Nachdenken über künstliche Intelligenz und Frauenquote

Bad Homburg (agl). Etwas verborgen liegt das Forschungskolleg Humanwissenshaften der Goethe-Universität ganz in der Nähe des Kurparks. Weniger verträumt ist das, was dort geschieht. Regelmäßig kommt es zu einem wissenschaftlichen Austausch und zu interdisziplinären Gesprächen unter Experten. Die Themen, die diskutiert werden, sind überraschend lebensnah.

Mitte Mai stellten Till van Rahden, Guido Friebel und Christoph Burchard ihre Themen vor Till van Rahden, der Geschichtswissenschaftler der Université Montréal, beschäftigt sich mit demokratischen Prozessen in der Gesellschaft. Es gehe darum, so meint er, nicht etwa darüber nachzudenken, wie man in einer Demokratie zu einem schnelleren und oft gewünschten konkreten Konsens komme, um Gesetze zu verabschieden oder schneller voranzuschreiten. Der Wert der Demokratie messe sich nicht an dieser Ergebnisorientierung. Sondern es gehe vielmehr darum, im Einzelnen auszuhalten, dass Demokratie immer mit Auseinandersetzung und mit Widersprüchlichkeit einhergehe.

Menschen denken unterschiedlich, kommen zu unterschiedlichen Schlüssen, haben andere Werte, vor denen sie ihre Entscheidungen und Meinungen treffen würden. Da sei es wichtig, sich bewusst zu machen, dass es vor allem anderen darum gehe, dies auszuhalten und eine Kultur der Kommunikation und des Streitens zu etablieren. Wie das gehen kann und möglicherweise als eine Art neuer Kulturtechnik funktioniert, das erforscht er gerade. Bereichernd zu hören. Till van Rhaden ist zwar kein neuer Fellow am Forschungskolleg, dennoch gehört er zu dem geladenen Kreis, weil sein Forschungsgebiet interessiert.

Mit anderem beschäftigt ist Christoph Burchard. Er ist Professor für Straf- und Prozessrecht und einer der neuen Goethe-Fellows, die am Forschungskolleg nun die nächsten Jahre Unterstützung finden, indem sie auf ein Netzwerk zurückgreifen und auf für sie zugeschnittene Arbeitsbedingungen blicken können, die einen Austausch mit anderen Wissenschaftlern sicherstellt. Sein Thema ist das der künstlichen Intelligenz auf dem Gebiet der Rechtswissenschaften. Inwieweit kann künstliche Intelligenz, können Computer-Programme eine Form der Rechtsprechung automatisieren, während sie auf Gesetze zurückgreifen und nach logischen Vorgaben Urteile verfassen? Das hat Auswirkungen auf das Miteinander und die Werte, die in einer Gesellschaft etabliert und von Menschen gemacht und geprägt sind. Kann künstliche Intelligenz das Menschliche, die persönliche Einschätzung, die in jedem Urteil bei einem Gerichtsprozess beispielsweise mit einfließt, berücksichtigen? Wie wichtig oder wie gefährlich ist das, wenn es fehlt, oder geht es präziser und gerechter zu, wenn das allzu Menschliche, das Subjektive außen vor bleibt? Das sind Fragen, die in den kommenden Jahren immer mehr ins alltägliche Bewusstsein rücken werden. Im Forschungskolleg Humanwissenschaften, dem Denker-Hotspot der Goethe-Universität, ist man bereits der Zeit voraus.

Auch so Guido Friebel, dem zweiten neuen Goethe-Fellow, der unter dem Ausschussvorsitzenden Professor Dr. Dr. Lutz-Bachmann, ans Kolleg eingeladen wurde, um dort in nächster Zeit an seinen Ideen zu feilen. Interessanterweise behandelt ein Mann die Frauenfrage. Oder ist das im Umkehrschluss am Ende männerfeindlich, dies extra zu erwähnen? Der Professor für Personalmanagement, Guido Friebel, denkt mit seinem Team darüber nach, wie es sein kann, dass immer noch viel zu wenig Frauen in Deutschland in höheren Wirtschafts- oder Wissenschaftspositionen zu finden sind. In Frankreich hingegen sei der Frauenanteil in Führungspositionen bei nahezu 30 Prozent angelangt, während diese Marke in Deutschland deutlich darunter liege.

Ein Missstand, denn auf diese Art und Weise lägen bei uns 50 Prozent aller Talente brach.

Wichtiger Austausch

Eine erfolgreiche Gesellschaft, eine moderne Gesellschaft könne sich nicht leisten, darauf zu verzichten. Hierbei liegt Friebels Blick auf der Wahrnehmung von Normen und tradierten Werten, die prägen und dafür sorgten, dass Entscheidungen fielen, die noch immer Männern im Zweifelsfall den Vorzug gäben, wenn es um berufliche Förderung gehe. In seine Forschung fließen demnach Erkenntnisse aus der Soziologie wie auch der Ökonomie mit ein. Ein anschauliches Beispiel dafür, wie wichtig der Austausch unter den einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen ist und wie wichtig ein Podium für eine Rede- und Denkkultur ist. Das findet sich erfolgreich in den Räumen der Werner-Reimers-Stiftung, die sich diesen idyllisch anmutenden Ort, an dem eifrig um kulturellen Gewinn gerungen wird, mit der Goethe-Universität teilt.

Ein Besuch dort lohnt sich. Denn die Wissenschaftler wollen nicht ausschließlich unter sich bleiben. Sie stehen durchaus gern auch für einen Austausch Rede und Antwort. Vorträge und Symposientermine finden sich im Internet unter www.forschungskolleg-humanwissenschaften.de.



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