Romantisches Heimspiel von Christopher Park

Glashütten (kw) – Der in Schloßborn aufgewachsene Pianist Christopher Park war dieser Tage auf Einladung des Kulturkreises nach sieben Jahren wieder einmal mit seinem Cellopartner Adolfo Gutiérrez Arenas in Glashütten zu erleben – ein bemerkenswerter, intensiver, sommerlich-romantischer Abend. Wie schon häufiger bei Auftritten mit Christopher Park gab es auch diesmal zwei pausenfreie Konzerte mit einem längeren Intervall dazwischen, damit die große Nachfrage nach Eintrittskarten befriedigt werden konnte.

Das letzte Konzert von Park, ein Klavierabend im Herbst 2020, stand noch ganz im Zeichen der Covid-19-Pandemie, Gesichtsmasken beherrschten das Bild, die Bestuhlung des Saales im Bürgerhaus war reduziert und auf Abstand gestellt, und bedingt durch gründliches Lüften war es recht kühl und zugig. Im Kontrast dazu am jüngsten Konzertabend zweimal hintereinander ein voller Saal, sommerliche Wärme trotz geöffneter Fenster und Türen, begeisterter, volltönender Applaus (nach dem zweiten Konzert sogar Standing Ovations) und endlich wieder ein Gläschen Sekt zwischen den Konzerten! Dass es den Musikern zu heiß wurde und die Instrumente vermutlich auch unter der Hitze litten, konnte das Publikum zwar sehen – hörbar war dies für den Laien zum Glück nicht. Im Gegenteil: Arenas wertvolles Violoncello, gebaut 1673 von Francesco Ruggeri, einem Kollegen des berühmten Amati in Cremona, entfaltete selbst unter den widrigen Verhältnissen seinen warmen, betörenden Klang. Trotz aller pastoralen, geradezu familiären Atmosphäre lag gespannte Erwartung in der Luft, nur unwesentlich getrübt vom Geläut der nahen Kirchenglocken, auch schon mal einem Handysignal oder einer Besucherin, die auf der Suche nach einem Glas Wasser wenige Zentimeter an den unbeirrbaren Musikern vorbeilief – auch so etwas erlebt man wohl nur im ländlichen Raum.

Zu Beginn, wie schon vor sieben Jahren, Beethoven, dessen Sonaten für Violoncello und Klavier das Duo vor einiger Zeit komplett auf CD eingespielt hat. Seine g-Moll-Sonate ist 1796 in Berlin entstanden und wurde, wie auch die erste Cellosonate, dem preußischen König Friedrich Wilhelm II. gewidmet. Ist sie nun zwei- oder dreisätzig? Auf jeden Fall ungewöhnlich scheint die Länge der langsamen Einleitung, die ja im Prinzip von einigen Beethoven-Sinfonien bekannt ist, hier aber wirklich zu einem eigenen, eindeutig „romantischen“ Satz „Adagio sostenuto ed espressivo“ anwächst. Wunderbar kosteten die beiden Künstler die abwechselnden großen Melodiebögen aus und führten höchst spannend in den tänzerisch-bewegten Dreiertakt des „Allegro molto più tosto presto“ über. Auch der Finalsatz, ein lebhaftes Rondo, wirkte tänzerisch und beschwingt, ließ aber auch Beethoven’sche Dramatik aufblitzen. Der „Refrain“ hätte sicher vielen lange im Ohr bleiben können, wäre nicht gleich im Anschluss eines der bekanntesten Werke für Violoncello und Klavier erklungen: Franz Schuberts „Arpeggione“-Sonate D 821 ist 1824 eigentlich für die 1823 entstandene Arpeggione geschrieben worden, ein Saiteninstrument, das Eigenschaften der Gitarre und des Cellos vereint. Es hatte sechs Saiten, die wie bei der Gitarre gestimmt sind, Metallbünde und einen flachen Boden – und hat sich nicht durchsetzen können. Nur selten wird von Enthusiasten mal ein Instrument aus einem Museum oder auch ein Nachbau gespielt, während im Gegensatz dazu Aufführungen und Aufnahmen mit Cello und Klavier durchaus häufiger zu hören sind. In Glashütten wurde natürlich diese Version dargeboten, sehr klangschön, unbestreitbar romantisch. Besonders bei den Kantilenen im wieder rondoartigen letzten Satz, aber auch in den ersten beiden Sätzen trafen Arenas und Park den erzählend-liedhaften Ton Schuberts exzellent. Ob mit einer „richtigen“ Arpeggione die Sonate „besser“ klingen würde? Kaum vorstellbar, am Samstag war das Stück hinsichtlich Balance und Klang jedenfalls absolut stimmig.

Sergej Rachmaninoffs Sonate für Violoncello und Klavier g-Moll op. 19 gilt als zentrales Werk romantischer Celloliteratur. Der Komponist bedankte sich damit 1901 bei seinem Psychiater für die Heilung von einer Depression, die ihn von 1897 bis 1900 am Komponieren gehindert hatte. Nach düsterem Pianobeginn hellt sich die Musik im ersten Satz immer mehr auf, und die beiden Solisten markierten die etwas verbissene Freude am Satzende sehr treffend. Im zweiten Satz, einem Scherzo, fühlt man sich zu Beginn an Schuberts „Erlkönig“-Lied und im Verlauf auch stark an Rachmaninoffs zweites Klavierkonzert, seinen kurz zuvor entstandenen großen Durchbruch, erinnert. Im Andante des dritten Satzes kulminiert die schwelgerische Romantik in wunderschönen Kantilenen, mit denen sich Klavier und Cello abwechseln, und auch im Schlusssatz „Allegro mosso“ erwachsen aus gehetzten Läufen und Oktavpassagen immer wieder gesangliche Stellen, bis sich alles zu einer großartigen Coda steigert. So schloss sich der große Bogen von den ersten Anfängen der Romantik im 19. bis zum Höhepunkt im 20. Jahrhundert.

Das begeisterte Publikum erklatschte sich eine Zugabe: Aus Robert Schumanns „Fünf Stücken im Volkston“ die Nummer 2, „Langsam“ – ein kurzer Lacher im Publikum zeigte, dass sich nach der Dramatik des Rachmaninoff wohl niemand etwas anderes als ein langsames Stück wünschte. Dennoch hätte es vielleicht noch eine weitere Zugabe gegeben, wäre die Hitze mittlerweile trotz Dauerlüftung nicht so unerträglich geworden. „Nun ja, ein Gebäude aus den 1970er Jahren genügt heutigen Anforderungen an einen Konzertsaal halt nicht in jeder Hinsicht, und Pläne für einen Umbau des Bürgerhauses liegen wohl auch bereits in der Schublade, wurden allerdings erst einmal hinter dringlichere Vorhaben zurückgestellt“, sagt dazu Kulturkreisschriftführerin Jutta Meisel. Trotzdem: Die Nähe von Auditorium und hochklassigen Musikern finde man woanders nicht so leicht, und dies mache die Konzerte des Kulturkreises Glashütten immer zu einem ganz besonderen Ereignis.

Und die Glashüttener Musikfreunde könnten froh sein, in Christopher Park jemanden zu haben, der gerade auch wegen seiner treuen Fangemeinde immer wieder bereit sei, hierher zurückzukehren, hochkarätige Solistenfreunde mitzubringen und ein Heimspiel zu absolvieren. „Möge es noch oft dazu kommen“, so Meisel abschließend.



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