Eine Mikwe in der Hauptstraße ausgegraben?

Trittstufen, altertümliche Fliesen und Ziegel aus Ton, wasserdicht und mit einem Ablaufkanal versehen - die Sachlage lässt wenig andere Interpretationen als eine Mikwe zu. Der gemauerte Stützpfeiler darüber hilft bei der Datierung allerdings wenig, er stammt erst von einem Umbau im Jahr 1927.

Königstein (hhf) – Dass Rudolf Krönke nicht nur langjähriger Vorsitzender des Vereins für Heimatkunde ist, sondern auch stets auf der Jagd nach neuen Funden, die Licht in die Lokalhistorie bringen, gehört zum örtlichen Allgemeinwissen. Dass sich die Dinge nun kurz vor seinem 80. Geburtstag verselbstständigen, und die Heimatgeschichte ihm ihre Bonbons schon ins Haus liefert, ist dagegen neu.

Eigentlich war er nur daran gegangen, endlich seinen Keller in der Hauptstraße 20 aufzuräumen, dabei war ihm die Kuhle im Lehmboden wieder eingefallen, die er schon lange einmal näher untersuchen wollte. Aufgefallen war sie ihm schon zu Kinderzeiten, als die Familie hier im Zweiten Weltkrieg bei Luftalarm Schutz suchte. Seit dieser Zeit ist das Kellergewölbe mit Stahlträgern, Beton und Holzsäulen zur Verstärkung ausgebaut. Im Ausgrabungsschutt fanden sich auch noch die Korken von Weinflaschen, die ein Nachbar bei Alarm gegen die Angst gerne geleert hatte, wie Krönke sich erinnert.

Bald schon tauchte unter der Erdschicht eine (wenn auch schartige) Sandsteinstufe auf, Grund genug, nun erst recht weiterzumachen. Dabei wurde der schlanke Sohn Oliver bald zum Hauptakteur, denn das noch unbestimmte Gebilde stellte sich als schmal und tief heraus – ein „Bad“ war nur in Hockstellung möglich – ein Teil war später sogar von einer Gewölbestütze überbaut worden, vielleicht, weil der Boden an dieser Stelle nachgab. Schließlich legten mit der ortsansässigen Firma Alexander Pfaff echte Bauprofis Hand an, die – quasi als Zusatzqualifikation – außer von größeren Erdbewegungen auch noch etwas von Historie und Heimatgeschichte verstehen.

Der Keller ist, wie das übrige Haus auch, in den Jahren nach dem großen Stadtbrand von 1792 entstanden, davon zeugen die vielfältigen „Spolien“ im Mauerwerk. Entsprechend der damaligen Not und dem Mangel an Baumaterial hatte man alles, was aus anderen Ruinen noch zu verwenden war für den Wiederaufbau genutzt. Ein bekanntes Beispiel für „geraubte“ Spolien sind die Eichenbalken von der Burg, die noch heute im ehemaligen Gasthaus „Zum Hirsch“ gut zu erkennen sind.

Ein großer Teil der Häuser an der Hauptstraße war in Folge einer preußischen Beschießung der französisch besetzten Festung im Dezember 1792 in Flammen aufgegangen, da sich ein Großteil der Kugeln verirrt hatte – die Festung jedenfalls sollte noch vier weitere Jahre lang intakt bleiben.

Ob entsprechende Unterlagen in diesem Schicksalsjahr verbrannt sind oder an anderer Stelle verloren gingen, lässt sich nicht mehr feststellen, jedenfalls war die Existenz einer jüdischen Mikwe und damit jüdischer Bewohner im Haus Hauptstraße 20 bislang nicht bekannt. Die Lage des „Judenbades“ zeigt jedoch, dass es irgendwann vor dem Stadtbrand genutzt worden ist, die Größe spricht eher für eine private Nutzung denn für ein religiöses Versammlungshaus.

Etliche Details müssen derzeit noch geklärt werden, bevor sich der Fund sicher bestimmen lässt, natürlich gehen amtliche Archäologen und andere Sachverständige derzeit bei Rudolf Krönke ein und aus. Gerade ist die Suche nach Zu- und Ablauf für das religiös dringend vorgeschriebene fließende Wasser erfolgreich gewesen, ein gemauerter Kanal zieht sich quer unter dem Kellerboden entlang und von der Hauptstraße her versorgte damals wohl der abgeleitete Höhenbach die Häuser mit Frischwasser.

Der aktuelle Wissensstand reichte Rudolf Krönke nun aber schon aus, um im Rahmen der gestrigen Jahreshauptversammlung des Vereins für Heimatkunde, dessen Vorsitzender er ist, ein erstes Mal von seinen interessanten Funden zu berichten. Ab sofort sind erste Erkenntnisse in Fund und Bild auch in der Stadtbibliothek ausgestellt.

Selbstverständlich wird der Lokalhistoriker eifrig weiter forschen, die Entdeckungen wenn möglich in einen größeren Zusamenhang stellen und, wann immer es an der Zeit ist, von sich hören lassen. Die KöWo wird ihn dabei aufmerksam begleiten.

Rudolf Krönke leicht überhöht aus dem Fundort heraus aufgenommen. Die Kellerdecke wurde im Zweiten Weltkrieg verstärkt, um einen Luftschutzraum zu erhalten.

Kein einfaches Unterfangen: Ohne wirklich aufrecht stehen zu können, hat Oliver Krönke im Keller seines Vaters die mutmaßliche Mikwe hinter dem gemauerten Stützpfeiler im Hintergrund freigeschaufelt und dabei, wie rechts zu sehen, reichlich Erde bewegt.
Fotos: Friedel

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