Buchtipp

„Vati“, Roman von Monika Helfer, Hanser Verlag 2021, 20 Euro

Monika Helfer ist eine Wahrheitssucherin und eine sensible Erzählerin der eigenen Familiengeschichte. Das hat sie bereits in ihrem letzten Roman „Die Bagage“ gezeigt, in dem die Herkunft der Mutter im Mittelpunkt steht. Mit ihrem neuen Roman „Vati“ widmet sich die Autorin nun dem Leben ihres Vaters. „Wir sagten Vati. Er wollte es so. Er meinte, es klinge modern.“ Mit diesen kurzen Sätzen, in denen bereits das Drama der Titelfigur anklingt, beginnt der Roman. Er zeichnet das Porträt eines Mannes, der mit einem Bein in der Vorkriegszeit, mit dem anderen in der Zeit danach steht, schwankend, in keiner richtig zu Hause. Joseph Helfer, der Vater der Autorin, wächst in ärmlichen Verhältnissen auf. Weil er aber ein sehr guter Schüler ist, gelingt ihm der Sprung aufs Gymnasium. Doch noch vor der Matura wird er zum Kriegsdienst eingezogen. Bald verwundet, wird ihm im Lazarett ein Bein amputiert. Die ihn liebevoll pflegende Schwester Gretel macht dem scheuen Invaliden einen Heiratsantrag, und das Paar zieht in die Berge, wo Joseph für ein paar Jahre ein Kriegsopfer-Erholungsheim leitet. Dort wachsen auch die vier Kinder auf, bis ein tragisches Ereignis dem Idyll ein abruptes Ende setzt. Der schweigsame, abwesende Vater mag stellvertretend für eine Generation stehen, der die Zukunft genommen wurde und deren Egomanie die Folge ihrer Sprachlosigkeit ist. Von diesen Männern durfte man nichts erwarten, weil sie ja selbst am meisten gelitten hatten. Monika Helfer blickt trotz allem voller Empathie auf ihren Vater und die Familie. Sie schafft mit ihrer einfachen, poetischen Sprache ein Werk, das uns mit ihr weinen und lachen lässt. Es kommt einerseits leicht daher und spiegelt andererseits präzise und auf literarisch anspruchsvolle Weise die Nachkriegsgesellschaft. Ein absolut lesenswertes Buch!

Erhältlich in allen Buchhandlungen.



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