Japanische Tuschemalerei Sumi-e – Bilder von Sybille Schnabel

Mit großem Interesse beobachteten die Besucher der Vernissage die Kunst mit dem Pinsel zu malen und zu schreiben.

Foto: Wittkopf

Oberhöchstadt (pf) – Bilder von zauberhafter Zartheit, betörender Schönheit und ostasiatischem Charme sind in der aktuellen Ausstellung im Altkönig-Stift zu sehen, die am vergangenen Dienstag eröffnet wurde. Gemalt hat sie die in Oberursel lebende Künstlerin Sybille Schnabel. 16 Jahre lebte sie mit ihrem Mann in Japan und erlernte dort bei einem Meister die Kunst der Sumi-e Tuschemalerei.

Mit europäischen Maltechniken hat Sumi-e keinerlei Ähnlichkeit. Das Einzige, was sie mit dem Aquarellieren verbindet, ist die Tatsache, dass jeder Pinselstrich sitzen muss, sonst ist das ganze Bild verloren. Gemalt wird mit Tusche, die aus Ruß gewonnen wird. In Verbindung mit Wasser ergeben sich aus dem tiefschwarzen Material alle Schattierungen von Grau, vom sehr dunklen bis zum ganz hellen Farbton. Die Kunst der Sumi-e Malerei ist es, den Pinsel so mit Schwarz und unterschiedlichen Grautönen zu füllen und so über das Papier zu führen, dass sich mit einem einzigen Pinselstrich das ganze Spektrum der Töne auf dem Papier zum gewählten Motiv und zum Gemälde formt. Eine Sache des Könnens und der Konzentration mit meditativen Zügen. „Die Kunst des Sumi-e erfordert eine hochgradige Beherrschung des Materials, denn jeder Pinselstrich ist unwiderruflich“ erläutert Wikipedia. „Dies hat in Ostasien zu einem außerordentlichen Feingefühl für den Ausdruckswert der Linie geführt. Wie die Form eines Schriftzeichens bereits seinen inneren Gehalt zum Ausdruck bringt, so soll die Pinselführung eines Tuschbildes schon sein Wesen ausdrücken. Von dem Künstler des Sumi-e wird erwartet, dass er mit seiner schwarzen Tusche mindestens den gleichen Reichtum an Tönen zu schaffen vermag wie mit der Fülle bunter Farben. Ein bekanntes Meisterwort lautet: „Wenn man die schwarze Tusche geschickt behandelt, dann ergeben sich die fünf Farben fast von selbst.“

Dadurch, dass die Dinge aller Farbe entkleidet sind und aus dem Zusammenhang mit der Umgebung gelöst werden, wird ihre innere, geistige Struktur spürbar, ihr „wirklicher“ Charakter erscheint. Je sparsamer die Mittel der Darstellung, je fragmentarischer das Ganze zu werden scheint, desto bedeutender und hintergründiger wird der Ausdruck der Linie; aus den Linien spricht dann etwas, was nicht an den Dingen sichtbar wird, sondern was in und hinter ihnen steht“, so Wikipedia.

Sybille Schnabel, die bei der Ausstellungseröffnung nicht nur über ihre Jahre in Japan berichtete, sondern später auch die Tuschemalerei vorführte, drückte es so aus: „Wir kommen aus einer Kultur, in der mit Federn geschrieben wurde, in China und Japan dagegen wurde von jeher mit dem Pinsel geschrieben.“ Das erfordert eine völlig andere Hand- und Armhaltung. Erst als sie das bei ihrem Lehrer entdeckte, habe sie den Pinsel richtig halten und über das Papier führen können. Auch das Papier ist anders als bei uns, erklärte sie, denn es nimmt die Farbe auf. Wenn man das bemalte Blatt umdreht, erscheint das Bild auf der Rückseite.

Sybille Schnabel stammt aus Lübeck und ist von Beruf Architektin. Sie war gerade zur Oberbaurätin befördert worden, als ihr Mann, promovierter Chemiker, 1976 von den Farbwerken Hoechst als Geschäftsführer eines Jointventure-Unternehmens nach Japan geschickt wurde. Vier Jahre sollte dieser Auslandsaufenthalt ursprünglich dauern. Seine Frau Sybille ließ sich für ein Jahr beurlauben, um ihrem Mann einige Monate später zu folgen. Doch dann wurden aus dem Japanaufenthalt viermal vier Jahre. Und für Sybille Schnabel bedeutete dies den endgültigen Abschied von ihrem geliebten Beruf. Als kleines Trostpflaster durfte sie später in Japan das Haus entwerfen und bauen, in dem sie dann mit ihrem Mann lebte. Nicht in einer Großstadt, sondern in einem Dorf. Denn der 20 000 Einwohnerort Daito-Cho an der Südküste des Inselstaates am Pazifischen Ozean dreieinhalb Autostunden von Tokio entfernt gelegen, ist ein verwaltungsmäßiger Zusammenschluss von fünf bis sechs Dörfern. Dort gab es nur zwei Ausländer, sie und ihren Mann. Sie schloss sich Kursen an, lernte zunächst Kalligraphie und fünf Jahre lang Töpfern ehe sie einem Maler begegnete, der die Kunst der traditionellen Tuschemalerei Sumi-e lehrt. Die Malerei gab Sybille Schnabels Leben einen neuen Inhalt. Vier Jahre lang malte sie jeden Monat zwei Motive, die ihr Meister ihr vorgab. Zum Abschluss des Grundkurses erhielt sie ein Zeugnis, nahm aber als Fortgeschrittene weiter Unterricht.

Nach vier Jahren bekam sie von ihrem Lehrer einen Namen verliehen, der seitdem als rotes Schriftzeichen auf allen ihren Gemälden zu finden ist. Ihr Name bedeutet „Phönix Herz“. Der Vogel Phönix spielt als Beschützer der Häuser im Buddhismus eine besondere Bedeutung und Herz ist das Zeichen, das ihr Meister in jedem der von ihm vergebenen Namen verwendet. Auf den Vogel sei er gekommen, weil sie ihm einmal erzählt habe, dass ihr Familienname „Vogelmund“ bedeutet.

Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland 1991 malte Sybille Schnabel regelmäßig weiter, schickte ihre Arbeiten einmal im Monat an ihren Lehrer und erhielt von ihm jeweils eine neue Aufgabe. Dann beschloss sie, selbst Unterricht in der Sumi-e-Malerei zu geben. Und das tut sie bis heute. Ihre Arbeiten und die ihrer Schülerinnen und Schüler hat sie schon in einer Vielzahl von Ausstellungen präsentiert.

Im Altkönig-Stift sind nicht nur Bilder von ihr zu sehen, sondern in den Vitrinen auch Töpferarbeiten. Die Ausstellung ist noch bis Ende November täglich im Ausstellungsgang zwischen dem Foyer und dem Haus Berlin zu sehen.



X