Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge soll gebaut werden

Ansicht Nordost auf die geplante Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge entlang des Grünen Wegs Abbildung: Florian Krieger, Architektur und Städtebau GmbH

Kronberg (mw) – Es war ein langer Samstag und ein kurzes Wochenende, jedenfalls für einen Teil der Stadtverordneten: Auf der Agenda stand für alle Mandatsträger von 10 bis 13 Uhr eine Informationsveranstaltung der Stadt Kronberg zur „wirkungsorientierten Steuerung“. Der Einstieg in die wirkungsorientierte Steuerung, die mit Zielen und Kennzahlen arbeitet, soll am Ende allen am Haushalt Beteiligten die Entscheidungsfindung erleichtern und die Wirkung genauso wie die „Nichtwirkung“ bei allem Handeln aufzeigen. „Unser Wunsch ist derzeit erst einmal eine Meinungsbildung innerhalb der Fraktionen“, so der Leiter des Fachbereichs Verwaltungssteuerung, Andreas Feldmann, dazu. Außerdem wurde der Samstag dafür genutzt, den von der Wahlkommission vorgeschlagenen Kandidaten für das Amt des Ersten Stadtrats innerhalb der Fraktionen kurz vorzustellen. Die Stimmung am frühen Abend in den Parteien war eine durchweg positive bezüglich des Kandidaten, der wohl mit Fachwissen punkten konnte und zu dem nur so viel durchsickerte, dass er in den Fünfzigern sein soll, und wohl auch zwecks Familienzusammenführung aus NRW in den Taunus wechseln möchte. Am Abend war dann eigens zum Punkt „Flüchtlingsunterkunft Grüner Weg“ eine Stadtverordnetenversammlung anberaumt. Die Vorlage war Ende des Jahres noch einmal geschoben worden, nachdem bekannt wurde, dass die Johanniter mit Kreis, Deutscher Bank und der Stadt Kronberg im Gespräch sind, die bereits wieder geschlossene hessische Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge im ehemaligen Schulungszentrum der Deutschen Bank möglicherweise selbst weiterzubetreiben. Nach dem durch die Koalition aus CDU und SPD und der FDP geänderten Beschlussvorschlag haben die Stadtverordneten nun bei 19 Ja-Stimmen, fünf Nein-Stimmen der KfB und bei Enthaltung einer CDU-Stadtverordneten eine unmittelbare Auftragsvergabe für die Errichtung einer Flüchtlingsunterkunft für rund 80 Personen im Grünen Weg unter folgenden drei Bedingungen zugestimmt: Erstens, die Basis der Auftragsvergabe bilden die bereits vorgestellten Planungen, ein modulares Prinzip des Architekten und Städteplaners Florian Krieger aus Darmstadt, hervorgegangen aus einem kleinen Ideenwettbewerb unter vier Teilnehmern. Es handelt sich um drei Gebäude mit zwei Vollgeschossen und einem Staffelgeschoss, die durch einen Laubengang verbunden sind. Neben dem Platz für etwa 80 Personen ist auch Raum für die Kleiderkammer und das Flüchtlingscafé vorgesehen. Um die Nachhaltigkeit der Investition zu gewährleisten, liegen der Planung Wohnungsgrundrisse zugrunde, die mit geringem Rückbauaufwand Wohnungszuschnitten des sozialen Wohnungsbaus entsprechen. Als zweite Bedingung sind die Gesamtkosten der Baumaßnahme auf 2,3 Millionen Euro begrenzt worden. Zur Finanzierung soll der Magistrat ein über zehn Jahre laufendes zinsfreies Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau abrufen. Die dritte Bedingung, an die eine Auftragsvergabe gekoppelt ist, sieht vor, dass die Stadt Kronberg die Ausschreibung oder Auftragsvergabe erst dann vornimmt, wenn mit dem Hochtaunuskreis eine Verwaltungsvereinbarung geschlossen worden ist. Die soll in ihrer Laufzeit der Zinsbindungsfrist des zur Finanzierung nötigen Darlehens entsprechen, die Belegungsgarantie für 80 Plätze sowie eine kostendeckende Vergütung umfassen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Christoph König machte in seiner Rede klar, die verbindliche Betriebsvereinbarung mit dem Hochtaunuskreis schließe ein, dass die Idee der Johanniter, die HEAE „Oberer Aufstieg“ für den Kreis weiter zu betreiben, nicht umgesetzt wird. „Denn der Kreis wird nur eine der beiden Einrichtungen betreiben“, erklärte er.

Politisch machte König deutlich, dass die SPD die Flüchtlingsunterkunft am Grünen Weg als gute Chance sieht, „Menschen, die eine gute Perspektive haben, bei uns bleiben zu dürfen, auch gut zu integrieren.“ Bleibende Flüchtlinge alle im HEAE unterzubringen, sei das Gegenteil des politisch erklärten Ziels, die etwa 180 Menschen möglichst dezentral innerhalb der Stadt zu verteilen. Nach aktuellen Magistratsinformationen baten CDU und KfB zunächst noch um eine Sitzungsunterbrechung zwecks weiterer Beratung. „Es ist immerhin mit 2,3 Millionen Euro die größte Baumaßnahme, die wir hier in den letzten Jahren hatten, aber wir können dem Änderungsantrag nun ebenfalls zustimmen“, meinte der CDU-Fraktionsvorsitzende Andreas Becker nach kurzer Beratung innerhalb der Fraktion. Zustimmung gab es auch von Seiten der Grünen. Die Fraktionsvorsitzende Petra Fischer-Thöns machte den Standpunkt der Grünen mit folgendem kurzen Statement gleich zu Beginn ihrer Rede unmissverständlich klar: „Wir finden den Antrag schlichtweg klasse. Er ist gut geplant, gut finanziert, einfach eine gute Lösung. Und auch architektonisch gelungen.“ Doch dann holte sie noch ein bisschen aus: Das politische Gebaren einiger Stadtverordnetenvertreter sei ihr schon etwas „absurd“ vorgekommen. „86 Fragen gab es an die Stadtverwaltung zu der Vorlage. Was soll das?“, fragte sie in die Runde. Und eine Interessengemeinschaft Grüner Weg habe sich gleich auch noch gebildet. Sie appellierte an die Stadtverordneten nicht zu vergessen, dass man dabei von Menschen rede, die dort einziehen sollen und dass diese Menschen auch ein Recht auf eine adäquate Unterbringung haben. „Wir tragen gesellschaftlich, politisch und sozial eine Verantwortung“, betonte sie. Wer keine Flüchtlingsunterkunft haben will, der solle es wenigstens ehrlich sagen. Zur in Kronberg bis dato gelebten Willkommenskultur passe dieses Verhalten allerdings nicht. Fischer-Thöns vergaß in ihrem Redebeitrag auch nicht, noch einmal explizit darauf hinzuweisen, dass das „Ja“ zur Gemeinschaftsunterkunft Grüner Weg „kein Startschuss für eine ,Grüne-Wegbebauung‘“ sei.

KfB-Co-Fraktionsvorsitzende Alexa Börner sah für ihre Partei noch immer nicht alle Fragen seitens der Stadt ausreichend beantwortet. Zur Zeit habe außerdem der Druck, Flüchtlinge unterbringen zu müssen, nachgelassen. Das Argument, unter Zeitdruck zu stehen, falle also weg und falls doch wieder plötzlich viele Flüchtlinge aufgenommen werden müssten, könne zunächst wieder die HEAE genutzt und dann die Baupläne bei Bedarf aus der Schublade geholt werden. Die beantragten Fördermittel seien ausdrücklich an die Maßgabe gebunden, eine Flüchtlingsunterkunft zu bauen. Das „erleichterte Verfahren“, das bis 2019 möglich sei, „auszunutzen, um Sozialwohnungen zu bauen“, sei nicht ehrlich. „Hochverärgert“ wies daraufhin der FDP-Fraktionsvorsitzende Walther Kiep die „Unterstellung“ zurück, man bezwecke hier etwas „durch die Hintertür“. Von Anfang an sei ganz klar gewesen, hier eine Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge bauen zu wollen. Es sei doch wohl klar, dass man weitsichtig und wirtschaftlich plane, indem man, falls in einigen Jahren der Bedarf für eine Flüchtlingsunterkunft nicht mehr gegeben sein sollte, eine anderweitige Nutzung ermögliche.

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