Großes Wiedersehen mit der Rad-Elite

Ein Bild, das es so zuletzt 2019 gab: Die weltbesten Radrennfahrer strampeln am 1. Mai unter lautstarken Anfeuerungsrufen den Oberurseler Marktplatz hinauf. Foto: sth

Von Sebastian Theuner

Oberursel. Eine Stunde, bevor die weltbesten Radrennfahrer den Oberurseler Markplatz hinaufjagen, sichern sich erste Fans die besten Plätze an der Strecke. In der Hand ein Bierchen, in der Nase der Duft von Bratwurst, so steigt die Vorfreude auf ein herbeigesehntes Comeback. Der Radklassiker Eschborn-Frankfurt kehrt zurück – zum altbewährten Termin.

Seit 1968 findet das Rennen traditionell am 1. Mai statt. Pandemiebedingt wurde das Sportevent vor zwei Jahren jedoch abgesagt, im Vorjahr in den September verlegt. Radsportfans wurde damals empfohlen, zu Hause zu bleiben und das Rennen im Fernsehen zu verfolgen.

Am Sonntagmittag blickt auf dem Marktplatz so mancher gebannt auf sein Smartphone. Einer von ihnen steht gegenüber dem historischen Rathaus. Der hessische Rundfunk überträgt das Rennen im Stream. „Gerade fahren sie durch Rödelheim“, berichtet der Mann, später werde sicher auch ein Bericht über Oberursel kommen. Das Heimatstädtchen präsentiert sich einem internationalen TV-Publikum – welcher Orscheler wäre darauf nicht stolz? Mit lärmenden Rotoren kreisen Helikopter über der Altstadt und liefern spektakuläre Bilder. Das Fahrerfeld rückt näher.

Die Stimmung beim Orscheler Streckenfest sei etwas Besonderes, sagen drei Radfreunde, die sich in ihrem Outfit glatt selbst dem Peloton hätten anschließen können. Sie sind aus Bad Homburg herübergeradelt, das einst ebenfalls Teil des Radklassikers war, letztmals 2018. Dann wurde der Kurstadt das Rennen zu teuer.

Welchem Fahrer die Daumen gedrückt werden, ist in Oberursel im Normalfall eine rhetorische Frage. John Degenkolb, einer der prominentesten Einwohner der Stadt und Sieger des Rennens 2011, tritt in diesem Jahr für seine neue Mannschaft „Team DSM“ an. Nach Platz zwei im Vorjahr wünschte Bürgermeisterin Antje Runge im Vorfeld einen erneuten Podestplatz.

Für Runge ist es das erste Rennen, das sie als Stadt-Chefin erlebt. „Für die Sportstadt Oberursel ist das ein wichtiges Event“, sagt sie. Sie freut sich nach der langen Pause über den „großen Zuspruch“ für das Streckenfest. Die TSG Oberursel stellt die Streckenposten; am Imbisswagen kommen sie mit dem Grillen von Bratwürsten und dem Ausschenken von Bier kaum hinterher. Sie könne sich vorstellen, das Streckenfest künftig noch aufzuwerten, etwa mit Sitzgelegenheiten auf dem Marktplatz, sagt Runge.

Dann, um viertel nach eins, lässt der Konvoi aus Polizei, Servicewägen und Motorrädern den Lärmpegel schlagartig anschwellen, und schon biegt das Hauptfeld vorbei an der Stadtbücherei auf das Kopfsteinpflaster ein. Binnen Sekunden rasen über 100 Radprofis den Markplatz hinauf, gefolgt von weiteren motorisierten Fahrzeugen auf zwei und vier Rädern. Dann ist alles schon wieder vorbei.

Während sich die Fanmeute nun rund um den Getränkewagen schart, macht sich Antje Runge auf den Weg nach Frankfurt. Dort will sie den Lokalmatador Degenkolb in Empfang nehmen. Der kommt am Nachmittag hinter dem Sieger Sam Bennett aus Irland nur auf Platz 22 ins Ziel an der Alten Oper. Wichtiger aber ist, was er im Anschluss im hr-Interview sagt: „Ich habe es trotzdem total genossen. Es war ein wunderschöner 1. Mai!“ Den hatten sich Sportler wie Fans nach drei Jahren Wartezeit wohlverdient.

Weitere Artikelbilder



X