204 Bürger unterschreiben gegen Grundsteuererhöhung

Vor der Parlamentssitzung nimmt Lothar Köhler die gesammelten Unterschriften von Marc Hehner (v. l.) entgegen. Foto: ach

Oberursel (ach). Als sich im Entwurf des Haushalts 2023 eine Erhöhung der Grundsteuer B und eine Mehrheit durch die Kooperation aus CDU und Grünen im Stadtparlament abzeichnete, war Marc Hehner außer sich. Dem 47-jährigen gelernten Bankkaufmann, der einer alten Oberurseler Familie entstammt, waren bei der Genehmigung und Ausführung der Renovierung seines Hauses in der Altstadt etliche Knüppel zwischen die Beine geworfen worden, die ihm und seiner Mieterin, einer alleinerziehenden Mutter, erhebliche Mehrkosten und insbesondere Folgekosten bescherten, erzählt er. Und nun noch die massive Anhebung des Hebesatzes für die Grundsteuer B. Kurz vor der Grundsteuerreform, die vorsieht, dass der gesamte Grundbesitz in Deutschland neu bewertet und voraussichtlich mit zumeist höheren Zahlungen verbunden sein wird. Das alles in einer Krisenzeit, in der jeder Bürger auch mit den wirtschaftlichen Folgen von Corona und Ukraine-Krieg und mit Inflation zu kämpfen hat.

Hehner rief zu einer wöchentlichen Demo gegen die Anhebung des Grundsteuer-Hebesatzes auf 947 Prozent – „der hessische Durchschnitt von 482, meinetwegen auch 500 Prozent wäre noch in Ordnung“ - auf. Um mehr Menschen darauf aufmerksam machen zu können, stellte er sich, unterstützt von seiner Lebensgefährtin und Freunden, an sieben Wochenenden mit einem Infostand in die Vorstadt. Vor allem „ältere Bürger, die noch nie auf einer Demo waren, auch nicht hingehen wollten oder konnten“, wollten jedoch lieber dort ihre Unterschrift gegen die Absichten der Stadtoberen leisten. So entstand eine spontane Unterschriftenaktion, die Liste mit 204 Namen übergab Marc Hehner vor der Parlamentssitzung mit Abstimmung über den Haushalt an Stadtverordnetenvorsteher Lothar Köhler.

Der Parlamentschef räumte ein, dass die Grundsteuererhöhung „nicht in die Zeit passt“. Kein Stadtverordneter und keine Fraktion wolle sie. „Aber wir müssen das tun.“ Denn trotz des höheren Hebesatzes werde die Summe der Verbindlichkeiten der Stadt und ihrer Gesellschaften 2023 von 110 auf 130 Millionen Euro anwachsen. Oberursel habe erhebliche Investitionen zu leisten, etwa in die Kläranlage. Vergleiche der Einnahmesituation von Oberursel und anderen Städten wie etwa der Sonderstatusstadt Bad Homburg mit ganz anderen Einnahmequellen oder Bensheim, das dank eines großen Arbeitgebers auf das Dreifache der Gewerbesteuer wie Oberursel bauen könne und sogar einen Überschuss erwirtschafte, hätten immer eine Schieflage.

„Ich sehe die Unterschriften, aber mir fehlt etwas“, sagte Köhler. Mit Ideen und Vorschlägen sei er auf die Parteien aktiv zugegangen, antwortete Hehner, mit Vertretern von CDU, Grünen, OBG und FDP habe er aufschlussreiche, wenn auch nicht immer befriedigende Gespräche führen können, von anderen, teils auch aus dem Magistrat, habe er nicht mal eine Antwort erhalten. Wenn es um Fragen wie die Schließung der Stadtbücherei oder die Einstellung der U3 gehe, müssten die Bürger gehört werden. „Wie wollen die Politiker darüber entscheiden, ohne dass sie mit den Bürgern reden“, fragte er. „Politiker müssen die Volksnähe suchen statt zu erwarten, dass die Bürger zu ihnen kommen.“

Köhler räumte ein, dass er möglicherweise anstelle des „Wassers“ besser den Haushalt zum Thema der Bürgerversammlung gemacht haben sollte. Andererseits habe sich der Haushalt in der Vergangenheit nicht als Publikumsmagnet erwiesen. Der Präsentation im Internet seien auch jetzt nicht viele Zuschauer gefolgt und es seien kaum Bürgeranfragen eingegangen. Die Politik müsse dennoch nach Wegen suchen, „ihre Argumente zu den Leuten zu bringen“. Immerhin ein Punkt der Übereinstimmung von Köhler und Hehner, der hofft, mit den Unterschriften, diesen Bemühungen etwas Schwung gegeben zu haben. Er habe Sorge, dass „die Stimmung sonst kippen“ könnte: „Es geht mir darum, nicht gegen die Stadt, sondern für die Stadt zu arbeiten.“



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