Rendezvous mit „Frau Schmid“

Königstein (gs) – Im Rahmen der Veranstaltungsreihe rund um die Präsentation der Wandgemälde „Die Badenden“ von Ernst Ludwig Kirchner im Kirchner Kubus in der Konrad-Adenauer-Anlage fand am vergangenen Donnerstag eine mehr als kurzweilige Präsentation rund um ein weiteres Kunstwerk des berühmten Malers in Königstein statt.

Der Holzschnitt mit dem Titel „Portrait Frau Schmid bei Kohnstamm, Königstein“ befindet sich seit Frühjahr 2021 im Besitz von Thomas Schwenk, der das Kunstwerk nicht etwa Sotheby´s oder Christie´s, sondern gleich nebenan – im Auktionshaus Königstein – erworben hatte. Mehrere Male, so berichtet Schwenk, Inhaber der Königsteiner Buchhandlung MillenniuM, habe er sich das Bild angesehen, bevor er es (auch auf Anraten seiner Schwester Anne Pfenninger) schließlich erwarb.

Im Rahmen einer sehr kurzweiligen Runde präsentierte Schwenk das Kunstwerk – nicht ganz ohne besonderen Hintergrund – an diesem Abend den interessierten Besucherinnen und Besuchern und lud zu einer „gleichermaßen launigen wie intimen Begegnung mit „Frau Schmid“ ein.

Wer war Frau Schmid?

Dass es einen besonderen Grund geben könnte, aus dem heraus Thomas Schwenk zu der abendlichen Runde einlud, konnten sich die Gäste natürlich denken und wurden in dieser Erwartung auch nicht enttäuscht – Stadtarchivarin Dr. Alexandra König hatte durchaus Neues zum Leben und Wirken von „Frau Schmid“ im Sanatorium Kohnstamm zu berichten.

In ihren Ausführungen näherte sie sich der Frage, wer die Frau mit dem prägnanten Profil eigentlich gewesen sein könnte und warum Ernst Ludwig Kirchner gerade sie als Motiv für seinen Holzschnitt wählte.

Frau Schmid war, so führte Dr. König aus, wahrscheinlich eine Frau mittleren Alters. Auf dem Holzschnitt zeichnet Kirchner sie umgeben von „Blattwerk“, was auf eine Tätigkeit der Dame in den Sanatoriumsgärten schließen ließe. Das Sanatorium Dr. Kohn-stamm verfügte ehemals über große Park- und Gartenanlagen, worin sich Patienten zu Therapiezwecken gärtnerisch betätigen konnten und sollten. Die Form der Darstellung ließe darauf schließen, dass „Frau Schmid“ – genau wie Kirchner selbst – eine Patientin des Sanatoriums war und in eben diesen Gärten zu Therapiezwecken arbeitete. Erhärtet wird diese These durch ein weiteres Bild Kirchners, das eine Frau, die „Frau Schmid“ auffällig ähnelt, zeigt, die deutlich erkennbar Gartenarbeit leistet.

Wahrscheinlich war, so Dr. König, „Frau Schmid“ zur gleichen Zeit Patientin im Sanatorium wie Kirchner selbst. Bedauerlicherweise sind die Namens- und Patientenlisten aus den betreffenden Jahren nicht im städtischen Archiv erhalten geblieben, so dass eine Überprüfung dieser Annahme mit Hilfe einer möglichen Namensabgleichung nicht möglich ist. Damit liegt die Annahme nahe, dass eben diese Frau Schmid Ernst Ludwig Kirchner auffiel, weil sie gerne alleine im Garten arbeitete und ihm auf seinen Wegen durch die Parkanlagen immer wieder begegnete.

Eine Annahme, welche den Betrachtern die Person „Frau Schmid“ ein klein wenig näherbrachte.

Frau Schmid muss mit!

Ebenfalls zu Besuch war an diesem Abend die Vorbesitzerin des Kunstwerkes. Margarete Murtfeld war mehr als 50 Jahre im Besitz des Holzschnittes, und auch sie konnte eine lebendige Geschichte vom Erwerb und ihrem Leben mit dem Kunstwerk erzählen.

Alles begann damit, dass ein guter Bekannter, der selbst Kunstsammler war, Margarete Murtfeld für einen Besuch bei der Kunstvermittlerin und Galeristin Hanna Bekker vom Rath begeisterte. In den Jahren 1963/64 organisierte die weltberühmte Kunstvermittlerin in Frankfurt Ausstellungen namhafter Künstler (u.a. Beckmann und Kandinsky), zu denen auch bereits damals die Werke von Ernst Ludwig Kirchner gehörten.

„Mein Bekannter ist eigentlich Schuld, dass ich ‚Frau Schmid‘ damals kaufte“, merkte Margarete Murtfeld mit einem Lächeln an. Das Bild, so berichtete Murtfeld, habe sie sofort in seinen Bann gezogen und begleitete sie fortan mehr als 50 Jahre ihres Lebens. Mehrere Umzüge, auf denen das Bild sie immer begleitete, und ein halbes Leben später entschloss sie sich aus nachvollziehbaren Gründen dazu, das Bild zu verkaufen.

Allerdings bot sie es nicht über ein großes Auktionshaus an, denn von dort hätte der Holzschnitt ganz sicher seinen Weg in die weite Welt gefunden – sondern es war ihr wichtig, dass das Bild, welches Kirchner in Königstein geschaffen hatte, auch in Königstein bleiben sollte. Aus diesem Grund beauftragte sie Detlef Janß vom Auktionshaus Königstein, einen neuen Eigentümer für das Bild zu finden. „Hätte sich niemand aus Königstein für das Bild interessiert, hätte ich es eben behalten“, so Margarete Murtfeld.

Auf diesem Weg kam „Frau Schmid“ zu Thomas Schwenk, womit sich der Kreis schloss und das Kunstwerk in Königstein verblieb.

Mit ihrer herzlichen und offenen Art begeisterte Margarete Murtfeld die anwesenden Gäste und erzählte an diesem Abend nicht nur die Geschichte des Bildes, sondern damit verbunden auch die Geschichte ihres Lebens, das geprägt war von ihrer Liebe zur Kunst, zu Konzerten und am liebsten von einer Kombination dieser beiden Leidenschaften.

Gemeinsam mit seinen Gästen bescherte Thomas Schwenk seinen Besuchern in der Buchhandlung einen ebenso kurzweiligen wie auch informativen Abend, und man würde sich eine Wiederholung dieses Veranstaltungsformates ganz sicher wünschen.

Thomas Schwenk (Buchhandlung MillenniuM) lud zu einer Begegnung mit Ernst Ludwig Kirchners Kunstwerk „Frau Schmid“ (im Hintergrund) ein. Foto: Scholl

Margarete Murtfeld erzählte aus ihrem Leben mit „Frau Schmid“. Foto: Scholl

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