Abwarten und auf Feenstaub hoffen ist keine Strategie

Dicht besetzt sind die Stuhlreihen beim Jahresempfang der Aktionsgemeinschaft Bad Homburg, die diesmal in die Räume der Willy A. Löw AG geladen hatte. Foto: fk

Bad Homburg (jas). An einen ungewöhnlichen Ort hatte die Aktionsgemeinschaft Bad Homburg diesmal zu ihrem Jahresempfang geladen. Vorsitzender Eberhard Schmidt-Gronenberg, Schatzmeister Peter Löw und Wolfgang Herder, der Vorsitzende des Kur- und Verkehrsvereins, empfingen ihre Gäste in den Räumen der Willy A. Löw AG. Anlass für den Wechsel vom Güterbahnhof ins Gewerbegebiet war das 100-jährige Bestehen der Bad Homburger Dachdeckerfirma, das in diesem Jahr gefeiert wird. Als Gastredner konnte der Vorstand der Aktionsgemeinschaft den Innovationsexperten Frank Rehme begrüßen, der das Leuchtturmprojekt „Future City Langenfeld“ vorstellte und in seinem lebhaften Vortrag auch über die Zukunft des Handels und den Erlebnisraum Innenstadt sprach.

Bevor jedoch der 58-jährige Rehme die Gäste mit auf eine gedankliche Reise in die Zukunft der Innenstädte nahm, gab Schmidt-Gronenberg einen kurzen Überblick über all das, was die Aktionsgemeinschaft in diesem Jahr vorhat. Erfolgreich ins Jahr gestartet war die Händlergemeinschaft mit dem erstmals angebotenen Valentins-Gewinnspiel und der Verleihung des Schwarzen Bandes ins Samt und Seide im Kurhaus.

Musikalisch geht es Ende März mit der Musiknacht unter dem Motto „Let’s swing“ weiter, bevor Anfang April mit „Hallo Frühling“ die wärmere Jahreszeit eingläutet wird. Es folgen Weinfest und Kinder-Olympiade, bevor dann im Herbst der Erntedankmarkt und eine weitere Musiknacht im Programm stehen. Das Ziel der Aktionsgemeinschaft ist klar: „Wir wollen Bad Homburg als Einkaufsstadt stärken und uns von anderen Konkurrenten abheben“, betonte Schmidt-Gronenberg.

Der Gegner: das starre Denken

Wie das gelingen kann, skizzierte Innovationsexperte Rehme in seinem Impulsvortrag, der mit der Frage „Wie findet Zukunft Stadt?“ überschrieben war. Gleich zu Beginn konfrontierte er die Anwesenden mit einer deutlichen Aussage: „Der Gegner des stationären Handels ist nicht das Internet, sondern das starre Denken.“ Seine These untermauerte er mit Zahlen: Nach einer Prognose des Handelsverbands Deutschland (HDE) wird der Umsatz im Einzelhandel 2018 um zwei Prozent auf 523 Milliarden Euro steigen. „Lediglich zwölf Prozent davon werden im Online-Handel erzielt“, so Rehme. Allerdings verzeichne man ein Wachstum von zehn Prozent. Vor allem Unternehmen in den Innenstädten, und hier in erster Linie kleine Betriebe sind unter Druck. Und warum? „Die Unternehmen sind nicht bereit, sich weiterzuentwickeln. Dabei ist das die Hauptaufgabe“, betont Rehme. Abwarten und auf Feenstaub hoffen sei keine Strategie. Den Händler müsse bewusst werden, dass sie nicht mehr länger „der Versorger der Republik“ sind. „Die Kunden haben sich weiterentwickelt, sie haben sich professionalisiert“, sagt Rehme. „Der Kunde ist der Point of Sale. Er hat die Macht in der Tasche. Alle Macht geht vom Shopper aus.“

Komplett neu aufstellen

Vor diesem Hintergrund sei ein Umdenken unbedingt notwendig. „Wir müssen uns komplett neu aufstellen. Nicht nur der Handel, sondern auch die Stadt.“ Da es in erster Linie nicht mehr um die Versorgung der Kunden geht – laut einer Ebay-Erhebung hat jeder Mensch 217 ungenutzte Gegenstände im Schrank –, muss sich das Einkaufserlebnis in einen Erlebniseinkauf verwandeln. Gefragt sind Freizeitvergnügen, Aufenthaltsqualität, attraktive Innenstädte. „Ein Drittel der Shopper kommt wegen der Freizeitangebote in die Innenstadt“, sagt Rehme und betont: „Ein gesunder Mix aus Handel, Gastronomie und Erlebnis ist das Herz der Stadt.“

Dass auch Themen wie Öffnungszeiten und Parkplätze eine wichtige Rolle spielen, zeigte der Redner am Beispiel der nordrhein-westfälischen Stadt Langenfeld auf. Mit einer sogenannten Stadtschlüssel-Karte haben die Bürger Zufahrt zu den Parkhäusern. Händler, Dienstleister und Ärzte wiederum geben beim Einkauf einen Bonus auf diese Karte. Die Parkgebühren werden dann später verrechnet. „So wird die Zutrittshürde in die Innenstadt gesenkt und die Aufenthaltsdauer verlängert“, sagt Rehme. Denn: „Es geht nicht um die Höhe der Parkgebühren. Es geht darum, dass die Bürger durch Parkgebühren dafür bestraft werden, dass sie in die Stadt kommen.“

Abschließend machte der 58-Jährige noch einmal deutlich, dass es keine Schablone für erfolgreiche Städte gibt. Jede müsse individuell betrachtet werden. Und klar sei auch: „Nicht jeder Händler muss ins Internet.“

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