Mühsame Rückkehr in den Schulalltag – trotz Corona

Oberursel (fnm). Nach sechswöchiger Zwangsschließung der Schulen hat für einige Schüler der Unterricht wieder begonnen, darunter auch für die Abschlussklassen des Gymnasiums Oberursel (GO). Doch von normalem Schulalltag wie in den Zeiten vor Corona ist noch lange nicht zu reden. So gilt es für Lehrer und Schüler, mit einer Menge neuer Herausforderungen umzugehen.

Am 27. April öffneten Hessens Schulen, wenn auch nur für die Abschlussklassen der verschiedenen Schultypen. Die anderen Klassenstufen müssen noch zu Hause bleiben und weiterhin mit dem Online-Lernsystem den neuen Schulstoff lernen. Denn eigens für diesen Zweck hat das Kultusministerium eine Lernplattform mit dem Kursmanagementsystem „Moodle“ für alle hessischen Schulen eingerichtet. Abgesehen von zeitweiligen Überlastungen und damit verbundenen Login-Problemen funktioniert die kurzfristig eingerichtete Lernplattform inzwischen ohne große Probleme und erleichtert die digitale Kommunikation zwischen Schülern und Lehrern.

Doch auch die jetzigen Schulbesucher müssen in den meisten Fächern weiterhin mit dem Online-Lernsystem Vorlieb nehmen. Am GO werden die beiden Leistungskurse sowie die beiden Fächer Deutsch und Mathematik, die bei allen Schülern Pflicht bei den Abiturprüfungen sind, im Klassenzimmer wie in alten Zeiten vor Corona unterrichtet. Wie in alten Zeiten? Wohl kaum. Frontalunterricht ja, aber nur die Hälfte der Unterrichtszeit. Denn der Lehrer betreut zwei Klassenzimmer gleichzeitig und wechselt zwischen den Räumen hin und her. Warum? In einem Klassenraum dürfen sich maximal 15 Schüler einzeln an Tischen mit einem Mindestabstand von 1,50 Meter aufhalten. Die Klassengröße ist in den meisten Kursen jedoch höher. Das typische „Gebabbel“ zwischen den Schülern ist durch die neue Sitzordnung deutlich erschwert, obwohl sich alle nach der Wiedersehensfreude bestimmt viel zu erzählen hätten. Dass durch diese Infektionsschutzmaßnahmen keine Lehrstoffvermittlung wie zu normalen Zeiten möglich ist, wird vom Kultusministerium nicht erwähnt. Es bleibt abzuwarten, welche Regelungen für die Abschlussprüfungen im nächsten Jahr getroffen werden. Werden gegebenenfalls einzelne Themen gestrichen?

Wie werden Zeugnisnoten gegeben?

Ähnlich wie alle anderen Jahrgangsstufen arbeiten die jetzigen Schulbesucher in den aktuell nicht analog unterrichteten Fächern weiterhin mit „Moodle“. Die Schüler sollen die Arbeitsaufträge bearbeiten und die Ergebnisse teilweise dem Lehrer abgeben, wobei laut Kultusministerium diese Abgaben nicht zum Nachteil der Schüler gewertet werden dürfen. Wie die Zeugnisnoten in der Praxis gegeben werden, ist unklar. Was bleibt, ist ein großer Handlungsspielraum für die Lehrer und eine Menge Fragen. Können etwa die abgegebenen Arbeitsaufträge zugunsten der Schüler benotet werden?

Freuen können sich die Schüler über einen „abgespeckten“ Stundenplan. Abhängig von den gewählten Leistungskursen liegt die Stundenzahl pro Woche zwischen zehn und 18 Stunden, wobei lediglich von Montag bis Donnerstag bis 13 Uhr unterrichtet wird. Zudem sind zahlreiche Maßnahmen aufgrund des nötigen Infektionsschutzes beschlossen worden. So kürzte die Schulleitung die Pausen auf 15 Minuten, und den Schülern ist es nicht mehr gestattet, das Schulgelände in dieser Zeit zu verlassen. Des Weiteren gibt es eine Maskenpflicht für alle Anwesenden in den Gängen, und es wird empfohlen, die Masken auch auf dem Schulhof aufzubehalten. Dafür wurde vom Land und von privaten Spendern ein „Package“ mit waschbarem Mundschutz, einer Seife und einem Handtuch für die Schüler bereitgestellt. Es fällt auf, dass es vor allem in den Pausen schwerfällt, die empfohlenen 1,50 bis zwei Meter Abstand einzuhalten. Zu groß ist durch die Rückkehr in die Schule die Verlockung, in den „alten Trott“ zu verfallen. Trotzdem versuchen die Schüler, Abstand zu wahren und verzichten auf die sonst typischen „Handshakes“ sowie Umarmungen.

Desinfektion ja – Sport nein

Trotz solcher Maßnahmen bleibt ein Restrisiko auf eine Ansteckung für die Schüler und Lehrer. Deswegen sollen vor allem die „Risikogruppen“ geschützt werden. Lehrern über 60 Jahre oder mit Vorerkrankungen ist es freigestellt, in der Schule zu unterrichten, solange Corona die Nation in Atem hält. Auch für Schüler und deren Angehörigen sind Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Wer zur „Hochrisikogruppe“ gehört oder mit Hochrisikopatienten zusammenwohnen, kann dem Unterricht in der Schule fernbleiben. Bei kleinsten Anzeichen von Erkrankungen oder möglichen Symptomen von Corona ist es den Schülern und Lehrern nicht mehr gestattet, in die Schule zu kommen.

Gewöhnen müssen sich die Schüler daran, dass ihre Hände beim Betreten des Unterrichtsgebäudes mit Desinfektionsmittel besprüht werden. Zusätzlich wird zur Verminderung des Infektionsrisikos eine regelmäßige Desinfizierung der Toiletten, Unterrichtsräume und Tische vorgenommen. Jeglicher Sportunterricht (auch für den Leistungskurs) ist aktuell nicht möglich und wird sehr zum Bedauern vieler Schüler vermutlich auch bis zu den Sommerferien nicht mehr stattfinden.

Alle weiteren AGs und Schulveranstaltungen sind vorerst bis zu den Sommerferien abgesagt. Heißt: Dieses Schuljahr werden kein schon vielfach ausgezeichnetes Musical des GO, kein traditionelles Sommerkonzert und keine weiteren Aufführungen zu sehen sein. Zudem sind alle Abschlussfahrten, die direkt vor den Herbstferien stattfinden sollten, gestrichen worden. Die Fahrten ins europäische Ausland, etwa nach Venedig, Mailand, Florenz und Lissabon, waren schon geplant und gebucht, müssen jetzt storniert werden. Zu hoffen bleibt, dass wenigstens eine vielleicht kurzfristig geplante Abschlussfahrt innerhalb Deutschland möglich sein wird.

Für Schüler, Lehrer und Schulleiter ist es eine schwere und ungewisse Zeit. Es bleibt abzuwarten, inwieweit das Kultusministerium weitere Lockerungen vornimmt, welche Fächer und welche Klassenstufen wann wieder in die Schule zurückkehren dürfen. Ob das vom Land vorgegeben Ziel, am 18. Mai die weiterführenden Schulen in Hessen wieder für alle Klassenstufen zu öffnen, erreicht werden kann, scheint trotz derzeit positiver Entwicklung hinsichtlich der Neuinfektionen fraglich. Wo sollen die zusätzlichen Klassen unterrichtet werden? Um weiterhin die Sicherheitsmaßnahmen gewährleisten zu können, stünden nicht ausreichend Räume, Platz auf dem Pausenhof, Ausweichmöglichkeiten in den Gängen und Lehrkräfte zur Verfügung. Schon im Moment ist es eine große Herausforderung, die vorhandenen Unterrichtskurse, die fast alle eine Klassenstärke von mehr als 15 Schülern aufweisen, auf die zur Verfügung stehenden Räume aufzuteilen, ohne gegen die Sicherheitsbeschränkungen zu verstoßen. Nicht nur für das GO.



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