Martina Otto findet den Weg in Kinderherzen – Seit 30 Jahren leitet sie den „Spielkreis“

Oberhöchstadt
(hmz) – „Man kann einen Menschen nicht lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken.“ Dieses Zitat von Galilei ist einer der Leitsprüche und das Credo der Ketteler-La Roche Schule in Oberursel, einer Fachschule für Sozialwesen und Sozialpädagogik. Hier wurde Martina Otto für ihren späteren Beruf als Erzieherin ausgebildet. Im Laufe der zurückliegenden drei Jahrzehnte wurde sie für Generationen von Kindern so viel mehr. Wenn ihr junge Eltern auf der Straße zuwinken, dann auch, weil sie schon selbst im Kindergarten „Anderland“ die liebevolle Fürsorge von Martina Otto erfahren durften. Diese wertvollen Erinnerungen an eine einfühlsame und empathische Betreuung wirken fort und sind mit ein Grund, warum diese Eltern auch ihre Kinder wieder ihrer Obhut anvertrauen. „So kommt es, dass mich hier alle kennen und ich sie“, so Martina Otto. Und nicht nur die Kinder und deren Eltern, sondern auch die vielen kleinen und großen Geschichten, die das Leben für sie geschrieben hat. „Das Gespür dafür, dass Eltern und Kinder nur durch kleine Gesten zu verstehen geben, dass Hilfe, Trost oder Zuversicht notwendig sind und sie Unterstützung brauchen“, habe sie in den vielen Jahren entwickelt. Jedem Kind begegne sie offen und freundlich und dass sie ein „herzensguter Mensch“ sei, höre sie dabei immer wieder. „Ich kann mir ein Leben ohne Kinder nicht vorstellen und daher werde ich auch noch über mein Rentenalter hinaus dabei sein und meine Hilfe bei Einzelbetreuung in besonders schwiegen Fällen anbieten.“ Immer schon seien Fürsorge und Hilfsbereitschaft für sie ein Anliegen gewesen und es sei für sie selbstverständlich, ihre Kraft und ihr Engagement anderen zu widmen. Dies immer mit dem Ziel, allen die Zeit zu lassen, die sie brauchen.

Das gelte besonders während der Eingewöhnungszeit, gleichermaßen für Eltern und Kinder.

Diese erste Trennungsphase sei bei allen zwar sehr unterschiedlich lang und intensiv, aber es sei ein erstes Loslassen und dieser Übergang müsse sehr behutsam gestaltet werden. „Erzieherin zu sein kann man nicht lernen. Jeder, der diesen Beruf ausübt, muss Spaß daran haben.“ Natürlich seien die Anforderungen hoch und „keine Frage, er ist auch sehr anstrengend. Aber es ist erfüllend, abwechslungsreich und lebendig.“ Allerdings sei es schwieriger geworden, Kinder zu erziehen, weil Eltern häufig der Meinung seien, ihren Kindern viel bieten und für eine ausreichend hohe Förderung sorgen zu müssen. Die oftmals dadurch gestressten Kinder würden daher deutlich unruhiger sein. Oftmals seien Ruhe und Rückzug die bessere Wahl. Auch das hätte sie, wie ihre Kolleginnen auch, im Blick und könne darauf entsprechend reagieren.

„Ich wusste schon mit 13 Jahren, dass ich Erzieherin werden will“, das sei so gekommen: Sie habe einen älteren und einen neun Jahre jüngeren Bruder, für den sie wie eine „Ersatzmutter“ gewesen sei. Die große Schwester habe eben alles in seinem Sinn bereits geregelt.

Martina Otto, Mutter von einer Tochter und einem Sohn sowie Oma von zwei Enkeln, sprüht vor Lebensfreude und genau diese überträgt sich auf ihr Umfeld – und dessen Radius ist ziemlich groß. Als sie auf der Suche nach geeigneten Beschäftigungsmöglichkeiten für ihre Kinder war, stieß sie auf den „Spielkreis“ der damaligen Leiterin Ines Lube-Wehrheim. Martina Otto hat ihn später übernommen und parallel dazu einen weiteren bei der Arbeiterwohlfahrt in Eschborn geführt. Seit 30 Jahren gibt es diesen Kreis inzwischen, nur der Name wurde durch die Volkshochschule in „Miniclub“ geändert. Mit ihrem Berufsstart als Erzieherin im Jahr 1977 hat sie diesen auf den Donnerstagnachmittag verlegt. Und dabei ist es dann auch geblieben.

Weil ihr Mann aktives Mitglied bei der Oberhöchstädter Feuerwehr war, übernahm sie dort ehrenamtliche Aufgaben, wenn es um Feste und Veranstaltungen ging. „Kinderspiele und das Kuchenbuffet, das war und ist immer mein Part.“ Nachwuchssorgen gibt es zwar keine, aber dafür wird auch etwas getan: „Wir haben damals überlegt, wie wir die Kinder zwischen sechs und zehn Jahren für den Verein begeistern können und haben eine Minifeuerwehr gegründet.“ Mit dabei waren Helmut Berner, Michael Reitinger, Marcus Knapp und Franka Josic.

Die beiden Letztgenannten sind inzwischen ausgeschieden, für sie rückten Melanie Liedtke und Jaqueline Kauth nach. „Wir erklären den Kindern die Feuerwehrtechnik, machen mit ihnen Ausflüge wie etwa zum Bürgelstollen, zur Lochmühle und auch zur Leitstelle nach Bad Homburg.“ Das sei ganz besonders spannend, „die Drehleiter wird mit den Kindern hochgefahren, das ist wirklich ein Erlebnis für sie“.

Im Jahr 1980 kam Martina Otto nach Oberhöchstadt, aufgewachsen ist sie im Frankfurter Gallusviertel, wo sie zunächst die Hufnagel-Realschule besuchte. Ihren frühen Berufswunsch meinte sie ernst, war in der Maria-Hilf-Gemeinde aktiv, betreute dort Mädchengruppen zwischen sechs und zwölf Jahren, sang im Chor mit und absolvierte dort ein Vorpraktikum. „Als ich in die Ketteler La-Roche Schule gewechselt bin – damals noch eine Klosterschule –, war meine Tante, Schwester Barbara, noch Leiterin. Genutzt hat es mir nichts, eher im Gegenteil, ich hatte es zeitweise deutlich schwerer als meine Mitschülerinnen.“ Weil der Weg von Frankfurt nach Oberursel zu weit gewesen sei, wohnte sie von Montag bis Freitag im Internat, von dem sie heute noch schwärmt.

„Wir hatten eine große und schöne Freizeitgestaltung, besser hätten wir es kaum treffen können.“ Viele ihrer Ideen, ob Basteleien oder Gestaltungen und auch ihre Vorliebe für das Singen rühren noch aus dieser Zeit. „Ich singe sehr viel, manchmal den gesamten Tag über und mein Repertoire hat sich den jeweiligen Wünschen der Eltern und Kinder angepasst. Und es wird immer größer.“ Sie ist Mitglied im Katholischen Kirchenchor von St. Vitus und singt dort bereits seit 30 Jahren mit. Seit vielen Jahren im Festausschuss, steht im kommenden Jahr eine besondere organisatorische Aufgabe an: Die Vorbereitung für die große Jubiläumsfeier im kommenden Jahr, wenn das 300-jährige Bestehen gefeiert wird.

Ihr Glaube und ihre Religiosität haben sie vor allem in einem bestärkt: Hilfsbereitschaft schafft die Verbindung zu den Menschen und es ist lohnend, sie zu leben. „Etwas ist mir gut in Erinnerung geblieben. Ein kleines, trauriges und gestresstes iranisches Mädchen, das ein sehr problematisches Elternhaus hatte. Es zog sich von allen zurück und blieb lieber für sich.

Ich war hartnäckig und habe mich ihr immer wieder zugewandt. Als die Familie fortgezogen ist, habe ich nichts mehr von ihr gehört. Erst viele Jahre später hat sie mich angerufen, wir haben uns getroffen und sie hat sich überschwänglich dafür bedankt, dass ich ihr über vieles hinweggeholfen habe.“

Wenn es jemand geschafft hat, Galileis Gedanken in ihrer Wertigkeit ins Heute zu tragen, war und ist es Martina Otto. Sie fand und findet den Weg in Kinderherzen – und auch in die der Eltern und Großeltern.

Martina Otto leitet seit 30 Jahren den Spielkreis.
Foto: privat



X