Bürgermeister Klaus Temmen (parteilos), der Aufschluss über die haushaltspolitischen Zahlen und Fakten Kronbergs gab sowie vom SPD-Fraktionsvorsitzenden und Vorsitzenden des Haupt- und Finanzausschusses Christoph König, der gemeinsam mit den anderen Podiumsgästen die Fragen des Moderators Ralf Löffler und die der Bürger, beantwortete.

2014, kaum von den Bürgern Taunussteins ins Amt gewählt, sah sich Bürgermeister Sandro Zehner vor die Herkulesaufgabe, gestellt, der Aufforderung der Kommunalaufsicht nachzukommen, die 30.000 starke Kommune, die unter dem Rettungsschirm des Landes Hessen steht, mit zehn Stadtteilen und einem kumulierten Haushaltsdefizit, das sich bereits auf 22 Millionen Euro belief, binnen zwei Jahren zu einer schwarzen Null im ordentlichen Haushaltsergebnis zu führen. Als eine der ersten Kommunen in Deutschland ist es ihm gelungen, in Taunusstein für den Bereich der städtischen Finanzen freiwillig mit den Bürgern eine sogenannte Nachhaltigkeitssatzung einzuführen, über die die Stadt anstrebt, finanzielle Belastungen künftiger Generationen zu verhindern und die Verschuldung abzubauen. Zehner erklärte, dass allem voran große Transparenz und ein hoher kommunikativen Aufwand vonnöten war, um die Nachhaltigkeitssatzung zu verwirklichen. Zwar wolle keiner Schulden machen, jedoch wolle auch keiner bei sich selbst mit dem Sparen anfangen. In Taunusstein wurden den Bürgern in einer Broschüre die Haushaltsprobleme anschaulich erklärt. Als Generationenbeitrag wurde eine „atmende Grundsteuer B“ entwickelt. Transparent dargelegt wird den Bürgern seither jeder einzelne Punkt, ob Erhöhung der Kindergartengebühren oder Vereinsförderung. Die Bürger können die direkten Auswirkungen auf das Gemeinwesen sofort in Euro umrechnen lassen. „Sagt einer Nein, beispielsweise zur Kürzung von 300.000 Euro als Vereinsförderung, bedeutet das eine Erhöhung von 30 Prozentpunkten bei der Grundsteuer“, so Zehner. Diese variable Grundsteuererhöhung schließt ein Schuldenmachen auf Kosten nachfolgender Generationen aus, sodass die gewünschte Nachhaltigkeit langfristig gewährleistet wird. Der Generationenbeitrag stelle auch sicher, dass nicht zwangsläufig ein Rückbau öffentlicher Leistungen vorgenommen werden muss, erklärt er. Wollten die Bürger beispielsweise auf freiwillige Leistung nicht verzichten, könnte diese erhalten bleiben, eben durch den Generationenbeitrag oder in Form höherer Abgaben oder Eintrittspreise. Als vertrauensbildende Maßnahme wurde außerdem eine „Bürgerdividende“ entwickelt. Sie sorgt dafür, das bei einem Anstieg der Gewerbesteuer der Stadt Taunusstein automatisch auch die zu zahlende Grundsteuer B wieder absinkt.

Ähnlich gute Erfahrungen mit dem Weg, die Bürger an den Haushalts- und Konsolidierungsmaßnahmen direkt zu beteiligen, hat Hattersheims Bürgermeisterin Antje Köster gemacht. Sie betrachtete den Rettungsschirm mit 21 Millionen Euro finanzieller Unterstützung Ende 2012 als Chance und holte sich schnell die Bürger ins Boot, nachdem sie spürte, dass die Auflagen der hessischen Kommunalaufsicht, binnen fünf Jahren den Haushalt auszugleichen, über den normalen Weg der politischen Beratungen im Magistrat, in den Ausschüssen und im Parlament nicht zu erreichen waren. Sie richtete Bürgerwerkstätten ein, in denen die Bürger den Haushalt diskutierten. „Da waren die Parlamentarier die Zuhörer. Sie durften nichts sagen!“, erzählt sie. Das habe viel gegenseitiges Verständnis gebracht. Und die Bürger hätten viel mehr Verständnis für die Entscheidungen der Kommunalpolitiker erlangt. „Außerdem haben wir viele Ehrenämtler gewinnen können“, sagt sie. Die Entscheidungen wurden gemeinsam mit den Bürgern getroffen, die sich dann beispielsweise bewusst für die Erhöhung der Theaterabonnement-Karte aussprachen, anstatt das Theater zu schließen. Sogar die Erhaltung eines kompletten Tierparks gelang auf diese Weise – durch bürgerschaftliches Engagement, erzählt sie. „Der Tierpark mit 30.000 Euro Zuschuss ist seitdem aus dem Haushalt raus“, so Köster. Bis heute konnte er ehrenamtlich weitergeführt werden.

Kronbergs Bürgermeister Klaus Temmen, der die letzten Jahre der Haushaltskonsolidierung bis zu aktuellen Zahlen und einer Prognose darlegte und dabei Revue passieren ließ, welche Einsparungen oder Gebührenanpassungen das in den vergangenen Jahren für die Stadt und ihre Bürger mit sich brachte, hielt sich, von Moderator Löffler dazu befragt, ob er sich ein Modell ähnlich dem Taunusstein für Kronberg vorstellen könnte, bedeckt. Im Prinzip sei das denkbar, sagte er, doch man habe ja in Kronberg auch miteinander gesprochen und über den politischen Diskurs erreicht, Kosten einzusparen und nachdem alle Sparmaßnahmen und Gebührenanpassungen ausgeschöpft waren – habe man ebenfalls an der Grundsteuer B geschraubt. „Für 2016 haben wir die schwarze Null im Haushaltsabschluss geplant, werden aber positiv abschließen“, informierte er, dank höherer Gewerbesteuereinnahmen als prognostiziert.

Nach Erklärung von Haushaltsbasiswissen – dank der Fragen des Moderators, wie: „Was ist Haushaltspolitik eigentlich? Wer macht den Haushalt und warum ist der wichtig?“, hielt der HFA-Vorsitzende Christoph König nicht hinterm Berg mit seiner Überzeugung, dass das Thema Finanzen die Bürger nun einmal nur schwer hinter dem Ofen hervorlocke. Doch es hatte eine Bürgerbeteiligung zum Thema Haushalt gegeben. Auf Nachfrage erinnerten sich König und Temmen daran, dass die Bürger sich 2013/14 über das Projekt „Kronberg 2016“ sehr wohl hatten einbringen wollen. „Es war in der Tat ein sehr interessantes Projekt, mit Experten aus Spitzenpositionen“ blickte Temmen zurück. „Wir konnten viel voneinander lernen.“. Im Kleinen seien auch Vorschläge der Bürger umgesetzt worden wie die Reduktion des Bürgerservices und neue Preismodelle. Vieles habe sich aber als nicht umsetzbar erwiesen oder sei von der Politik nicht mitgetragen worden, erklärte er dem mehr als spärlich erschienenem Publikum in der Stadthalle.

Unklar blieb an diesem spannenden Abend, der viel mehr interessierte Bürger verdient hätte – und auch Kommunalpolitiker aus den übrigen Parteien – wie die Gestaltung der Zukunft der Kommunen aussehen könnte. „Wir haben konsolidiert, wir halten unseren Standard, aber wie gestalten wir die Zukunft?“, fragte Hans Robert Philippi, für die SPD im Magistrat, in die Runde. Denn, darüber waren sich alle einig, der Gestaltungsspielraum bleibt auch die kommenden Jahre klein. Wichtigstes Statement von Antje Köster an diesem Abend, das sie allen politischen Entscheidungsträger mit auf den Weg gab, war: Bei haushaltspolitischen Entscheidungen „mehr Bürger mitzunehmen“. Taunussteins Bürgermeister Sandro Zehner nickte zu ihrem Appell und setzte zusätzlich noch auf den Mut: „Nur wenn wir mutig sind, können wir die Aufgaben auch schaffen!“



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