Kronberg wird komponiert – Ein Song soll Bevölkerung verbinden und in der Stadt Anklang finden

Für eine Woche arbeiteten, diskutierten, sangen, lachten und grübelten acht Menschen gemeinsam. In der Doppesstraße herrschte ein Höchstmaß an Kreativität vor. Die „Band-Für-Eine-Woche“ investierte und lieferte ein musikalisches Kunststück für Kronberg ab. Katrin Glenz, Mickey Wiese, Patrick, Carla (hinten v.l.n.r.), Melissa, Emilia und Violetta (vorne v.l.n.r.) Fotos: Göllner

Kronberg (mg) – Identität ist eine sehr subjektive Angelegenheit. Viele verschiedene Menschen blicken häufig sehr unterschiedlich auf ein Thema. Das hängt unter anderem mit Alter, Bildung, sozialer Herkunft, Kultur, Vermögen, persönlichem Erfahrungsschatz und einigen anderen Parametern zusammen. Was die Menschheit seit Anbeginn ihrer Existenz verbindet, ist Musik. Klänge, Rhythmen, Laute und Gesang wohnen dem vermutlich rund 300.000 Jahre alten Homo Sapiens schlichtweg inne. Ein Grund hierfür ist die Notwendigkeit und der Drang zur Kommunikation, zur Kommunikation untereinander und miteinander. Das war und ist überlebensnotwendig für den Menschen, der – wie auch immer geartet – nur in Gemeinschaften existieren kann. Früher kämpfte er vereint gegen den Säbelzahntiger und sammelte Nahrung, achtete auf Giftpflanzen und baute Unterschlüpfe zum Schutz vor Wetter und Feinden, heute sind es auf den ersten Blick andere Herausforderungen, die gemeistert werden sollen und müssen. Beim zweiten Hinschauen, vor allem global, hat sich in der Menschheitsgeschichte rudimentär nicht allzu viel geändert: gleiches Zimmer, wechselnde Tapete. Miteinander „sprechen“ kann auch gemeinsames Singen bedeuteten, und somit kommen wir auf den Punkt der Sache, um die es in diesem Text an sich geht: Ein Song für Kronberg soll entstehen, „unser“ Song für Kronberg. Nun ist das wie bereits erwähnt mit dem „unser“ so eine Angelegenheit, denn wie viele Menschen, Ideen und Einflüsse braucht man, um ein Lied zu komponieren, das einen Gemeinschaftssinn stiftenden Charakter und damit eine einhergehende Akzeptanz in der Bevölkerung erreicht? Keine einfache Frage, dementsprechend keine einfache Antwort. Und auf der Handlungsebene gewiss keine einfache Sache. Die Begriffe „Bubble“, Filterblase und Echokammer jagen seit geraumer Zeit durch so manche Gazette oder soziologische Abhandlung; früher nannte man das unter anderem ‚Elfenbeinturmdenken‘. Menschen können in der gleichen Stadt jahrelang wohnen und leben und spüren doch völlig andere Emotionen, erleben gänzlich andere Dinge. An dieser Stelle ist es von großem Vorteil, dass sich die kommunale Jugendarbeit der Stadt Kronberg des Themas „Unser Song für Kronberg“ angenommen hat, denn „Kindermund tut Wahrheit“ kund, wobei es sich bei Jugendlichen nicht mehr um Kinder handelt. Heranwachsende ist vermutlich der Begriff, der besser passt. Jugendliche sind im Durchschnitt hoffentlich ein gutes Stück weniger verhaftet in Zwängen, ihr Blick auf Dinge weniger dogmatisch und eingeschränkt, ihr Gerechtigkeitssinn samt sozialer Verantwortung womöglich unverfälschter. Gemeinsam mit der professionellen Sängerin und Kronbergerin Katrin Glenz, dem Ideengeber und Jugendkoordinator der Stadt Kronberg Mickey Wiese und dem Tonstudiobetreiber und Musikproduzenten Friedhelm Mund aus Weimar trafen sich in den Osterferien ein Junge und vier Mädchen zwischen 12 und 15 Jahren eine Woche lang, um einen Song für ihre Heimatstadt im Taunus nicht nur zu finden, sondern ihn anschließend fertig produziert der Welt in Kronberg zu präsentieren.

Kreative Doppesstraße

Am ersten Tag beschnupperten sich Patrick, Violetta, Emilia, Melissa und Carla erst einmal im großen Fachwerkraum des alten Gemeindehauses der protestantischen Kirche in der Altstadt, St. Johann. Dort zog man sich zurück, wie es viele Musikbands machen, um in Ruhe zu komponieren und ungestört arbeiten zu können. Man kochte zusammen Spaghetti, erzählte sich voneinander und auch von den Gedanken und Emotionen, die jede und jeder individuell zu Kronberg hatte und hat. Künstlerinnen wie Billie Eilish und Taylor Swift wurden im Hintergrund gespielt, weil gewünscht. So wurde man langsam „warm“, auch miteinander. Glenz und Wiese teilten ein „Arbeitsblatt“ aus, auf dem verschiedene Anregungen und Fragen zu Kronberg standen. „Wie schmeckt Kronberg?“, war zu lesen und zu beantworten. „Für mich ist es eine Geschmacksexplosion“, formulierte es ein Mitglied der „Eine-Woche-Band“. „An welchem Ort in Kronberg hältst du dich am liebsten auf? An welchem überhaupt nicht gerne? Wer ist dein Lieblingsmensch in Kronberg? Wo wohnst du? Wo würdest du gerne wohnen und warum? Was kann man in Kronberg richtig gut machen? Was nicht? Wenn Kronberg eine Farbe wäre, welche wäre das? Wenn du dir ein Tattoo zum Thema Kronberg stechen lassen würdest, wie sähe dies aus? Wonach riecht Kronberg? Wenn du Bürgermeister oder Bürgermeisterin wärst, was würdest du verändern?“ waren Fragen, deren gedankliche und emotionale Antworten in den individuellen Beitrag zum gemeinsamen Song-Projekt einflossen. Um Gemeinschaftssinn zu stiften, der kreativ und produktiv wirken sollte, mischte man mit einer Prise Humor ein „Brüder- und Schwesterschaftsgetränk“, bestehend aus für den ersten Tag individuell mitgebrachten Getränken wie Aloevera-Wasser, Mangolassi, Kaffe und Eistee mit Pfirsichgeschmack. Die Stimmung war zugewandt und entspannt. Die Jugendlichen sangen in ihrer musikalischen Vergangenheit unter anderem bereits in Chören, hatten eine Leidenschaft für Technobeats, andere spielten Klavier oder Geige.

Wie ein „Song“ entsteht

Im Laufe der Woche nahm das „Song-Writing“ mehr und mehr konkrete Züge an, textlich wie musikalisch. Die Jugendlichen registrierten langsam, aber sicher, dass es sich um harte Arbeit handelt, einen kompletten Song zu formen. „Genau wie Mickey Wiese und ich es erlebten, erlebten es die Kinder und Jugendlichen auch: Es war wirklich anstrengend und wirklich richtig schön“, lächelt es Katrin Glenz im Nachhinein der Redaktion entgegen. Man habe gemerkt, dass vor allem entstehendes Vertrauen von großer Bedeutung sei beim „Song-Writing“, ergänzt sie. Man müsse sich öffnen und auch etwas von sich preisgeben, damit es authentisch werde und nicht belanglos. Damit es die Menschen auch interessiere, sie mitnehme. Daran arbeiteten die „Bandmitglieder“ während der Woche hart und mit Erfolg. Auch das Akzeptieren von Kritik untereinander wurde geübt, denn mit dem Laufe der Zeit entwickelten die jungen Menschen eigenes Profil, eigene Ansichten und damit einhergehenden Selbstwert. Zwei Mädchen trafen sich auch noch nach den gemeinsamen Stunden und brachten am nächsten Tag mehrere Seiten an Text mit, der wiederum stark reduziert werden musste. Und mit der Reduktion des Textes mussten die Kinder und Jugendlichen auch Schwerpunkte setzen, sich für das in ihren Augen Wesentliche entscheiden. Auch das war ein herausforderndes Unterfangen. Ein Reifeprozess entstand – sowohl bei den Mitwirkenden als auch beim Song. Am dritten Tag der Woche kam aus Weimar angereist Friedhelm Mund dazu und ergänzte das Team professionell. Nun begann der Aufnahmeprozess ganz konkret. Acht Menschen gestalteten nun miteinander verschiedene Stilrichtungen, sangen Textstücke ein, die zuvor diskutiert und durchlebt wurden. Die Erfahrung, was ein professioneller Musikproduzent aus vielen einzelnen Beiträgen formte, war für die Neulinge in Sachen Song-Writing eine große Überraschung. Einige waren zuvor skeptisch, was bei all dem herauskommen solle und könne, was so geschah. Ein Bandmitglied rappte, ein anderes entschied sich gegen das Singen und spielte stattdessen etwas auf der Geige ein. Mehr und mehr entstand mit großem Engagement ein sogenanntes Gesamtkunstwerk, das nicht lediglich „Schönwetter-Emotionen“ in sich trug, sondern auch das, was neben Freude und Begeisterung ebenso zum Leben und auch zu Kronberg und seiner Bevölkerung gehört, Traurigkeit und Zweifel. Am letzten Tag des Ferienprojekts der Jugendarbeit der Stadt Kronberg sollte es an sich etwas entspannter zum Ausklang zugehen. Doch dann kam Fotograf Michael Dauber vorbei, den der Leiter des Stadtmarketings, Matthias Greilach, organisierte. Dieser schuf nun auch noch das Bildmaterial der „Band“, das unerlässlich für das Vertreiben des fertigen Songs ist. Vor wechselnden Kulissen wie dem Brunnen auf dem Berliner Platz, dem Süßigkeitenregal eines Supermarkts und auch in einer schmalen Gasse der vertrauten Kronberger Altstadt fand das „Band-Shooting“ statt und komplettierte den künstlerischen Prozess an sich. „Häufig gelangt man über die Auseinandersetzung mit sich selbst zur Kunst“, formuliert Katrin Glenz noch während des Gesprächs nach der „Produktionswoche“. Das hätten die Kinder und Jugendlichen mit Bravour geleistet und geschafft.

Video und ein komplettes Album

Die Stadt Kronberg organisierte nun noch einen Filmemacher, der ein passendes Musikvideo zum Song dreht. Man darf jetzt wirklich auf den 22. April gespannt sein. Ab diesem Montag steht „Unser Song für Kronberg“ im Blickwinkel der Öffentlichkeit, inklusive „Release-Party“. Auf den Musikplattformen Amazon Music und Spotify wird er zu finden und zu hören sein. Auch auf den Social-Media-Portalen Facebook, Instagram und YouTube werden die Kronberg Komposition und die bewegten und bewegenden Bilder entdeckt werden. Das Gemeinschaftsprojekt der städtischen Jugendarbeit, allen voran von Mickey Wiese unterstützt und gestaltet, steht dann der gesamten Bevölkerung zur Verfügung. Falls „Unser Song für Kronberg“ Anklang finden sollte – wovon die „Band“ und alle Mitwirkenden ausgehen –, soll es jedes Jahr einen Song geben. Dafür will Jugendkoordinator Wiese werben und sorgen – auch auf der Talentbühne des Café Kollektiv in der Adlerstraße, einer generellen Anlaufstelle für Jugendliche in der Taunusstadt. Das würde sicherlich gleichzeitig dazu dienen, kontinuierlich weitere und andere Sichtweisen auf die Stadt Kronberg ins Gedankenspiel zu bringen, und am Ende könnte nach einem Jahrzehnt womöglich ein komplettes Musikalbum entstehen. Und mit diesem Longplayer dann auch ein vielschichtiges, facettenreiches und nachhaltiges Bild der Stadt. Vielleicht treffen sich auch mal Jung und Alt, um ein gemeinsames Projekt durchzuführen? Vieles ist möglich und wünschenswert. In jedem Fall half Musik schon häufig, Grenzen zu überwinden und eine gemeinsame Sprache zu finden. Viel spricht dafür, dass dieser, „unser“ Song für Kronberg ein richtig guter Start hierfür sein kann und wird.

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