Kronberger Handwerkerschaft hofft auf verbindliche Aussagen der Politik

Die direkt an der Landesstraße 3005 gelegene zirka 3,6 Hektar große Fläche „Kronberger Hang“ liegt am südlichsten Ende des Stadtgebiets und war im Flächennutzungsplan des Umlandverbandes bereits als Gewerbefläche vermerkt. Hier könnten sich die Kronberger Handwerker ein „Handwerkerdorf“ vorstellen, sprich, mehrere Gewerke mit entsprechenden Synergieffekten. Foto: S. Puck

Kronberg (pu) – Ein bitterkalter Januarmorgen 2030, 7 Uhr: Vom Wecker aus allen Träumen gerissen noch etwas schlaftrunken erlebt der Kronberger Hausbesitzer im Bad eine höchst unerfreuliche Überraschung: Von heimeliger Wärme keine Spur – die Heizung ist defekt. Im Bestreben rascher Abhilfe verläuft die Suche nach einem örtlichen Kundendienst erfolglos. Sämtliche Anfragen in Nachbargemeinden enden zu allem Überfluss mit ähnlich lautenden lapidaren Auskünften: „Tut uns leid, wir sind komplett ausgebucht. Heute geht gar nichts mehr!“

Tradition

Ein Szenario, von dem die meisten vermutlich kopfschüttelnd behaupten würden, es entbehre jeglicher Grundlage im Wissen der langen Tradition des viele Sparten abdeckenden Handwerks innerhalb der Stadtgrenzen. Zahlreiche Betriebe sind seit Generationen in Familienhand fest mit der Stadt und ihrer Historie verwurzelt. Im kommenden Jahr blickt die Burgstadt mit Stolz auf 150 Jahre Kronberger Unternehmer-Geschichte(n) zurück. Ein Abwandern solch alteingesessener Firmen aus Kronberg – quasi undenkbar?

Banger Blick in die Zukunft

Aller Heimatverbundenheit zum Trotz ist das eingangs beschriebene Bild jedoch keineswegs aus der Luft gegriffen, denn ein Teil der Betriebsinhaber sieht mit bangem Blick in die Zukunft. „Seit Jahren machen wir wiederholt auf fehlende Expansionsmöglichkeiten aufmerksam – bisher leider ohne durchschlagenden Erfolg. Nun fordern wir von der Politik, dass sie endlich Gas gibt und Abhilfe durch die Entwicklung weiterer Flächen für produzierendes Gewerbe in Kronberg schafft“, lenken Moritz Feger (Betriebsführer der Weidmann & Feger GmbH) und Joachim Schulte (Inhaber Schulte Bauzentrum Rhein-Main GmbH) im Namen weiterer Handwerksbetriebe, die sich zusammengeschlossen haben, um ihrer Forderung mehr Nachdruck zu verleihen, den Blick auf die seit Jahren bestehende, teils existenzbedrohende Problematik. Nach ihrem bisherigem Kenntnisstand suchen derzeit rund zehn Kronberger Handwerksbetriebe händeringend Gewerbeflächen, von insgesamt rund 25.000 benötigten Quadratmetern ist die Rede.

Politik gefordert

Eine alles andere als überraschende Neuigkeit. Der städtische Wirtschaftsförderer Andreas Bloching kennt die Sorgen und Nöte der Handwerker. Schon kurz nach seinem Amtsantritt im April 2014 hatte er seiner Hoffnung auf Einsicht der politischen Entscheidungsträger und deren Unterstützung bei der Suche nach Flächen für erweiterungswillige, aber auch neu anzusiedelnde Unternehmen zum Ausdruck gebracht. Sein damaliges Versprechen „den Finger immer wieder in die Wunde zu legen und auf die Notwendigkeit hinzuweisen, in die Pötte zu kommen, da es Unternehmen gibt, die längst an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen sind und sich notgedrungen mit Abwanderungsgedanken tragen“, erneuert Bloching seither gebetsmühlenartig.

Aussagen, die an Eindeutigkeit nicht vermissen lassen und dennoch, „haben wir bereits Unternehmen, die expandieren müssen, verloren“, weiß er. „Eine traditionsreiche Kronberger Firma etwa ist erst im vergangenen Jahr aus Kronberg nach Oberursel in das dortige neue Gewerbegebiet ‚An den Drei Hasen‘ abgewandert und das nicht etwa, weil es in Oberursel schöner wäre, sondern einzig deshalb, weil es in Kronberg im Taunus keine verfügbare Fläche für den geplanten Neubau gab!“ Die Ausweisung neuer und dringend erforderlicher Gewerbeflächen, um gerade auch „den Bedarf unserer produzierenden Bestandsunternehmen – unter anderem Handwerk – zu decken“, sei zwingend geboten, mahnt der Wirtschaftsförderer. „Andernfalls riskieren wir die Abwanderung weiterer Unternehmen in andere Städte und Gemeinden.“

Bewegung

Dem Anschein nach kommt derzeit zunehmend Bewegung in die Angelegenheit. Nachdem der Baustein „Gewerbe“ als einer von dreien zwischen März 2015 und November 2016 im Detail im Stadtentwicklungskonzept (SEK) beleuchtet wurde, ließ als Erstes der CDU-Stadtverband im Mai letzten Jahres verlauten, sich dafür einzusetzen, die Gewerbefläche am Kronberger Hang in den Flächennutzungsplan aufzunehmen. Damit wurde eine Forderung des Koalitionsvertrages mit SPD und UBG umgesetzt. Die direkt an der Landesstraße 3005 gelegene zirka 3,6 Hektar große Fläche „Kronberger Hang“ liegt am südlichsten Ende des Stadtgebiets und war im Flächennutzungsplan des Umlandverbandes bereits als Gewerbefläche vermerkt. Wie dem SEK-Bericht zu entnehmen ist, wurde sie durch die Stadt zurückgegeben. Neben dieser Fläche stehen außerdem das Gewerbegebiet „Am Auernberg“ (4,8 Hektar) und die Gewerbepotentialfläche Oberhöchstadt Süd II (7,2 Hektar) als mögliche Alternativen im Fokus.

Nach einem im Februar diesen Jahres auf Einladung des Arbeitskreises Handwerk Bundes der Selbständigen (BDS) stattgefundenen Treffen von zehn Inhabern Kronberger Gewerbe- und Handwerksbetriebe mit Vertretern mehrerer Fraktionen, Bürgermeister Klaus Temmen, Erstem Stadtrat Robert Siedler sowie dem Wirtschaftsförderer Andreas Bloching zum Thema fehlende Gewerbeflächen in Kronberg, hatte auch die SPD öffentlich mitgeteilt, sie wolle sich „mit aller Kraft für das Gewerbe und Handwerk in Kronberg einsetzen“ (wir berichteten).

Verbindlichkeit

Signale, die von den betroffenen Handwerkern in der Erwartung registriert werden, dass den Worten Taten folgen, nachdem es lange Zeit den Anschein hatte, weder Stellenwert noch Bedürfnisse der Kronberger Handwerkerschaft in Sachen notwendiger Rahmenbedingungen sind einem Großteil der einheimischen Bevölkerung noch der Politik bekannt. Dabei stellen die Betriebe direkt vor der Haustür eine ganze Reihe Arbeitsplätze zur Verfügung und zählen mit zu den Säulen der Gewerbesteuereinnahmen der Stadt. Etliche der Beschäftigten leisten darüber hinaus in Vereinen und in den Feuerwehren tatkräftigen Einsatz für das Gemeinwohl. Aus diesem Grund vergibt beispielsweise die Freiwillige Feuerwehr Kronberg schon seit 2004 die jährliche Auszeichnung „Partner der Feuerwehr“ an Kronberger Unternehmen, die ihre bei der Wehr tätigen Mitarbeiter im Einsatzfall jederzeit zur Verfügung stellen. Des Weiteren ist die Kronberger Handwerkerschaft oftmals aktiv mit dabei, sei es etwa durch Unterstützung von Bürgerbeteiligungsprojekten oder durch Sponsoring.

Nach den Worten von Joachim Schulte begrüßen die betroffenen Betriebe das Engagement der Parteien, das nähre die Hoffnung auf erkannten zwingenden Handlungsbedarf zur Schaffung von Perspektiven. „Alle aktuell nach Erweiterungsflächen und auch weiterem Personal suchende Betriebe sind in der dritten oder vierten Generation, es geht darum, die Betriebe für die nächste Generation aufzustellen! Wir müssen wissen, wo die Reise hingeht.“ An den momentanen Standorten seien die Kapazitätsgrenzen erreicht. Die Betriebe haben sich seit Firmengründungszeiten Schritt für Schritt der jeweiligen Zeit und den jeweiligen Anforderungen an das Berufsbild angepasst. Heute kann sich beispielsweise kaum noch jemand vorstellen, dass das heutige Bauzentrum Schulte vor knapp 95 Jahren als kleiner Brennstoffhandel mit kleinem Büro in der Hauptstraße 6 seinen Werdegang nahm.

Nach Beobachtung von Peer Hildmann (Inhaber von Hildmann Bad & Heizung e.K.) hat Kronberg jetzt schon den Anschluss verloren. „Einige Nachbarstädte haben kräftig aufgeholt und machen sich auch für das Kronberger Handwerk attraktiv. Für die Kronberger Kunden würde das letztendlich teurere Anfahrten und in Notdienstzeiten längere Wartezeiten bedeuten.“ Die betroffenen Handwerksbetriebe fordern daher mit Nachdruck Verbindlichkeit von den Entscheidungsträgern. „Wir müssen Klarheit haben! Es würde uns logischerweise nicht helfen, wenn uns ein Gewerbegebiet in Aussicht gestellt würde und im Endeffekt einem anfragenden Großkonzern der Vorzug gegeben würde“, bringt Hildmann eine der Sorgen auf den Punkt.

Stiefmütterlich behandelt

Zum aktuellen Entwicklungsstand befragt, erklärte der mittlerweile seit einem Jahr amtierende Erste Stadtrat Robert Siedler (parteilos): „Die Entwicklung neuer Gewerbeflächen ist in den letzten Jahrzehnten in der Tat sehr stiefmütterlich behandelt worden, da müssen wir ran!“ Ein erster Schritt sei im Stadtentwicklungskonzept bereits erfolgt, nun gelte es, im regionalen Flächennutzungsplan (RFNP) mögliche Bereiche zu lokalisieren und mit dem Planungsverband eine denkbare Realisierung zu erörtern. Siedler sieht aktuell durchaus Chancen auf erfolgreiche Verhandlungen mit dem Planungsverband, weil der wegen der angespannten Wohnraumsituation momentan sowieso ein gewisses Flächenkontingent auf der Agenda habe. „Da wir lange Zeit nicht wegen Flächen für Gewerbe vorstellig wurden, hoffen wir auf Kontingente. Dafür wäre es aber wichtig, dass die Parteien Farbe bekennen und das mehrheitlich begleiten!“ Laut Siedler bereitet die Verwaltung eine Vorlage vor. Da zumindest eine der Flächen im vereinfachten Änderungsverfahren in den Regionalen Flächennutzungsplan eingefügt werden könnte, müsste im günstigsten Fall mit fünf bis sechs Jahren bis zum Baurecht gerechnet werden. „Für Betriebe, die kurz- bis mittelfristig eine Lösung brauchen, wäre das leider zu spät, wir müssen insgesamt schauen, was wir für die hiesigen Handwerker machen können“, so der Erste Stadtrat.



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