GaG-Schüler machen mobil gegen das Vergessen

Rebecca Wiesenthal, Ehefrau des Rabbiners Rallis Wiesenthal, aus Chicago beantwortet die Fragen der GaG-Schüler. Begleitet wurde das Ehepaar bei seinem Besuch in der Kurstadt von seinen Söhnen David, Jesse, Jonathan und Benjamin. Foto: fch

Bad Homburg (fch). Die Bilder leidender, gequälter, geschändeter und ermordeter Menschen in Konzentrationslagern haben sich unauslöschlich in das Gedächtnis der Bürger eingebrannt. Bereits zum vierten Mal hatte die „Initiative Stolpersteine Bad Homburg“ zur Stolpersteinverlegung in die Kurstadt eingeladen. Mahnsteine wurden dieses Mal in der Kaiser-Friedrich-Promenade, Ferdinand-, Louisen-, Kisseleff- und Gartenfeldstraße verlegt. Mit dabei waren Zeitzeugen und Angehörige der Opfer. Begleitet wurden sie von Schülern der Gesamtschule am Gluckenstein (GaG) gemeinsam mit ihren Lehrerinnen Sunay Yildiz und Ngoc Thanh Pham.

Abends hatte die Gesamtschule zu einem Festakt „Stolpersteine“ in ihre neue Mensa eingeladen. Schulleiterin Ursula Hartmann Brichta begrüßte Wolfram Juretzek, den Vorsitzenden der „Initiative Stolpersteine Bad Homburg“, Oberbürgermeister Alexander Hetjes, die Landtagsabgeordnete Elke Barth, Stadträtin Lucia Lewalter-Schoor, Rabbiner Shalom Rabinovitch, die Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Hochtaunus (GCJZ), Angelika Rieber, die frühere GCJZ-Vorsitzende, Margret Nebo, als Vertreter der jüdischen Gemeinde Imrich Donath sowie zahlreiche Bürger. Ehrengäste des Abends waren der Bad Homburger Zeitzeuge und Lokalhistoriker Wolfgang Zimmermann, Paul-Ernst Cohen aus der Schweiz sowie Dr. Johannes Weiß mit seiner Ehefrau aus Baden-Baden. Die weiteste Anreise hatten Nachfahren der Opfer, die den GaG-Schülern in Gesprächsrunden Fragen beantworteten. Angereist aus den USA waren Rabbi Rallis Wiesenthal mit seiner Ehefrau Rebecca und den Söhnen David, Jesse, Jonathan und Benjamin.

Aus Israel gekommen waren Zemach Cohen, Nomy Vardi, Asaf Vardy und Omry Vardi. Schulleiterin Ursula Hartmann Brichta betonte in ihrer Begrüßung, dass es „um das Erinnern für die Zukunft“ gehe, denn geschehenes Unrecht dürfe nicht verdrängt werden. „Erinnerung ist ein wichtiger Teil von Bildung“, die Teil der schulischen Aufgabe ist. Um die Schüler zu verantwortungsbewussten und verantwortungsvoll handelnden Erwachsenen auszubilden, sei es wichtig, eine moderne Gedenkkultur zu entwickeln, die die jüngeren Menschen erreiche. Es sei wichtig, dass sie hinschauten und sich dagegenstellten, wenn sie Zeugen werden von Ausgrenzung, Hass und Verfolgung. Kein Geschichtsbuch könne Gespräche mit Überlebenden, Zeugen und Nachfahren der Opfer ersetzen, sagte die Schulleiterin. „Es ist das einzelne Schicksal, das Menschen auch heute noch berührt.“

Nach einer Einführung von Wolfram Juretzek und einem Grußwort des Oberbürgermeisters war für die Schüler das Gespräch mit den Zeitzeugen eine bewegende Begegnung voller Empathie und anregendem Austausch. Sie wollten von ihren Gesprächspartnern wissen „Warum existiert Antisemitismus auch heute noch?“ und „Was würden Sie einem Holocaustleugner entgegnen?“ Mit der Thematik hatten sich die Schüler bereits intensiv auseinandergesetzt. Die Ergebnisse präsentierten sie den Besuchern in einer liebevoll und aufwendig gestalteten, gut recherchierten Ausstellung zum Thema „Krieg, Vertreibung, Flucht und Holocaust“.

„Wahnsinnig stolz auf euch“

Zuvor hatte Hetjes an die Schüler und Teilnehmer appelliert, die Erinnerung an Antisemitismus, Hass und Hetze mit einer würdigen Erinnerungskultur wach zu halten und dem Hass so den Nährboden zu entziehen. Neben den von Künstler Gunter Demnig gestalteten und verlegten Stolpersteinen, die eine wichtige und würdige Aktion gegen das Vergessen sind. „Stolpersteine sind ein verteiltes Denkmal, das uns auf Schritt und Tritt begegnet“, betonte Wolfram Juretzek. Tafeln im Bad Homburger Bahnhof zeigen wie das Stadtoberhaupt informierte, die Ziele der Züge an, mit denen jüdische Mitbürger vor fast 80 Jahren deportiert wurden. Zu den GaG-Schülern und ihrem Engagement gegen das Vergessen sagte er: „Ich bin wahnsinnig stolz auf euch.“ Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von singenden und musizierenden Schülern und Lehrern mit Liedern wie „Evening rise“, „Scholem sol sajn“ (There has to be freedom), „Nanis Vals“ (A Waltz for Nani), „Mut“ von Alexa Feser und „Fall on me“ von Matteo Bocelli.

Beim anschließenden Fingerfood-Büfett hatten die Teilnehmer Gelegenheit, das zuvor Gehörte in Gesprächen zu vertiefen und auszutauschen.

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