Neue Führung im bald vernetzten Gedächtnis der Stadt

Ein Berufsleben im Spannungsfeld zwischen Monitoren und verstaubten Büchern: Sylvia Goldhammer will das Stadtarchiv „neu aufstellen“. Foto: js

Oberursel (js). Das Stadtarchiv soll digitaler und transparenter werden. Es ist das Ziel, das Bürgermeisterin Antje Runge und die neue Leiterin Sylvia Goldhammer für die Zukunft der „historischen Schriftgut- und Foto-Schatzkammer unserer Stadt“, so Runge, vorgegeben haben. Vor einem Jahr ist die langjährige Stadtarchivarin Andrea Bott aus den Diensten der Stadt ausgeschieden, ein Jahr nach der Übernahme der Leitung des Hauses zwischen Marktplatz und Grundschule am 1. Juni 2021 durch die Diplom-Archivarin Goldhammer gilt noch immer die Devise, den inneren Umbau vor allem voranzutreiben. „Wir müssen aufholen“, sagt Sylvia Goldhammer, „das Archiv muss auch physisch neu aufgestellt werden“. Heißt: Die rund 750 laufenden Meter Unterlagen zur Geschichte der Stadt und der eingemeindeten Ortsteile in den Magazinräumen sollen erhalten werden, aber „viel Unbearbeitetes“ sei da noch einzuordnen, so Goldhammer. Die Platzreserven im 1968 bezogenen Haus an der Schulstraße aber sind nahezu erschöpft.

„Zeitnah muss eine Lösung gefunden werden, denn das Papierzeitalter ist noch nicht zu Ende“, umschreibt die Bürgermeisterin das Problem und die Aufgabe. Das Stadtarchiv könne nur noch kleine Mengen übernehmen. Das Papierzeitalter soll aber auch nicht zu Ende gehen, das „Gedächtnis der Stadt“, wie Archivare und Bürgermeister gerne sagen, wird nicht umsonst auch Schatzkammer genannt. Die Bibliothek mit etwa 12 000 Titeln zur allgemeinen Regional- und Lokalgeschichte und der umfangreiche Zeitungsbestand mit zum Teil seltenen Oberurseler Lokalzeitungen ab Mitte des 19. Jahrhunderts etwa sind Teil davon, die Sammlungen von Fotografien, Postkarten, Stadtplänen, Zeitungsausschnitten, musealen Kostbarkeiten und Plakaten ebenso. Und natürlich die spezielle Sammlung der „Ursellis-Drucke“ aus den Oberurseler Druckereien, die schon im 16. Jahrhundert existierten, mit ihnen wurde das Verbot des Frankfurter Rats über den Druck orthodoxer lutherischer Schriften umgangen.

Aber es ist auch Zeit für ein digitales Langzeitarchiv, eine Herausforderung für die nur zwei Mitarbeiterinnen wird dabei die elektronische Aktenführung sein, die die Stadt derzeit sukzessive für die Verwaltung einführt. Damit Historiker, Suchende und Studierende in Zukunft in elektronischen Akten recherchieren können. Diese Art Aktenführung müsse „in die Aufmerksamkeit rücken“, sagt Sylvia Goldhammer, Digitalisierung wird letzthin auch als „Verschlankung der Verwaltung“ verstanden, sagt Runge. Für das Stadtarchiv und seine Nutzer bedeute dies, neue Gruppen erreichen zu können und Zugangsschwellen zu senken. Über einen digitalen Katalog könnten die Bestände online zugänglich werden, eigenständige Recherchen wären von zu Hause aus möglich.

Sylvia Goldhammer sieht sich als „Mittlerin zum Besucher“, sie hilft, Sachen „durchsichtiger zu machen“. Hilft wie eine Pfadfinderin bei der Pfadsuche, recherchieren müssen die Interessenten dann selber. Eine interne Vorgabe: Bis Ende des Jahres soll der Anschluss an ein Archivinformationssystem über das Hessische Landesarchiv stehen, vordringlich ist die Einführung einer Archivierungssoftware für die Erschließung der Bestände. Ende 2022 soll der Oberurseler Zugang freigeschaltet werden. Der erste Bestand wäre dann in einem Pool von bislang rund neun Millionen Datensätzen von etwa 60 Archiven recherchierbar. Aber: „Digitalisierung ist nicht die Lösung für alles“, so Sylvia Goldhammer. Sie nennt das Beispiel Frankfurt und das heutige Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, da würde es wohl 3000 Jahre dauern, um alle Bestände zu digitalisieren. Aber zumindest bei der Katalogisierung von Beständen soll die Erschließung über Karteikarten und Bestandslisten demnächst der Vergangenheit angehören.



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