Erlebnisse der Kindheit als Inspirationsquelle

Bad Homburg (hw). Es ist ein ganz normaler Abend mitten in der Woche. Aber doch ist dieser hier ein klein wenig besonderer als alle anderen. Der Kulturspeicher ist bis auf den letzten Stuhl besetzt. Bevor die Lesung beginnt, scannt Anne Gesthuysen noch mit fröhlichen Augen von ihrem Lesepult aus ihr Publikum forschend ab: „Ist heute ein Mann hier unter uns Mädels?“ Völlig unerwartet springt die Autorin von der Bühne und läuft mit entschlossenem Schritt quer durch den Saal, um die wenigen Mutigen, die sich „geoutet“ haben und die man an einer Hand abzählen kann, persönlich willkommen zu heißen.

Auch ihr zweites Buch klettert gerade die Bestsellerliste nach oben. Anne Gesthuysen wird an diesem Abend aus diesem neuen Buch „Mädelsabend“ lesen. Aber noch ist es lange nicht soweit. Bei Anne Gesthuysen geht es nach dem ungewöhnlichen Auftakt ebenso herzlich und ihren Zuhörerinnen zugewandt weiter. Sie erzählt viel von sich und von ihrer Kindheit am Niederrhein. Das sei eigentlich eine eher ruhige Gegend, doch genau hier liege ihre Inspirationsquelle. Ihre Kindheitserlebnisse waren die verborgene Schatztruhe, die ihr als Romanvorlage für „Wir sind doch Schwestern“ diente.

Gesthuysens Welt ihrer Romanheldinnen und Helden gerät zwar regelmäßig aus den Fugen, doch in ihren Geschichten verläuft das Schicksal so wie an diesem Abend: Alles wird mit einem Weichzeichner aus Lebensfreude erzählt, und meistens kommen die Personen in ihren Romanen mit einem blauen Auge davon, egal, wie schwer auch immer das Leben mit Herausforderungen daherkommt. Gesthuysens Energie und Lust am Erzählen hüllt den Saal in eine sehr angenehme Wohlfühlatmosphäre ein. Und das kommt an.

Von der Resterampe

Vor einigen Jahren hatte sich die Autorin zugunsten ihrer Familie von der stressigen Moderation des ARD-Morgenmagazins verabschiedet. Doch einen richtigen Bruch in ihrer erfolgreichen Journalistinnen-Biografie hat sie verhindert, indem sie mit dem Schreiben anfing. Für ihr zweites Buch „Mädelsabend“ hat sie diesmal in den Familiengeschichten ihres Mannes, dem Moderator Frank Plasberg, einen Fundort für ihre Figuren entdeckt. Den, so erzählt sie augenzwinkernd und mit ein wenig Selbstironie, habe sie ja recht spät kennengelernt – auf der „Resterampe“. Aber auch da könne man so manches Mal, wie man an ihr ja sehe, ein „Schnäppchen“ machen. Und diese „Gerade-noch-mal-die-Kurve-gekriegt-Geschichten“ machen Anne Gesthuysen sehr nahbar.

„Mädelsabend“ ist ein Buch, das mit demselben Erfolgsrezept wie der Bestseller „Wir waren doch Schwestern“ konzipiert wurde: mit Frauenfiguren, die ihren Männern oder mehr noch dem Leben den Schneid abkaufen. Manchmal werden sie darüber zwar 80, aber das gibt den guten Geschichten in Gesthuysens Romanen erst den richtigen Kick ins beinahe absurd Komische.

Anne Gesthuysen liest aus ihrem neuen Buch „Mädelsabend“. Foto: agl



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