Hospiz bewegt! 801,1 Kilometer, um auf Arbeit aufmerksam zu machen

Begleitet von Pflegekräften des Oberurseler Hospizes St. Barbara (rechts) war Gubter Lutzi (mit Hut) bei den Niederreifenberger Kollegen (links) angekommen. Foto: Puck

Niederreifenberg/Königstein (pu) – Hospizliche Arbeit ist immer noch ein Thema, das die meisten Menschen erst dann an sich heranlassen, wenn sie unmittelbar betroffen sind.

In diesem Wissen holte der Verein „Hospizgemeinschaft Arche Noah Hochtaunus“, der die Bereiche „ambulante Begleitung“ und „stationäres Hospiz für die Begleitung von Schwerstkranken“ unterhält – auf der Suche nach neuen Impulsen und einem etwas unbeschwerteren Image – vor zwei Jahren die in Oberreifenberg lebende populäre Journalistin und Autorin Susanne Fröhlich als Botschafterin mit ins Boot. Ganz oben steht seither die Intention, die Ausrichtung und Arbeit stärker in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken sowie Berührungsängste und Hemmschwellen abzubauen.

Einzig der Mensch

„Hier zählt einzig der Mensch, ganz gleich welcher beruflichen oder gesellschaftlichen Herkunft, und man muss auch keiner Konfession angehören“, hob dieser Tage im Rahmen eines Pressetermins die kommissarische Heimleitung, Jenny Krämer, die gelebte Philosophie heraus.

Des Weiteren gewährte sie einen Blick in die durch die Pandemie verschärfte Situation für das Hospiz-Team aus haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern, das auch in Lockdownphasen mit all den notwendigen Kontakteinschränkungen unvermindert sterbende Menschen und deren Angehörige umsorgte – unter tiefgreifenden Schwierigkeiten.

„In den letzten Monaten haben wir die Erfahrung gemacht, weil die stationären Palliativstationen geschlossen waren und viele Menschen nicht ins Krankenhaus wollten, dass unsere Gäste mit Begleitungsbedarf in der Regel erst sehr spät zu uns mit entsprechend kürzerer Verweildauer kamen“, erläuterte Krämer.

Herausforderungen, die das Begleitungsteam auch emotional enorm belasten. Um Außenstehenden eine aussagekräftigere Vorstellung zu vermitteln, nannte sie eindrückliche Zahlen: „In der Regel ist bei uns eine zweiwöchige Verweildauer üblich; zuletzt waren es teils jedoch 12 bis 15 Verstorbene pro Monat.“

Einerseits untermauere diese hohe Nachfrage freilich den Stellenwert des 2003 in der Brunhildenstraße 14 im Schmittener Ortsteil Niederreifenberg eröffneten stationären Hospizes, das acht Gäste aufnehmen kann, deren Lebenszeit begrenzt ist und für die keine Möglichkeit der häuslichen Pflege besteht. Andererseits kann sich jeder die Erschwernis ausmalen, die weitaus häufigere Wechsel mit sich bringen; angefangen vom bürokratischen Aufwand, häufigerem Herrichten der Gästezimmer, dem bedrückenden Gefühl der Mitarbeiter, weniger Zeit für ihre Gäste gehabt zu haben, weil diese vor dem Einzug mit ihren Schmerzen und Ängsten und Bedürfnissen nicht selten alleine waren.

Ganz zu schweigen vom wirtschaftlichen Aspekt. Nach gültiger Gesetzeslage leisten die Krankenkassen einen Zuschuss zum stationären Hospizaufenthalt in Höhe von 95 Prozent, die restlichen 5 Prozent werden über Spenden finanziert.

An dieser Stelle hakte es nachvollziehbarerweise seit Pandemieausbruch, da weder an eigene Veranstaltungen wie „Tag der offenen Tür“ noch an mit Spendenaufrufen verknüpfte Feste und Aktionen von Vereinen, die unterstützen wollen, zu denken war.

Bewegende Aktion

Die „Hospizgemeinschaft Arche Noah Hochtaunus“ ist mit diesen Sorgen selbstredend nicht allein. Dieser Tage erhielt sie mehr als willkommenen Besuch von einem Mann, der um all die Probleme weiß. Gunter Lutzi – seit fünf Jahren ehrenamtlicher Mitarbeiter in einem Hospiz an der Bergstraße – hat mit einer beeindruckenden Aktion im wahrsten Sinne des Wortes Bewegung in die Sache gebracht. Darauf zielend, Hospizarbeit bekannt zu machen und Menschen dazu anzuregen, sich sensibel mit dieser so wichtigen Tätigkeit auseinanderzusetzen, startete er am 27. Juni unter Schirmherrschaft von Ministerpräsident Volker Bouffier vom stationären Hospiz Bergstraße in Bensheim zu einer 801,1 Kilometer langen Tour quer durch Hessen.

Auf seiner am Samstag wiederum in Bensheim endenden dreiwöchigen Wanderung besuchte er 24 Hospize, übernachtete in 23, tauschte sich mit Gleichgesinnten aus und lenkte in vielfältiger Weise den Blick auf sein ihm am Herzen liegendes Anliegen. „Ich finde die Arbeit im stationären Hospiz Bergstraße wichtig und wünsche mir, dass jeder Mensch erleben darf, dass er nicht alleine sein muss und gut umsorgt wird. Das Thema bewegt mich!“ Hospize sind seiner Überzeugung nach nicht nur eine wichtige gesellschaftliche Stütze, sondern stehen für die Haltung, dass selbstbestimmtes Sterben zum Leben dazugehört und als solches angemessen und professionell begleitet werden sollte. Nachdem Gunter Lutzi schon viele Menschen begleitet hat und die Sorgen und Nöte der Hospizgäste ebenso kennt wie die fröhlichen und entspannten Momente, wollte er seine Erfahrungen mit so vielen Menschen wie möglich teilen. Das geschah zum einen während seiner Wanderungen – den größten Teil war er zu Fuß unterwegs. Sofern eine Etappe zwischen zwei Hospizen jedoch zu Fuß nicht zu schaffen war, nutzte er verschiedenste andere publikumswirksame Transportmöglichkeiten wie Traktor oder Oldtimer. Zum anderen war er in den letzten Wochen beispielsweise bei Werner Reinke, Bärbel Schäfer und anderen Sendungen in Radio und TV zu Gast. Hinsichtlich Aufmerksamkeit hat er zweifelsohne sein Vorhaben realisiert. „Ich bin mittlerweile bekannt wie ein bunter Hund“, zog er schmunzelnd bei seiner Ankunft in Niederreifenberg am 2. Juli ein zufriedenes Zwischenfazit. Da waren schmerzende Füße nach seiner Etappe vom Oberurseler Hospiz St. Barbara über das Plateau des Feldbergs bis zum Schmittener Ortsteil eher nebensächlich. Nunmehr hofft er, dass sich seine Aktion auch positiv auf die Spendenbereitschaft auswirkt. Für alle, die sich angesprochen fühlen, das Spendenkonto der Hospizgemeinschaft Arche Noah lautet: Nassauische Sparkasse, IBAN Nr. DE70 5105 0015 0270 0520 53, BIC. NASSDE55XXX. „Mit Ihrem Engagement helfen Sie, den schwerstkranken Menschen und dessen Angehörige mit viel Zeit und menschlicher Zuwendung betreuen zu können“, so der Appell von Gunter Lutzi und dem Team der Hospizgemeinschaft unisono. Spendenquittungen werden ausgestellt.

Mehr zur Aktion auch unter www.hospiz-bergstrasse.de.bergstrasse.de.



X