Wenn ein Schreiben vom Finanzamt im Briefkasten liegt, bedeutet das erfahrungsgemäß nichts Gutes. Vergangenen Samstag war es wieder einmal soweit. Dabei hatte ich ein so reines Gewissen wie selten. Meine Steuererklärung war in diesem Jahr tatsächlich pünktlich fertig geworden und ich hatte sie wenige Tage vor Abgabeschluss am 31. Oktober per Elster verschickt. In den vergangenen Jahren hatte ich die Belege zum Nachweis meiner Einnahmen, Ausgaben und Kosten noch ausgedruckt, mit Anschreiben in einen großen Briefumschlag gesteckt, nach Bad Homburg zum Finanzamt gefahren und persönlich beim Pförtner abgegeben. Dieses Jahr informierte mich meine Steuersoftware, dass ich sie ebenfalls per Elster verschicken könne, was ich angesichts der aktuellen Spritpreise gerne tat. Der Brief vom Finanzamt, vermutete ich, könne daher wohl nur der Steuerbescheid sein. Doch als ich den Umschlag öffnete und das Schreiben herausnahm, war es die bekannte „Erinnerung an die Abgabe der Steuererklärung(en) / Unterlagen zur Steuererklärung“. Das kann doch gar nicht sein, war ich sofort überzeugt, und rief umgehend den guten Freund an, mit dem ich das Zahlenwerk vor dem Verschicken gründlich geprüft hatte. Sein Rat: „Ruf beim Finanzamt an, da muss ein Versehen vorliegen.“ Also griff ich Montagvormittag zum Telefon. Eine Automatenstimme begrüßte mich, erklärte mir, welche zusätzliche Nummer ich bei meinem Problem drücken sollte und versicherte mir, ich würde mit dem nächsten freien Mitarbeiter verbunden. Nach längerer sterbenslangweiliger Dudelei – warum können Behörden nicht mal Musik auswählen, die gute Laune macht? – erklärte mir die Automatenstimme, sämtliche Mitarbeiter seien noch im Gespräch, ich sei auf Warteposition 15. Da ich am Vormittag noch einen Termin hatte, legte ich auf. Am Nachmittag versuchte ich es erneut und landete auf Warteposition 20. Es dauerte dann länger als eine halbe Stunde, bis ich tatsächlich einen unwirschen Herrn aus Fleisch und Blut an der Strippe hatte, dem ich mein Anliegen erklärte und der mich umgehend zu der etwas freundlicheren für mich zuständigen Sachbearbeiterin verband. Als ich ihr versicherte, dass ich die per Erinnerung nachgeforderte Einnahmenüberschussrechnung, die früher wesentlich verständlicher Gewinn-und-Verlust-Rechnung hieß und mit der ich seit Jahren auf Kriegsfuß stehe, als einen der Belege per Elster verschickt hätte und dafür auch eine Versandbestätigung habe, stutzte sie und guckte noch einmal genauer in ihren Computer. Tatsächlich bestätigte sie mir endlich, dass sie bei den Belegen dabei sei und ich die Erinnerung daher wegwerfen könne. Was sie dann, jedoch keineswegs als Entschuldigung anfügte, verblüffte mich dann doch. Die mit der Steuererklärung eingereichten Belege, sagte sie wörtlich, würden normalerweise gar nicht gesichtet, nur wenn später bei der Prüfung größere Probleme oder Ungereimtheiten aufträten. Das Finanzamt Bad Homburg vor der Höhe ist ein Ausbildungs-Finanzamt. Lernen die angehenden Finanzbeamten dort, dass Belege so unwichtig sind, dass man sie nicht einmal ansehen und zur Kenntnis nehmen muss?
Wie viele Erinnerungen werden wohl vom Finanzamt verschickt, obwohl alle Unterlagen bereits eingegangen sind, fragt sich jetzt