Christel Locher holt Gold und Silber bei Europameisterschaft

Ganz oben auf dem Siegerpodest (v. l.): die Senioren-Europameisterinnen im Doppel Christel Locher und ihre Partnerin Hannelore Dillenberger. Foto: Locher

Oberursel (ow). 3270 Teilnehmer aus 42 Ländern ermittelten in Budapest bei der 13. Senioren-Europameisterschaften im Tischtennis ihre Titelträger in jeweils acht Altersklassen bei Damen und Herren (40-49 Jahre, 50-59 Jahre, 60-64 Jahre, 65-69 Jahre, 70-74 Jahre, 75-79 Jahre, 80-84 Jahre, über 85 Jahre). Unter ihnen war Christel Locher vom SC Eintracht Oberursel. Nur sporadisch hatte sie bisher an solchen von ihr skeptisch betrachteten internationalen Meisterschaften teilgenommen und mehr der Austragungsort als sportliche Ambitionen inspirierten sie zu der Reise in die ungarische Hauptstadt, zumal sie wegen einer Zehenverletzung mit aufgeschnittenen Schuhen spielte. Aufgrund ihrer erfolgreichen Titelverteidigung in Einzel und Doppel bei den Deutschen Meisterschaften in Erfurt wurde sie in Budapest in ihrer 73 Teilnehmerinnen starken Altersklasse Ü70 im Einzel an Position vier und im Doppel mit ihrer Partnerin Hannelore Dillenberger (frühere Bundesligaspielerin aus dem Rheinland) an Position drei gesetzt.

Alle Altersklassen spielten zunächst eine Qualifikationsrunde im Einzel mit Vierer- ofder Dreier-Gruppen und am Dienstag ebenso im Doppel. Die beiden Gruppenersten in Einzel und Doppel qualifizierten sich für die Hauptrunde (Main Draw) im K.o.-System. Die Gruppendritten und -vierten spielten ebenfalls im K.o.-System eine Trostrunde (Consolation). Christel Locher gelang es, ihre Gruppe im Einzel und mit ihrer Partnerin im Doppel ohne Satzverlust zu gewinnen und damit das sportliche Minimalziel zu erreichen. Nach einem Freilos folgte ein weiterer 3:0-Erfolg über eine Engländerin und damit der Einzug unter die letzten 16. Nach einem neuerlichen 3:0 über die hoch gehandelte Französin Le Corvec stand ihr wie bei den Deutschen Meisterschaften im Viertelfinale ihre Doppelpartnerin Dillenberger gegenüber, der sie beim 3:1 keine Chance ließ und sich damit einen Podiumsplatz sicherte.

Schwieriger gestaltete sich der Weg im Doppel, denn die ungarischen Mitfavoritinnen Za-cher/Jonyer hatten in ihrer Gruppe nur den zweiten Platz belegt und stellten sich nun Lo-cher/Dillenberger bereits im Achtelfinale in den Weg. In einem wahren Krimi mit wechselnden Führungen gelang den beiden nach einem Vierpunkterückstand im Entscheidungssatz noch die Wende zum 11:9 und 3:2-Sieg. Das folgende Viertelfinale gegen ein schwedisches Duo gewannen sie unbedrängt mit 3:1. Damit war auch eine zweite Medaille für Christel Locher gesichert, ein Erfolg, den sie selbst am wenigsten erwartet hatte.

Locher/Dillenberger setzten sich gegen eine polnisch-schwedische Kombination klar mit 3:0 durch und freuten sich über den Finaleinzug. Das Halbfinale im Einzel, Gizella Zacher – Christel Locher, stellte eine ungleich schwerere Herausforderung dar, denn die ungarische Lokalmatadorin und frühere Nationalspielerin ist amtierende Seniorenweltmeisterin von Las Vegas 2018. Mit unangenehmen Schnittwechseln und schwer retournierbaren Angriffsbällen mit ihrer Noppen-Rückhand ging die Favoritin auch sofort mit 2:0 Sätzen in Führung. Doch Christel Locher stellte sich immer besser auf das Spiel ihrer Kontrahentin ein und kam zunehmend mit eigenen Vorhand-Topspins zu Punktgewinnen und mit 12:10 und 11:9 zum Satzausgleich. Im fünften Satz erwischte Zacher den besseren Start und führte mit vier Punkten, bevor Locher zunächst zum 9:9 ausgleichen und dann zum 11:9 den unerwarteten Finaleinzug perfekt machen konnte.

Hannelore Dillenberger und Christel Locher standen in der Ü70-Klasse die beiden starken Engländerinnen Marjorie Dawson und Diane Pearce gegenüber. Das seit zehn Jahren eingespielte deutsche Duo (fünf deutsche Meistertitel) überrollte die konsternierten Kontrahentinnen mit 11:4, 11:3 und 11:4 und zeigte das beste Spiel ihrer gemeinsamen Zeit mit fulminanten Angriffsbällen und großer Sicherheit im passiven Spiel. Der Jubel und die Freude über den Erfolg, aber auch die eigene starke Leistung waren unbeschreiblich. Doch für Christel Locher galt es, die Konzent-ration über die langwierige Siegerehrung im Doppel für das Einzel-Finale aufrechtzuerhalten.

Im Endspiel stand ihr mit Ursula Krüger die Titelverteidigerin von Helsingborg 2017gegenüber, eine Spielerin mit beidseitig Noppenbelägen. Der erste Satz war heiß um-kämpft mit ständigen Führungswechseln und endete mit 19:17 für Krüger – eine kleine Vor-entscheidung. Im zweiten Satz erarbeitete sich Locher zunächst Vorteile und führte 7:3, bevor Kraft und damit auch Konzentration bei ihr nachließen und Krüger noch den Satz mit 11:8 holen konnte und im dritten Satz mit klugem Platzierungsspiel ihre Titelverteidigung verdient perfekt machte. Nach der ersten Enttäuschung unmittelbar nach dem Spiel wurde Christel Locher schnell bewusst, welch großen Erfolg sie mit einer Gold- und einer Silbermedaille bei einer Europameisterschaft errungen hatte.



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