Mit einem anderen Blick auf das Wesen deer Dinge

Der Meister am Faltband: Mit geschicktem Wurf macht Künstler Wolfgang Winter aus dem meterlangen Band aus Edelstahl und Lack ein Kunstwerk für die Wand. Foto: js

Bad Homburg (js). Seit der ersten Begegnung mit dem Kunst-Werk von Wolfgang Winter und Berthold Hörbelt begleitet den Betrachter ein Gedanke, der immer wiederkehrt. Die Skulptur „Sylt Basket # 9“ am Rand des Rantumer Beckens hat in salzig-sonnig-feuchter Meeresluft Augen geöffnet. Dieses seltsame Monstrum da im Sand, wie aus dem Strandhafer im lebendigen Untergrund in den blau-weiß verwuschelten Himmel gewachsen. Unten ein Container-Klotz und dann doch irgendwie filigran, zart fast gebaut in seiner organischen biomorphen Form. Einladend, den Weg nach oben zu finden, um dort hinter dem gebogenen Metallgitter gleichzeitig drinnen und draußen zu sein. Den Blick zu weiten, von innen nach außen nach innen …. Nach außen, hin zum eingefangenen Meer im Becken, über die Dünen hinweg zu den Wellen und diesem weiten Welten-Raum.

Der erste Blick beim Eintritt in die wunderbaren, selbst an einem regnerischen Morgen lichtdurchfluteten Jakobshallen, offenbart schon Gesehenes. Im neuen Zusammenhang, denn was im vergangenen Jahr noch draußen stand im Schlosspark, ist jetzt ein luftiger Raum im Raum, der neue Perspektiven öffnet. Reingehen, das Verhältnis zur Außenwelt wahrnehmen, das Innere einer Skulptur als Raum auch wahrnehmen und sich selbst im Zentrum davon, wie sich das der Künstler Wolfgang Winter wünscht, das kann man auch im geschlossenen Kunsttempel, den Galerist Christian K. Scheffel in der Dorotheenstraße geschaffen hat. Die mehr als drei Meter hohe „Voliere“ aus Edelstahl-Gitterrosten mit feinen Rundungen geformt ist ein Blickfang in der Haupthalle der einstigen Kirche.

Ja, man darf die Kunst begehen, diesen „Basket # 13“, man soll das sogar für den Perspektivenwechsel. Auch das „Kastenhaus“ aus Getränkekisten, Stahl und Holz in der kleineren Halle zum Garten hin. Noch so eine Transformation mit Ecken und reichlich Rundungen. Unvergessen ist Kunstfreunden, die die „Blickachsen-Biennale“ lieben, die zwölf Meter lange Röhre aus gelben Getränkekisten im Kurpark oberhalb des Schwanenteichs mit Blick hinunter auf die Wasserfontäne im Teich oder umgekehrt in Richtung Kurhaus. Ein Anziehungspunkt mit Strahlkraft bei den Blickachsen 2019, dieses Werk des stets gemeinsam auftretenden Künstler-Duos Wolfgang Winter und Berthold Hörbelt mit dem schönen Titel „Donnerstags ist alles gut“.

Jetzt bespielen Winter/Hörbelt in der Ausstellung „Das Verkehrswesen“ allein die Räume der Galerie Scheffel. Außer den begehbaren Installationen werden eine Vielzahl von Skulpturen und Wandobjekten in unterschiedlichen Formen, Materialien und Ausdrucksformen gezeigt. Das Spiel der beiden gelernten Steinbildhauer mit Transformationen im künstlerischen Kontext. Offenbart in der Verarbeitung von allerhand „industriellem Halbzeug“ wie Winter es auch nennt. Steine graben die beiden nicht aus, um sie zu bearbeiten. Warum auch? „Warum etwas aus dem Boden reißen, wenn so viel schon rumliegt?“

Dieses seltsame „Verkehrswesen“ rund um die Menschen ist so vielgestaltig, da gibt es genug zu holen und zu transformieren für einen anderen Blick auf das Wesen der Dinge und damit auch auf sich selbst. Auto-Rücklicht-Abdeckungen etwa, aus denen man „Perlen des Alltags“ formen kann. Inzwischen produziert sie das Duo selbst. Auch so ein Werk bei den „Blickachsen“ im vergangenen Jahr, diese riesige asiatisch wirkende Laterne im Dunstkreis der Sala Thai. Man kommt in den Jakobshallen um Blickachsen nicht herum, und das ist gut so.

Es gibt ja auch Neues, das macht den Besuch der aktuellen Ausstellung so spannend. Welchen Weg werden die beiden Herren, die inzwischen weltweit anerkannt und unterwegs sind, vom berühmten Yorkshire-Skulpturenpark bis nach China, demnächst in Korea und jetzt in Bad Homburg, noch gemeinsam gehen? Eines ist sicher, das, was am Wegesrand liegt und das Auge des Neugierigen streift wie etwa ein Laubbläser im goldenen Herbstfarbenlicht, wird immer in ihre Kunst integriert bleiben.

Nur eben anders. Auch mal grau, fast unsichtbar. Ein schönes Momentum, diese lebendige Zeichen angehaltener Zeit, harmonisch mit dem Licht in den herrlichen bunten Fenstern der Jakobshallen korrespondierend.

!Die Ausstellung „Das Verkehrswesen“ in der Galerie Scheffel, Dorotheenstraße 5, ist bis zum 10. August zu sehen. Öffnungszeiten sind Mittwoch bis Freitag von 14 bis 19 Uhr, Samstag von 11 bis 15 Uhr.

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