Redebeiträge der Stadtverordneten gehen online

Kronberg (mw) – Ob „Homeoffice“ oder „Schule zuhause“, die anhaltende Coronakrise hat den Digitalisierungsprozess in der Gesellschaft beschleunigt. Das stellte der KfB-Stadtverordnete Rainer Schmidt im Rahmen des jüngsten Stadtparlamentes fest. Viele Menschen hätten zum ersten Mal an einer Videokonferenz teilgenommen, von zuhause, ohne Reiseaufwand und Risiko, sich anzustecken, und hätten festgestellt, dass es – sogar ohne monatelange Schulungen – funktioniert. Für die KfB war das der Grund, ihren Antrag auf die Übertragung von öffentlichen Sitzungen mittels Live-Streaming, den sie vor geraumer Zeit schon einmal gestellt hatte, zu wiederholen: Die Stadtverordnetenversammlungen sollen schnellstmöglich live im Internet übertragen (Video-Streaming) werden und im Nachgang für zwei Wochen auf der städtischen Internetseite verfügbar sein (Video-on-demand). Unterstützung erhielt die KfB bereits im Vorfeld der Sitzung durch einen weiterführenden Antrag der FDP, der darauf zielt, dass die Stadt zum Zwecke des Video-Streamings die Hauptsatzung ändern solle und den Digitalisierungbeauftragten der Stadt Kronberg mit der technischen Umsetzung beauftragen möge.

Dieses Mal konnte der Antrag eine klare Mehrheit im Stadtparlament verbuchen, obwohl die Bedenken bei einigen Stadtverordneten weiterhin bestehen bleiben. Schmidt begründete den Wunsch nach Live-Übertragungen vor allem mit der anhaltenden Situation, Besuchern nur limitierten Zugang zu den Sitzungen gewähren zu können. „Videoübertragen können nicht nur für Entlastung sorgen, sondern auch Menschen beteiligen, die sich dem Risiko öffentlicher Versammlungen nicht aussetzen möchten“, so Schmidt. Eine solche Übertragung sei zeitgemäß und ermögliche einer breiteren Öffentlichkeit, das politische Stadtgeschehen zu verfolgen. Gerade Jugendliche könnten unter Umständen über dieses für sie gängige Format erreicht werden.

„Ich bin froh, dass dieser Antrag endlich eine breite Mehrheit findet“, freute sich der FDP-Stadtverordnete und Ortsverbandsvorsitzender Holger Grupe. „Sogar die CDU wird coronabedingt jetzt ein bisschen moderner.“ Zuvor hatte der CDU-Stadtverordnete Mike Ambrosius vermeldet, die Gefahren, dass Ton und Bild im Netz missbräuchlich verwendet würden, beständen weiterhin und deshalb habe die CDU weiterhin Bedenken. Allerdings hätte sich mit Corona die Gewichtung der Vor- und Nachteile einer Video-Übertragung hin zu den Vorteilen verschoben, deshalb werde die CDU diesem Antrag jetzt zustimmen. Wichtig war der CDU weiterhin, dass jeder Stadtverordnete persönlich nach wie vor die Möglichkeit hat, eine Übertragung seines Redebeitrages abzulehnen.

Holger Grupe hatte in seinem Redebeitrag des Weiteren bemerkt, dass das Video-Streaming neben der Möglichkeit, die politische Arbeit trotz Corona für eine breite Öffentlichkeit sichtbar und nachvollziehbar zu machen, nicht nur für Jugendliche, sondern auch für Senioren attraktiv sei. Sie müssen damit nicht länger einen möglicherweise beschwerlichen Weg auf sich nehmen, um die Stadtpolitik verfolgen zu können.

Den Stadtverordneten versuchte er, die Berührungsängste mit dieser für alle neuen Form der politischen Arbeit zu nehmen, die technisch seiner Überzeugung nach kein Hexenwerk sei und auch keine allzu großen Kosten verursache. Wer dennoch den Sprung in die breite Öffentlichkeit nicht wagen wolle, der könnte gewiss sein, dass zwei einfache Klicks genügen, um beim Redebeitrag „offline“ zu gehen, versprach er.

Einem Teil der Grünen-Stadtverordneten ging das Video-Streaming in beantragter Form deutlich zu weit. Grünen-Stadtverordnete Mechthild Schwetje erklärte deren Bedenken im Hinblick auf den möglichen Missbrauch der Videoübertragung in sozialen Medien: Es ginge hier um beispielsweise aus dem Zusammenhang gerissene Videoschnipsel, hinterlegt mit falschen Zitaten. „Solche und ähnliche Erscheinungen sind leider in Social Media oftmals Realität“, gab sie zu bedenken. „Daher kann ich die Bedenken, die eigenen Redebeiträge als Video online zu stellen, wenn schon nicht komplett teilen, so doch verstehen und ernst nehmen.“ Prinzipiell stehe sie aber einer Video-Übertragung positiv gegenüber, da sie „unsere Arbeit als Stadtverordnete transparenter machen kann und die Bürger*innen stärker an unseren Diskussionen beteiligt“. Deshalb brachten die Grünen auch einen Änderungsantrag ein mit dem Wunsch, sich bei der Übertragung auf ein reines Audioformat zu beschränken. „Damit ist dem Missbrauch zum Beispiel auf Facebook ein wirkungsvoller Riegel vorgeschoben – denn ohne Bilder funktioniert Social Media einfach nicht“, argumentierte Schwetje für ihre Partei. Gleichzeitig bestehe nicht die Gefahr, dass schließlich trotz Antragsmehrheit ein großer Teil der Stadtverordneten wegen der Bedenken von seinem Recht am eigenen Bild Gebrauch machen könnte und die eigenen Redebeiträge sperren lässt. Schwetjes Befürchtung ist, dass genau das teilweise Ausschalten der Redebeiträge schließlich die Politikverdrossenheit beflügeln könne. „Mein Appell, einigen wir uns auf eine Audioübertragung und nehmen damit alle ins Boot“, warb sie für den Änderungsantrag der Grünen. Im Frankfurter Stadtparlament werde das schon länger mit Erfolg praktiziert. Doch die Mehrheit, 18 Stadtverordnete an der Zahl, entschied sich für das Video-Streaming mit Bild und Ton. Neun Stadtverordnete stimmten gegen das Video-Streaming und fünf enthielten sich der Stimme.



X