Ehrwürdige Gedenkveranstaltung zur „Nacht der brennenden Synagogen“

Bad Soden
(mk) – Gemeinsam mit den Eheleuten Lissy und Sven Hammerbeck, Stadtarchivarin Christiane Schalles und vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, hatte die AG Stolpersteine, vereint mit der Stadt, einen ehrwürdigen Abend zum Gedenken des Pogroms am 10. November in Bad Soden auf die Füße gestellt. Viele Stadtmitglieder, unter anderem Stadtverordnetenvorsteher Helmut Witt und Stadträtin Renate Richter, um nur einige zu nennen, waren gekommen – auch Ehrenbürgerin Dr. Dietmut Thilenius. Bei den Reden, folgenden Gedichten, der besonderen musikalischen Begleitung und durchaus andächtigen ‚Nachwirkmomenten‘ wurde es still unter den Zuhörerinnen und Zuhörern im Foyer des Badehauses. Dorothea Paul und Michaela Bender begleiteten sehr anmutig die Veranstaltung mit Klarinette, Gesang und Gitarre. Erschütternd nahebringend dämmerten zwischen den Gedichten von Zeitzeugen die Anordnungen der Nazis, die damals gegen die jüdische Bevölkerung verhängt worden waren, speziell inszeniert von Sven Hammerbeck durch ein Megafon.

Der Rathauschef Dr. Frank Blasch hielt einleitend eine durchaus nicht alltägliche Rede: imposant und tief ergreifend: „Der Monat November ist ja bekanntlich der Monat des Gedenkens – es gibt jede Menge Tage (wie den Totensonntag, Volkstrauertag), sowohl religiös als auch staatlich, in denen man innehält, zurückblickt. Und jedes Jahr aufs Neue stelle ich mir die Frage: Warum macht man das eigentlich? Braucht es das heutzutage noch: Gedenken an die Opfer der Weltkriege? Das ist doch schon ewig her. Muss man noch an das denken, was 1938 geschah? Oder ist das nicht etwas, was wir den Historikern, den Stadtmuseen überlassen können? Den Geschichtsbüchern? Da kann man es ja nachlesen. Müssen wir das noch tun?“

Eine überspitze Frage, die aktueller denn je ihre deutliche Berechtigung hat und auf die es nur ein lautes „Ja“ geben könne, bekräftige Blasch. Seien es doch die Errungenschaften der Vergangenheit wie Freiheit, Frieden, Demokratie, die es zu verteidigen gelte. „Es ist ja so: Je länger das Geschehene zurückliegt, desto selbstverständlicher lesen wir das, und deswegen ist es wichtig, dass man sich trifft.“ Die Gefahr werde realistisch, wenn es einen unmittelbar – aus nächster Nähe – betreffe. Beispiele dafür nannte Blasch viele: Krieg in Europa, die damit zusammenhängende Angst einer Rohstoffmangelversorgung, Ereignisse in China, den USA, dem Iran und sogar unmittelbar vor unserer Haustür, denen eine antisemitische Rede in Thüringen zu Grunde läge. „Unsere Welt ist eine andere geworden“, fuhr Blasch fort. Durch vermehrt medial zum Vorschein tretende Unterdrückungen in der Welt, fehlende Meinungsfreiheit in vielen Ländern und Krieg sei diese Gefahr „präsenter geworden“, und unsere in Deutschland gelebten und anerkannten Werte wie parlamentarische Demokratie, soziale Marktwirtschaft, Paragraf 1 des Grundgesetzes – das Leitbild der Menschenwürde –, die Grundrechte seien eben nicht selbstverständlich. Eine Mahnung für alle Zeit, für diese Werte einzutreten: „Den Toten zum Gedenken, den Lebenden zur Mahnung“ fasse sein Gesagtes in einem Satz zusammen, so Blasch am Ende seiner Rede.

Auch Lissy Hammerbeck brachte mit ihren sehr klaren Worten zum Ausdruck: „Erinnern wir heute gemeinsam an das Grauen, das sich bereits Jahre zuvor angekündigt hatte. An alle, die entwürdigt, gedemütigt, vertrieben und ermordet wurden.“ Es sei der Versuch, sich gegenseitig zu bestärken, „dass so etwas nicht mehr geschehen wird – nicht mehr geschehen darf.“ Hammerbeck betonte und zitierte Primo Levi, dass so etwas wieder passieren könne in einer „mutierten Art“. Es gäbe aber durchaus Menschen, die „den Verlust der Anderen spüren“ könnten. „Warum? Weil sie empathisch sind und über die Fähigkeit verfügen, sich in die Gefühlswelt anderer hinein zu versetzen.“

Bleibt also zu hoffen, dass es in Zukunft genug empathische und mutige Menschen geben wird, die wie die AG Stolpersteine neben Bürgermeister oder Menschen aus der Vergangenheit zusammenkommen, um über die Lehren zu sprechen und die Errungenschaften dieser Zeit zu verteidigen. Über die AG Stolpersteine: www.stolpersteine-in-bad-soden.de.

Sprecherin der AG Stolpersteine, Lissy Hammerbeck, bei ihrer bemerkenswert empathischen Rede zur Erinnerung an die Nacht der brennenden Synagogen 1938.
Fotos: Mirjam Kuschel

Dorothea Paul und Michaela Bender begeisterten als musikalisches Duo.

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