Frauenpreis geht an Ludgera van der Zwiep

V.l.n.r.: Christina Nicolai, Vorsitzende der AG Kronberger Frauenverbände, Bürgermeister Klaus Temmen, Claudia Rautenberg, die Tochter der Preisträgerin Ludgera van der Zwiep, die stellvertretend für ihre Mutter den Frauenpreis entgegennahm, mit dem stellvertretenden Stadtverordnetenvorsteher Christoph König. Foto: Westenberger

Kronberg (mw) – Viele starke Frauen waren zur Verleihung des 23. Kronberger Frauenpreises schon im Foyer der Stadthalle zu bewundern. Dort stellen Frauen der Gruppe „Glashaus“ und „TEX 21“ unter Federführung der Kronberger Quilt-Künstlerin Jutta Briehn zur Kronberger Frauenwoche ihre künstlerischen Quilts unter dem Thema „Starke Frauen“ aus. Schon Descartes habe gewusst, die Frauen tragen die Lasten und die Männer die Krone. Glücklicherweise sei das heute nicht mehr so, leider aber sieht es um die Gleichberechtigung der Frau in vielen Ländern der Erde noch schlichtweg „übel aus“, stellte Briehn fest. Und selbst in Deutschland sind die Frauen längst noch nicht in allen Bereichen den Männern gleichgestellt.

„Hilflose Symbolpolitik“

Deshalb waren sich die Rednerinnen und Redner an diesem Abend, an dem es galt, die Preisträgerin Ludgera van der Zwiep, Mitgründerin der „Initiative Kronberg 96 für Eine Welt“ zu ehren, einig: Der Frauentag und mit ihm der Kronberger Frauenpreis ist äußerst wichtig, um den Weg hin zu einer deutschland- und weltweiten Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau weiter zu beschreiten. „Frauen in Führungspositionen sind längst eine Selbstverständlichkeit – sollte man meinen“, verkündete die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Kronberger Frauenverbände, Christina Nicolai vor rund 150 Gästen in der Stadthalle. „Sind sie aber nicht.“ Ihr Anteil in den Vorständen der größten Banken, Versicherungen und Wirtschaftsunternehmen liege laut mehrerer Studien gerade mal zwischen 2,5 und 3,2 Prozent. Den aktuell verabschiedeten Gesetzesentwurf zur Frauenquote in Aufsichtsräten hält Christina Nicolai nicht für einen „Meilenstein“ wie Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig, sondern sieht darin „einen ersten, winzigen Schritt auf dem Weg zur Gleichberechtigung, aber mehr symbolisch, denn betroffen sind allenfalls einige Dutzend Frauen“, derzeit ganze 108 Unternehmen.

Auch die städtische Gleichstellungsbeauftragte Heike Stein sieht mit der Quote noch nicht viel gewonnen: Sie verwies auf die Studien, die zeigen, dass Frauen bei gleicher Qualifikation in vielen Branchen noch immer 20 bis 30 Prozent weniger als Männer in gleicher Position verdienen. „Frauen müssen lernen, besser für sich zu verhandeln“, konstatierte sie und lenkte das Augenmerk auch auf die wichtige Arbeit des Oberurseler Frauenhauses. Gewalt an Frauen in der Familie sei leider noch viel zu oft Thema: Jede vierte Frau in Deutschland sei in ihrem Leben einmal mit diesem Thema konfrontiert.

Christoph König, der an diesem festlichen Abend zum Frauentag die Stadtverordnetenvorsteherin vertrat, betitelte die Quote als „hilflose Symbolpolitik“, ließ die Geschichte des Frauentages Revue passieren, nicht ohne seinen Vortrag mit dem einen oder anderen Zitat aus vergangener Zeit zu würzen wie die Erkenntnis der Schweizer, die den Frauen mit folgender Erklärung erst 1971 den Zugang zur Parlamentswahl ermöglichten: „Politik sei allgemein ein schmutziges Geschäft, nicht geeignet für Frauen, und jede Schweizerin könne ihrer Meinung ja ohnehin über ihren Mann Geltung verschaffen.“

Eine wichtige Voraussetzung auf dem Weg zur Gleichberechtigung ist die Bildung: Und hier kommt die Preisträgerin Ludgera van der Zwiep ins Spiel, denn sie setzt sich seit Jahrzehnten ehrenamtlich genau dafür ein, verriet Nicolai, dass Mädchen und Jungen eine Schule besuchen. „Dass das nicht selbstverständlich ist, das wissen wir.“ Insbesondere für Mädchen existiere das Recht auf Zugang zur Bildung weltweit oftmals nur auf dem Papier.

Unermüdlicher Einsatz in Nepal

Und genau darum kämpft die ehemalige AKS-Lehrerin für Deutsch und Französisch, Ludgera van der Zwiep, seit Jahrzehnten in dem Verein „Initiative 96 für Eine Welt“. Schon 1974 bis 1982, als sie ihren Mann in Malaysia begleitete und selbst keine Arbeitserlaubnis erhielt, gründete sie dort, in Kuala Lumpur, kurzerhand eine Deutsche Schule, die es heute, inzwischen viel größer, immer noch gibt, erfahren die Gäste in der Stadthalle über die diesjährige Frauenpreisträgerin, Jahrgang 1942 und in Trier geboren, in der Laudatio von Christina Nicolai. Wieder zurück an der Altkönigschule gründete sie aus Überzeugung eine Unesco-Gruppe. 1996 begleitete sie ein befreundetes Ehepaar, Christian und Dr. Liselotte Thomsen auf deren Reise nach Nepal in die abgelegene Dorfgemeinschaft Kumbu-Kathali. „Was sie dort vorfand, war tiefe Armut der dort lebenden Kinder. 1,8 Millionen Kinder in Nepal müssen arbeiten und können nicht zur Schule gehen“, informierte Nicolai. Mädchen werden dort als Belastung betrachtet und möglichst früh verheiratet, damit sie nicht ernährt werden müssen. „Nicht selten werden darum die weiblichen Nachkommen mit zwölf, 13 Jahren in die Ehe gedrängt, von den eigenen Eltern an Menschenhändler verkauft oder müssen in Fabriken oder im Haushalt als Sklavinnen oder als Prostituierte arbeiten“, rückte sie die oft ausweglose Situation von Mädchen in Nepal in den Fokus. Für ihren unermüdlichen ehrenamtlichen Einsatz als zweite Vorsitzende des Vereins „Nepal 96 für Eine Welt“ – einer kleinen, aber segensreichen Initiative, wie Bürgermeister Klaus Temmen bei der Preisvergabe betonte – erhielt sie den Kronberger Frauenpreis, den stellvertretend ihre Tochter, Claudia Rautenberg, entgegennahm. „Meine Mutter bedauert es sehr, heute nicht hier zu sein, sie hätte den Preis gern selbst entgegen genommen, er sei eine große Ehre.“ Doch sie ist derzeit in Kumbu-Kasthali, um zu überprüfen, ob die Spendengelder auch da ankommen, wo sie Hilfe bringen sollen. Mit der Preisverleihung verbinde sie zwei Hoffnungen, die Initiative noch etwas bekannter zu machen und damit den Ruf an neue und jüngere Mitglieder hinauszuschicken, dort mitzuwirken bei der Aufgabe, für die jungen Menschen in Nepal etwas zu unternehmen. Die Reisevorbereitungen seien jedes Jahr aufwendig und es sei vermutlich die letzte Reise in diesem Jahr nach Nepal, die sich nicht einfach habe umplanen lassen.

Wie beschwerlich das Leben, aber auch das Wirken der Helfer in der Region Kumbu-Kasthali, vor allem aufgrund der großen Höhenunterschiede ist, schilderte Christina Nicolai. „Die gesamte Fläche der Dorfgemeinschaft entspricht etwa einer Größe vergleichbar mit der Fläche von Königstein und Kronberg zusammen, nur mit dem Unterschied, dass die Dörfer mal auf 2.000 Meter Höhe, mal auf 1.400 Meter Höhe und dann auf 2.200 oder 2.600 Meter Höhe liegen.“ Und es wurde noch anschaulicher durch einen Dia-Vortrag von Dr. Ulrike Nentwig, ebenfalls AKS-Lehrerin, der die Preisträgerin in Nepal zeigt, wie sie durch unwegsames Gelände auf kleinen steilen Trampelpfaden wandert, um eine Handvoll der Familien, die finanziell unterstützt werden, wenn sie ihre Kinder in die Schule schicken (sie würden sonst auf den Feldern mithelfen müssen), zu besuchen. Bilder, die dokumentieren, wie hart die Arbeit auf den kleinen terrassenförmigen Feldern ist, wie armselig die Hütten sind, bei denen die Kleinsten direkt neben der Feuerstelle und neben den Ernteerträgen schlafen, die Hütten teilweise nicht einmal den Regen abhalten und schon gar keinen Rauchabzug haben.

„Im Laufe der Jahre hat Ludgera van der Zwiep erreicht, dass mehr als 125 Patenkinder in Kubu-Kasthali unterstützt werden, sei es durch Schulklassen oder private Sponsoren“, berichtet Nicolai. Gelungen ist ihr das unter anderem durch die regelmäßige Einbeziehung ihrer Schulklassen an der AKS in das Projekt. So veranstaltet die Schule immer wieder sehr erfolgreiche Spendenläufe. Während Ludgera van der Zwiep täglich bis zu acht Stunden wandernd durch Kumbu-Kasthali stapft, nahm ihre Tochter in der Stadthalle für deren außerordentliches und langjähriges Engagement mit dem Preis auch die Ehrennadel der AG Kronberger Frauenverbände entgegen. Das Preisgeld der Stadt Kronberg beträgt dank Aufstockung durch den Zonta Club Kronberg-Bad Soden auf das Doppelte: 500 Euro. Damit wollen die Zonta-Frauen die Preisvergabe als solche und die Arbeit der Preisträgerin unterstützen, betonte Dr. Klockow, die Club-Präsidentin, die den Scheck überreichte.

Königskinder und Streichquartett

zum feierlichen Anlass

Für einen gelungen Rahmen der Veranstaltung sorgten neben den wunderschönen Quilts und den informativen Ständen der Kronberger Frauenverbände im Foyer der AKS-Jugendchor „Königskinder“. Er gab sein überzeugendes Debut in der Stadthalle, gemeinsam mit dem Chor „luventitas Cantat“ aus Bad Homburg, aber auch eigenständig. Beide Chöre unterstehen der Leitung von Wolfram Gaigl. Sich mit Mozart und Sheila Nelson eigens auf den Festabend vorbereitet hatte sich auch das Streichquartett „Lysajarah“, das schon Preise bei Jugend musiziert vorweisen kann. Auch seine Darbietung – die Enkelin von Ludgera van der Zwiep, Lykke Rautenberg, spielte hier mit – war überzeugend und wurde mit langanhaltendem Applaus gebührend gewürdigt.

Zurzeit wieder ehrenamtlich unterwegs in Kumbu-Kasthali in Nepal: Ludgera van der Zwiep.
Foto: privat

Weitere Artikelbilder



X