Buchtipp

Besetzte Gebiete, Roman von Arnon Grünberg; Verlag Kiepenheuer & Witsch 2021; 24 Euro

Der neue Roman von Arnon Grünberg beginnt mit einer Schimpftirade. Eine Frau brüllt ihre Wut heraus, ihr Gefühl des Benutztwordenseins. Aber nicht um sie wird es in dem Roman gehen, sondern um ihn, den Beschimpften. Der ist dem Leser ein alter Bekannter: der „unmenschlich gute“ Psychiater Kadoke – mit Betonung auf dem letzten Vokal! In der Folge wird die Frau ihn öffentlich anklagen, wodurch der Arzt seine Approbation verliert. Der gesellschaftlich Geächtete beschließt, in Israel ein neues Leben zu beginnen, wozu ihm die vermeintliche Verliebtheit in seine Ururgroßcousine Anat eine Chance zu bieten scheint. Das Problem: Die entfernte Verwandte ist eine fanatische Zionistin, die in den besetzten Gebieten lebt, während Kadoke sich als Atheist versteht. Während er in ihr seine große Liebe erkennt, ist für diese ebenso wie für die pragmatischen Siedler die Zeugung möglichst vieler Kinder der eigentliche Sinn der Ehe. Das Konzept der romantischen Liebe versteht sie als christliche Verwirrung. Und so entwickeln sich aus diesen Gegensätzen aberwitzige Wendungen und urkomische, mitunter groteske Szenen, wobei es dem Autor gelingt, seine Figuren mit mitfühlendem Humor zu betrachten. Im Interview sagt Grünberg: „Ich bin ein neugieriger Mensch, und für mich ist Schreiben auch der Versuch, die Welt besser zu verstehen.“ Dieser Satz könnte auch auf den Antihelden Kadoke zutreffen. Voll Verwunderung betrachtet er sich und seine neue Umgebung, deren Gesetze ihm fremd sind, der er sich dennoch nicht entzieht. Er lässt das Leben vielmehr staunend geschehen. Allein der Humor wird ihn die Zumutungen des Schicksals ertragen lassen. Für alle Grünberg-Fans ein Muss! Erhältlich in allen Buchhandlungen.



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