Johanniskirche wartet auf ein Dach über dem Kopf

Dem Himmel so nah: Matthias Fuchs in der dachlosen Johanniskirche. Foto: HB

Oberursel (HB). Der Ministrant von St. Crutzen ist auf Entdeckungstour. Neugierig betritt er den Vorhof und nähert sich auf dem Rasen dem Eisengitter im sandsteinfarbenen Rundbogen, dem Eingang zur Johanniskirche. Er will ein Bauwerk endlich mal in Augenschein nehmen, das seit mehr als einem halben Jahrhundert Wind und Regen ausgesetzt ist – seitdem der Blitz eingeschlagen ist und Flammen im Dach des Kirchenschiffs gewütet haben. Im zehnten Jahr seines Bestehens hat der Förderverein die Hoffnung auf einen Wetterschutz längst nicht aufgegeben.

Der altehrwürdige Sakralbau liegt auf einem Buckel oberhalb des früheren Rathauses. Gut 400 Jahre nach der Weihe meinte es der Herrgott nicht gut mit der katholischen Kirche. Am 23. Juni 1967 brannte sie nach einem Blitzeinschlag wie eine Fackel, doch erst 16 Jahre später wurde das ramponierte Schieferdach abgetragen und St. Johannis zum „offenen“ Denkmal aufgewertet. Seitdem ist die Stadt zum Erhalt der Kulturstätte verpflichtet, und es liegt auch nicht am baulichen Zustand, wenn Matthias Fuchs die Tür bisweilen zusperrt. sondern schlicht an der Witterung. Der Mann steht an der Spitze des Fördervereins.

Ende vergangenen Jahres bereiteten sich die Denkmalfreunde, die beim Weißkirchener Jubiläum auf dem Vereinscampus für ihre Sache einstanden, auf einen würdigen Saisonabschluss in dem Gemäuer vor. Die blauen Stühle sollten auf dem Holzboden platziert werden, Laternen und Kerzen lagen griffbereit. Im Kühlschrank warteten prickelnde Getränke auf die Besucher. Doch es kam niemand. Bereits Tags zuvor zog der Vorstand die Reißleine und kapitulierte vor Wind und Regen. Solche Absagen gab es schon öfter, und sie werden sich wiederholen, solange kein Dach die weißen Mauern überspannt und der Kirche halt gibt.

Oberursels Denkmalpfleger Wolfgang Breese kennt das Problem. In seiner Behörde wurden alle Varianten durchgespielt, doch offenbar ist ein Dach unter 130 000 Euro nicht zu haben. Für eine Stadt, die keinen festen Denkmaletat hat, sondern – wie im Fall der Stadtmauer – in Einzelmaßnahmen investiert, ist das eine hohe Hürde.

Der Förderverein sammelt immer wieder für den guten Zweck, doch ohne tatkräftige Hilfe der Wirtschaft wird sich das Dach – es soll ein flaches aus Glas werden – nicht stemmen lassen. Optimisten erinnern an die Spendenaktion für den Wiederaufbau der Dresdener Frauenkirche, einem Kulturdenkmal nationalen Zuschnitts, für das ein zweistelliger Millionenbetrag zusammenkam. Dergleichen hätte Vorbildcharakter, wenn die Freunde der Johanniskirche mit dem Klingelbeutel durch die Lande zögen. So weit ist die Kampagne noch nicht, denn erst einmal muss im politischen Raum gut Wetter gemacht werden. Matthias Fuchs will das Thema als SPD-Ortsbeiratsmitglied in dem Weißkirchener Gremium ansprechen, doch Mittel müsste das Stadtparlament freigeben, in dem der Fördervereinsvorsitzende auch ein Mandat hat. Ortsvorsteher Nikolaus Jung ist für dieses Thema auf jeden Fall empfänglich: Er wurde 1956 in der damals unversehrten Johanniskirche getauft.



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