Im deutsch-deutschen Kulturgut durch den Taunus

Claus-Peter Weißenseel-Weißenseel präsentiert seinen Wartburg 1.3., Baujahr 1989, stolz vor seiner langjährigen Wirkungsstätte, dem Rathaus. Foto: fch

Oberursel (fch). Am Abend des 9. November 1989 fiel die Mauer, die Ost- und Westdeutsche trennte, Familien auseinanderriss, großes Leid verursachte und zahlreiche Tote forderte. 30 Jahre Mauerfall und Wiedervereinigung sind gute Gründe, um in Ost und West auf ein bedeutendes, historisches Ereignis anzustoßen. Und sich dabei an die mutigen wie friedlichen Montagsdemonstrationen in Leipzig zurückzuerinnern, bei denen Hundertrausende für Meinungsfreiheit und Demokratie auf die Straße gingen. Auch die unbändige Freude und der Jubel der Bürger, als der eiserne Vorhang fiel, sollten am glücklichsten Tag der neueren deutschen Geschichte nicht vergessen werden. Nach 30 Jahren ist bei vielen Bürgern zwar die Euphorie verblasst, doch alle Bürger sollten sich stets vor Augen halten, dass sie jetzt alle Herausforderungen mit Verstand und Herz in Freiheit und gemeinsam meistern können.

Mauerfall und Wiedervereinigung haben viele schöne, menschliche und skurrile Geschichten geschrieben. Eine davon spielt in Oberursel. Claus-Peter Weißenseel-Weißenseel entdeckte vor sieben Jahren beim aufmerksamen Zeitungslesen ein Inserat. Dort bot ein Inserent aus Mainz einen Wartburg 1.3 an. Zu besichtigen war der Wagen in Hanau. Claus-Peter Weißenseel-Weißenseel verliebte sich auf den ersten Blick in den Viertürer. Gebaut wurde der Wartburg mit einem VW-Motor in einer Ostkarosserie im VEB Automobilwerk Eisenach. Zugelassen wurde der gelblackierte Wagen erstmals am 26. Juli 1989. „Mein Auto ist ein echtes deutsch-deutsches Kulturgut. Design, Karosserie und Ausstattung kommen aus dem Osten, der Motor aus dem Westen“, freut sich der stolze Eigentümer.

Ab 1988 wurden die Zweitaktmotoren gegen VW-Motoren ersetzt wie der Oldtimerliebhaber berichtet. Die deutsch-deutsche Wertarbeit zeigt sich allein beim Blick auf den Tacho. Der Originalmotor mit 50 PS ist bereits 100 000 Kilometer gelaufen. „Bei Kälte hat er zwar Anlaufschwierigkeiten, läuft aber sonst problemlos.“ Im Winter steht der Wartburg 1.3 mit dem an den Mauerfall erinnernden Kennzeichen HG-WB1989 in der Garage. Den größten Teil des Jahres ist sein Besitzer mit ihm im Taunus, ganz Hessen und Deutschland unterwegs.

„Mein alter Wartburg ist wahrscheinlich weit und breit noch der Einzige aus der Produktion im Jahr des Mauerfalls, der in Oberursel und Umgebung unterwegs ist“, sagt Weißenseel-Weißenseel. Zwar ist der gelbe Lack so wie die einstige Euphorie der Bürger innerhalb von 30 Jahren verblasst, und einige Stellen sind mit grauer Farbe ausgebessert worden, doch das ändert nichts an der Funktionalität und Zuverlässigkeit des Wagens. Mit einer neuen Lackierung versehen wird der Wartburg wieder so schön glänzen wie an dem Tag als er in Eisenach vom Band rollte.

Das VEB Automobilwerk Eisenach und die Produktion des Wartburg sind inzwischen Geschichte. Das 1896 gegründete Werk im thüringischen Eisenach wurde von der Treuhand 1991 geschlossen. Oldtimerliebhaber wie Claus-Peter Weißenseel-Weißenseel führen mit ihren Lieblingen auf vier Rädern vorerst ein Stück dieser langen Autoindustrie-Geschichte fort.

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