Ordnung, Aufbruch, Leidenschaft Klavierabend mit Christopher Park

Mit Christopher Park kehrte ein international gefragter Konzertpianist in seine Heimatgemeinde Glashütten zurück, um die Konzertgäste zum wiederholten Male mit seiner Brillanz und Virtuosität zu begeistern. Foto: privat

Glashütten (kw) – „Ach, Corona“ möchte man seufzen, wenn man rückblickend liest, wie 2005 der erste abendfüllende Soloabend des damals gerade 18 Jahre jungen Pianisten in demselben Saal wie 2020 aufgenommen wurde: „Intensive Gespräche in der Pause“, „Betrachtung der dem klassischen Musikprogramm angepassten Aquarelle“ und „die Begeisterung des Publikums war unüberhörbar und forderte zahlreiche Zugaben“ stand damals in der Besprechung. Wie anders dieser Tage alles ist: Die Zuhörer stehen geduldig in langer Reihe mit Mindestabstand an, werden namentlich registriert, tragen selbstverständlich alle eine Mund-Nasen-Bedeckung und werden sorgsam einzeln zu ihren voneinander entfernten Plätzen geleitet, wo noch einmal ihr Name notiert wird.

Die früher so beliebte Pause mit ihren Gesprächen bei einem Gläschen entfällt ebenso wie die gerade bei Christopher Park gewohnten zahlreichen Zugaben. Vorher und zwischendurch werden die großen Türen zum Balkon geöffnet, um querzulüften – viele behalten darum ihre Jacken und Mäntel an, es ist wirklich etwas zugig im Saal. Viel Bemühen, viel Organisieren, viele Umstände – alles, um hier und jetzt Musik zu ermöglichen. Und trotz aller Mühe und Konzepte muss nun doch auch „die Kultur“ wieder für vier Wochen pausieren. Einfach traurig.

Trotz aller Widrigkeiten erfreuten sich die Gäste am 24. Oktober an diesem wunderbaren Konzert, denn Christopher Park ist inzwischen zu einem international gefragten Solisten herangereift, der unter anderem 2016/17 als „Rising Star“ der Europäischen Konzerthausorganisation ECHO ausgewählt wurde, und der Kulturkreis Glashütten ist durchaus stolz darauf, ihn nicht nur 2005 bei seinen ersten Karriereschritten unterstützt zu haben. Dass er trotz seines bisher stets vollen Konzertkalenders immer wieder in seiner alten Heimat auftritt, erfreut seine hier besonders zahlreichen Fans, die fast vier Jahre auf ihn warten mussten. Kein Wunder, dass nun die Nachfrage nach Karten das Angebot bei Weitem überstieg – und dies, obwohl Park großzügigerweise bereit war, sein Programm zweimal zu spielen, damit ihm möglichst viele zuhören konnten.

Der Abend begann mit der Französischen Suite Nr. 2 von Johann Sebastian Bach, die 1722 nach der Hochzeit des Komponisten mit seiner zweiten Frau Anna Magdalena entstand. Bach entwickelte hier die Form der Suite weiter, schuf eine neue Ordnung ohne Prélude und in einheitlicher Tonart durchkomponiert. Park kostete die Möglichkeiten des modernen Konzertflügels bei seinem Vortrag voll aus, ohne zu romantisieren. Besonders die Sarabande geriet ihm geradezu magisch.

Joseph Haydns frühes Divertimento G-Dur ist im Grunde eine Sonate und zählt zu seinen frühen, vor 1766 komponierten Werken. Haydn bricht zu neuen Ufern auf, die wir heute als Wiener Klassik bewundern. Park gab dieser viel zu selten gespielten Musik den ihr gebührenden Raum und zeigte, wie ungemein differenziert und „neu“ im Verhältnis zum Barock sie ist. Auch hier sprach manchen Hörer der langsame Satz (Adagio) besonders an, wirkte er doch fast wie ein Vorgriff auf den Mittelsatz der folgenden Beethoven-Sonate.

An dieser Stelle war ursprünglich die groß angelegte, geradezu symphonische Waldstein-Sonate geplant, die leider für die knappe Zeit etwas zu lang gewesen wäre. Stattdessen erklang Ludwig van Beethovens Sonate op. 57 f-Moll, die „Appassionata“, ein Werk voller Leidenschaft und Abgrund und wurde zum Höhepunkt des Abends. Christopher Park brachte alle Nuancen dieser revolutionären Sonate zum Klingen, vom fahlen, spukhaften Beginn, den immer wieder wie gegen eine Wand fahrenden Steigerungen über das sehnsuchtsvolle Andante con moto bis zum extremen Presto in der Stretta des letzten Satzes. Mit vollem Einsatz, kein Risiko scheuend brachte er den Flügel im Bürgerhaus an seine Grenzen und den Saal zum Beben. Das Publikum honorierte sein hochvirtuoses Spiel und seinen dabei so wohltuend uneitlen, natürlichen Auftritt mit dankbarem, anhaltenden Applaus, und Park bedankte sich mit „Doctor Gradus ad Parnassum“ aus dem Zyklus „Children’s Corner“ von Claude Debussy, womit er ein wenig augenzwinkernd an Bach erinnerte – so schloss sich der Kreis. Eine runde, geglückte Veranstaltung. Zu schade, dass der Kulturkreis alle weiteren für dieses Jahr geplanten Veranstaltungen absagen musste, es wird jedoch, so die Hoffnung, im nächsten Jahr auf gewohnt hohem Niveau weitergehen.(gs)



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