Großartige Erzählkunst und viele schöne Songs

Ron Williams schafft es mühelos, Corona zu trotzen und eine „hautnahe“ intime Atmosphäre herbeizuzaubern. Foto: Staffel

Bad Homburg (ks). Aller Distanz zum Trotz durften sich die vier bis fünf Dutzend Menschen im Kurtheater fühlen, als habe der charismatische Sänger und Entertainer Ron Williams sie persönlich in sein „Wohnzimmer“ eingeladen, um ihnen aus seinem Leben zu erzählen und die passenden Lieder dazu zu singen. So „hautnah“, wie es der Titel versprochen hatte, sind sie ihm noch nie begegnet, obwohl er schon öfter auf der Bühne des Kurtheaters gestanden hat.

Ron Williams, ein schwarzer Amerikaner, der sich entschieden hatte, in Europa und in Deutschland zu bleiben. Der dennoch sein Land nicht vergessen und die Bürgerrechtsbewegung auf seine Weise unterstützt hat. Auch in seiner Wahlheimat galt seine Aufmerksamkeit immer Menschen, die Hilfe und Unterstützung brauchen, und mit seiner „Tour der Toleranz“ hatte er sich vor allem an die Jugend in den Schulen gewandt. Gewalt in jeder Form ist ihm suspekt, ihr gilt es, „mit Herz und Hirn“ entgegenzutreten. Das rührt wohl auch daher, dass der 1942 in Kalifornien geborene Künstler eine schwierige Kindheit hatte. Seine Mutter war im Gefängnis gelandet, und der Junge wurde zwischen Onkel und Tanten hin- und hergeschickt, bis eine Abschiebung in ein Heim zu bigotten Betreuern nicht mehr zu verhindern war. Daran erinnerte der Song „Preacherman“.

Ron hatte das Glück, dass ihn schließlich „Onkel Marcus und Tante Mary“ bei sich aufnahmen, die ihm zugetan waren und bei denen er sich wohl fühlte. Überglücklich sei er gewesen, als er erfuhr, dass er ein „karibisches Kuckucksei“ sei und nicht der leibliche Sohn des kranken Vaters. Das Lied „Island In The Sun“ hat ihn – und auch Harry Belafonte – durchs Leben begleitet. Er habe sich bereits in der Schule politisch engagiert, erzählte er seinen Gästen. Doch statt Jura zu studieren, folgte er dem Rat des Vaters, nach Europa zu gehen, Gesang zu studieren und zu singen. Zunächst aber musste er als Militärpolizist in Georgia dienen, für den jungen Mann aus dem liberalen Kalifornien ein Schock, denn im Süden herrschte noch Segregation, strikte Rassentrennung. „Ich war der einzige Schwarze in der Einheit“, erzählte er, und man kann sich denken, was das bedeutete. Diese Zeit hat sich eingeprägt, wie das Lied „Georgia On My Mind“ verrät.

Nach den drei Jahren als MP-Mann fand er Freunde, die ihm Vietnam ersparten. Er kam nach Stuttgart, wo er zunächst als Rundfunksprecher seiner Landsleute begann und perfekt „schwäbeln“ lernte. Die nachfolgenden Stationen seiner außergewöhnlichen Karriere als Kabarettist, Schauspieler im Theater und im Fernsehen, als Moderator eigener Produktionen und nicht zuletzt als Komponist und begnadeter Sänger mit dem „Soul im Herzen und in der Kehle“ sind atemberaubend.

Es hat tief berührt, wie er in seinem Sessel saß, das „Buch seines Lebens“ auf dem Schoß, daraus erzählte und dazu sang, von dem einfühlsamen „Jörg-Seidel-Trio“ an Rhythmusgitarre, Kontrabass und Piano „swingend und groovend“ begleitet. Dann konnte der Sänger die Füße nicht immer stillhalten. Sie mussten den Beat hinzufügen, und dazu diente auch ein gelegentliches Schenkelklopfen und die Garnierung mit einer kleinen Pfeifeinlage: Die großartige und dabei lässige Erzählkunst von Ron Williams, eingebettet in die vielen schönen Songs und die eindrucksvollen Soli der Musiker, nahm auch den schwierigen Lebensphasen jede Düsternis. Da war auch ein spontanes „Halleluja“ nicht fehl am Platz: als kleine Aufmunterung in diesen schwierigen Zeiten, von denen die Menschen in allen Teilen der Welt betroffen sind. Die Gäste waren begeistert und bedankten sich nach dem fast zweistündigen Nonstop-Auftritt mit herzlichem Beifall.



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