Herzensbuch mit Herzenswärme

Die Kronberger Autorin Claudia Brendler mit ihrer Gitarre namens „Konzeption“, die sie auch bei der Buchvorstellung stimmungsvoll einsetzte. Fotos: Diel

Kronberg (die) – Herzensbuch mit Herzenswärme, das gab es anlässlich des Welttages des Buches in der Stadtbücherei. Diesen Feiertag hatte der Freundeskreis der Stadtbücherei gemeinsam mit der Kronberger Bücherstube und der Bücherei gestaltet.

Der Welttag des Buches ist beileibe keine neue Idee. Das Datum geht zurück auf den Georgstag, an dem nach katalanischer Tradition im Rahmen eines richtigen Volksfestes Rosen und Bücher verschenkt wurden. Diesen Gedanken hatte die Stadtbücherei schon im Vorfeld aufgenommen und mit Unterstützung des Knaur und Aufbau Verlages kleine Buchpakete auf Parkbänken und in Geschäften zum Finden und Behalten, Lesen oder Weitergeben ausgelegt.

In guter Stimmung waren die zahlreichen Zuhörer bereits vor Beginn der Veranstaltung, wurden sie doch hervorragend von dem Duo Saxodeon alias Maria Schaumberg an Saxophon und Klarinette und Niko H. Lehmeier am Akkordeon eingestimmt. Nach einführenden Worten der stellvertretenden Leiterin der Kronberger Stadtbücherei, Daniela Barbu, ging es dann mit der Jugend los. Gregs Tagebuch Band 10 „So ein Mist“ stand im Fokus des dreizehnjährigen, erfolgreichen Teilnehmers des letzten Vorlesewettbewerbs, Lars Teichmann. Kurz und knapp brachte er die Zuhörer schon gleich in Fahrt: Es passierten in dem Comic-Roman einige schräge Dinge und das Buch sei leicht zu lesen.

Dass man ein Buch sogar mit einer Gitarre vorstellen kann, zeigte die Kronberger Autorin Claudia Brendler. Die Gitarre untermalte dabei die Handlung des vorgestellten Buches „Denn morgen sind wir tot“ von Andreas Götz, eigentlich ein Jugendroman, der sie beeindruckt hat, weil er der Frage nachgeht, was alles passieren muss, damit ein Mensch zum Mörder wird. Nebenbei ein Buch so spannend, dass man es in einer Nacht lesen muss, so Brendler.

Der ehemalige Praktikant der Kronberger Bücherei, der fünfzehnjährige Schüler und Klassik-Liebhaber Amrit Goraya führte die Zuhörer mit seinen Ausführungen und der lebhaft vorgetragenen Leseprobe in die Welt des Grafen von Monte Christo von Alexandre Dumas, ein Werk, das bei vielen Zuhörern Kindheits- und Jugend (-lese) -erinnerungen geweckt haben dürfte.

Pfarrer Dr. Jochen Kramm hatte hingegen sein Herzensbuch nicht mitgebracht! Vielmehr verwies er schmunzelnd auf seinen eBook-Reader und betonte dessen Vorzüge in der Dunkelheit und bei altersbedingter Weitsichtigkeit. Richtig Lust auf das Buch von Juli Zeh „Unterleuten“ machte er, indem er den Charakter des Buches, die dörflichen Strukturen des Dorfes „Unterleuten“ mit seiner eigenen Biografie als „unglaublich ähnlich“ beschrieb. Mit Sätzen wie „...der Leser wird permanent hereingelegt, und das ist wunderbar...“ weckte er die Neugier des Publikums.

Professor für Kreditwirtschaft und Finanzierung an der Goethe-Universität Frankfurt, Jan Dieter Krahnen, zählt zwar Literatur nicht gerade zu seinem Tagesgeschäft, aber das Buch von Robert Seethaler, „Der Trafikant“, hat ihn besonders bewegt und persönlich angesprochen. Er präsentierte das Werk eindrucksvoll und mit Lesebeispielen als Milieustudie, die die Zeit kurz vor dem Zweiten Weltkrieg durch den Blickwinkel des völlig unwissenden und ungebildeten Lehrling Franz Huchel darstellt, der im Lauf der Handlung so viel lernt. Krahnen betont, wie faszinierend und einfach, bodenständig und „von unten herauf“ die Sprache des Autors sei, die einen „einfach mitziehe“.

Der Journalist Volker Hummel stellte anschließend das Buch „Die Stadt der Blinden“ von José Saramago vor, in der Blinde und Sehende zu Feinden werden. Ein Herzensbuch ist es für Hummel, weil es zeigt, wie „...durch äußere Umstände der Mensch für den Menschen zum Wolf werden kann“. Ganz ernst ging es weiter mit der Koordinatorin der Hospiz-Gruppe Betesda der ökumenischen Diakonie-Station Kronberg/Steinbach, Cornelia Jung, die das Buch „Oskar und die Dame in Rosa „von Éric-Emmanuel Schmitt mitgebracht hatte. Einen Einblick in die Gefühlswelt des sterbenden zehnjährigen Oskars, der jeden Tag einen Brief an Gott für „Oma Rosa“ in der Klinik schreiben und dabei jeden Tag so erleben sollte wie andere zehn Jahre, konnte Cornelia Jung unglaublich gut „rüberbringen“. Sensibel und ergreifend die Worte, bei denen man merkte, dass sie sich aufgrund ihrer eigenen Erfahrung mit Sterbenden besonders gut in das Buch einfühlen konnte. Den Abschluss bildete der Fotograf Peter Braunholz mit „Wie wirklich ist die Wirklichkeit?“ von Paul Watzlawick, das ihn in seiner Jugend animiert hatte, zweifelnd und kritisch mit der Wirklichkeit umzugehen. Das Buch sieht Braunholz als Plädoyer für den Zweifel, über das Nachdenken darüber, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen können und was wir dann als Wirklichkeit daraus machen.

Was macht ein literarisches Werk zu einem Herzensbuch? Diese Frage wurde tiefgründig und emotional von dem diesjährigen Kronberger „literarischen Oktett“ beantwortet. So unterschiedlich die Persönlichkeiten des Oktetts sind, sie verbindet doch eines: Das jeweilige Buch hatte sie besonders berührt, auch geprägt, hat sie in einer bestimmten Lebensphase erreicht, hat sie an einem Wendepunkt im Leben begleitet, hat ihre Arbeit beeinflusst oder sogar bei der Wahl für einen neuen Beruf unterstützt. Das waren keine bloßen Buchvorstellungen. Herzensbücher, die zeigen, dass man mit Sprache auch Herzenswärme erzeugen kann. Den Eindruck konnte das rundum begeisterte Publikum mit nach Hause nehmen und das kam an diesem kalten Aprilsonntag wirklich gut an. Und mit noch mehr Musik, warmer Suppe und kleinen Häppchen klang der Mittag aus.

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