Die fünfte Jahreszeit und ihre historische Dimension

Das legendäre Fastnachtspaar „Lang und Kurz“, Heinz Ohl und Wolfgang Weber, bei einem Auftritt im Jahr 1966. Foto: Arbogast

Oberursel (bg). Rechtzeitig vor dem Start in die neue Kampagne wurde im Vortaunusmuseum die neue Sonderausstellung „Die fünfte Jahreszeit, Fastnacht – Fasching – Karneval“ eröffnet. Zur Vorbereitung auf diese Ausstellung besuchte Museumsleiterin Renate Messer das Fastnacht-Museum in Kitzingen. Von dort hat sie Leihgaben mitgebracht, darunter kunstvolle Masken, die eine komplette Vitrine füllen.

Außer sorgfältig ausgewählten Narren-Utensilien wie Zepter, Orden, Masken, Plakaten und historischen Fotos vom närrischen Treiben in Oberursel aus der Sammlung Arbogast und dem Stadtarchiv sind die prachtvollen Roben von närrischen Hoheiten der große Hingucker. Präsentiert werden die Kostüme des BCV-Kinderprinzenpaars Annika I. und Justus I., die Uniform von Prinz Günther III. vom CV Stierstadt aus der Kampagne 1998/1999, das aktuelle Kostüm der Stierstädter Tanzgarde und eine Uniform der „Garde Diana“. Dabei handelt es sich um eines der ältesten Gardekostüme aus dem Fundus des Karnevalvereins Frohsinn.

In Oberursel pflegen viele Karnevalsvereine mit Herzblut das närrische Brauchtum. Alle haben Raritäten aus ihrer Vereinsgeschichte zur Ausstellung beigesteuert. Natürlich darf bei dieser Schau auch der legendäre, von Hendoc geschaffene Ohlenspiegel nicht fehlen, der in Erinnerung an den großen Karnevalisten Heinz Ohl gestiftet wurde. Er und Wolfgang Weber waren über viele Jahre „Lang und Kurz“, ihre Auftritte sind unvergessen. Ein Foto aus der Sammlung Arbogast zeigt sie 1966. Dienstältester Verein der Stadt ist der Frohsinn, der 1890 gegründet wurde. Alle anderen sind Neugründungen aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. 1952 wurde der Club Geselligkeit Humor CluGeHu in Weißkirchen ins Leben gerufen, der Stierstädter Carnevalverein folgte 1959, und 1987 ging im „Grünen Baum“ die Gründung des Bommersheimer Carneval Vereins über die Bühne. Jüngster Verein ist der Carnevalclub „The Ravens“, eine Neugründung aus dem Jahr 2010.

Jeder Verein konnte Exponate in einer Vitrine präsentieren und stellte sich mit einem kurzen Abriss über seine Entstehungsgeschichte und die Gründungsmitglieder vor. Dazu hatten alle in ihren Archiven gestöbert und tolle Schätze gehoben. Wie der CV Stierstadt, der ein Plakat zur Fastnachtsitzung mit Margit Sponheimer ausgegraben hat. Beim Frohsinn konnte man außer vielen Orden unter anderem einen Stammtischwimpel aus dem Jahr 1928 bestaunen. Dort traf sich damals ein wichtiges Gremium, das „Ministerium“.

Die Eröffnungsgäste erfuhren bei der sehenswerten Ausstellung erstaunliche Dinge über das Phänomen Fastnacht – Fasching – Karneval. Von den Übersprüngen des Fests und seinem Wandel im Lauf der Jahrhunderte. Davon zeugen Exponate, historische Quellen, Dokumente und erläuternde Texte. Wie wüst es teilweise zuging, hat Pieter Bruegel der Ältere bereits im Jahr 1559 auf einem Bild festgehalten, das in der Ausstellung als Druck zu sehen ist. Im späten Mittelalter gab es fastnachtliches Teufelstreiben und ausschweifende Feste vor der Fastenzeit, toleriert von Seiten der katholischen Kirche, bei den Protestanten gab es dafür wenig Verständnis.

Zur Hochburg im rheinischen Karneval entwickelte sich Köln, dort gab es auch den ersten närrischen Umzug. Als Köln unter französische Besatzung geriet, war das närrische Treiben von 1774 bis 1795 verboten. Unter anderem entwickelten sich als Parodie auf das Militär in den Vereinen die Garden. Der Karneval erlebte in seiner Geschichte viele Umbrüche, aber auch Kontinuität. Es vollzog sich ein Wandel vom unkontrollierten, ausschweifenden Treiben zum heutigen stark ritualisierten Fest mit Sitzungen, Bällen und Straßenumzügen. Das alles bekommt der Besucher in der liebevoll gestalteten Schau vermittelt.

Tolle Sache für die Hochburg

Zur Ausstellungseröffnung hatten sich viele Mitglieder der Orscheler Karnevalvereine eingefunden, darunter einige Ex-Prinzen, obwohl die Vorbereitungen für den Kampagnenstart auf Hochtouren liefen. Ein großes Lob gab es von Renate Messer für den ebenfalls erschienen Vorsitzenden des Narrenrats, Harry Hecker. Mit seiner Hilfe sei es gelungen, der Fülle des Angebots Herr zu werden, erklärte sie. Das Thema Karneval sei sehr komplex. Der Brauch, kurz vor der Fastenzeit eine temporärere Gegenwelt zu schaffen, bei der die sozialen Verhältnisse auf den Kopf gestellt werden, werde nicht nur in Europa, sondern weltweit gefeiert. Immer gehörten zu diesem Fest auch das Essen, Trinken, Feiern und Tanzen, führte sie weiter aus.

Die Begrüßung der zahlreichen Freunde der Fastnacht übernahm ein Experte: Gerd Krämer. Der Kuratoriumsvorsitzenden des Vortaunusmuseums schwang als Prinz Gerd I. in der Kampagne 2005/06 das Narrenzepter über der Taunusstadt. „Den Alltag mal vergessen, närrische Dinge tun, in eine andere Rolle schlüpfen und denen da oben mal die Meinung sagen, ist ein wichtiges Ventil für den gesellschaftlichen Zusammenhang“, stellte er fest. Er bedankte sich bei Renate Messer sowie ihren Mitarbeiterinnen Claudia Hollmann und Birgit Köppel für die Ausstellung. Das sei für Oberursel, die Fastnachtshochburg im Taunus, eine tolle Sache.

!Die Sonderausstellung über „Die fünfte Jahreszeit“ wird bis zum 28. Juni 2020 im Vortaunusmuseum, Marktplatz 1, gezeigt. Die Öffnungszeiten sind mittwochs von 10 bis 17 Uhr, samstags von 10 bis 16 Uhr und sonntags von 14 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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