Ich kann mich noch sehr gut an den Tag erinnern, als meine Tochter, damals Schülerin der Kronthal Schule, empört nach Hause kam und mir berichtete, dass ihre Lehrerin – eine sehr resolute Frau, die so manches Mal über das Ziel hinausschoss – während der Schulstunde die Pausenbrote der Kinder inspizierte und das Nutellabrot meiner Tochter mit spitzen Fingern in den nächsten Mülleimer beförderte, denn das sei ja höchst ungesund! Wie „gesund“ es ist, Essen einfach wegzuschmeißen, und wie übergriffig die Handlung an sich war, stand nicht zur Debatte. Ja, leider weiß ich nicht mehr, ob es im Anschluss zu einem Gespräch kam und ob ich weiterhin Nutellabrote schmierte...
Das nächste Erlebnis dieser Art hatte ich, als mein Neffe und seine Schwester in einen Waldkindergarten kamen. Eine wirklich tolle Einrichtung, liebenswerte Erzieherinnen und Erzieher, die Kinder den ganzen Tag draußen im Wald, einfach fabelhaft! Aber hier galt die eiserne Regel: Kein Zucker! Selbst die an den Geburtstagen der Kinder von den Müttern gebackenen Kuchen waren keine solchen, wie denn ohne Zucker…sondern es gab stattdessen Brezeln oder Ähnliches. Wehe, wer sich nicht an diese Regel hielt, denn dem drohte dann die „Zucker-Polizei“, was auch immer die mit dem Delinquenten anstellte...
Unlängst hörte ich von einem genervten Vater, dass dererlei Szenarien auch heute nicht ungewöhnlich sind. Nein, die Kinder müssen vor der ganzen Klasse ihre Brotzeit auspacken und dann wird genau geschaut, was gesund ist und was nicht. Für Ersteres gibts dann Pluspunkte nach einem bestimmten System. Tja, und wer wie meine Tochter damals zur Nutella-Fraktion zählt, der hat schon verloren. Dass dieses System Kinder unter Umständen dazu anregen könnte, sehr genau darauf zu achten, was der Tischnachbar so in seiner Brotbox hat, um womögliche Abweichungen von den Ernährungs-Richtlinien unverzüglich der Lehrerin zu melden, daran haben die Pädagogen, die sich das ausgedacht haben, wohl keinen Gedanken verschwendet.
Dass sich sehr viele Menschen und vor allem auch Kinder schlecht ernähren, ist natürlich ein Übel, dem man nicht einfach tatenlos zuschauen kann, zumal für die gesundheitlichen Spätfolgen die Gemeinschaft zur Kasse gebeten wird. Und natürlich sollte sich der Zuckerkonsum in Grenzen halten, und ja, Schokoriegel, Cola & Co eignen sich selbstverständlich nicht als Pausensnack. Aber die Ernährung der Kinder obliegt meines Erachtens dennoch nicht der Schule, sondern ist immer noch die Privatangelegenheit der Eltern. Viel sinnvoller wäre es, gesunde Ernährung und was der Zucker im Übermaß anrichten kann im Sachkundeunterricht zu erörtern. Was sind Kohlehydrate, wo ist überall Zucker drin, wo man es nicht vermutet? Da gibt es mannigfaltige Ansatzpunkte, je nach Alter der Kinder.
Aber diese Bevormundung mit dem erhobenen Zeigefinger ist definitiv nicht zeitgemäß und letztlich auch nicht zielführend, denn alles, was man verteufelt, übt gerade einen besonderen Reiz aus!!