Gisela João verleiht dem Fado einen modernen Touch

Bad Homburg (nl). Gisela João verkörpert eine neue Generation des Fado. Dieser besonderen Musikkultur, die mit dem tiefen Timbre einer markanten Frauenstimme von dem Schmerz dieser Welt, vor allem von der Liebe zu erzählen weiß. Und auch wer kein einziges Wort dieser weichen Klänge der portugiesischen Sprache versteht, weiß doch, wieviel Gefühl in diesen melancholischen Melodien steckt. An diesem ersten Samstag im Mai tritt die Portugiesin im Kulturspeicher mit einem Pianisten und drei Gitarristen zusammen auf. Dieses große Aufgebot an Klang und praller Stimmgewalt füllt den bis auf den letzten Platz besetzten Dachstuhl des Bad Homburger Bahnhofs.

Gisela João, diese pure Lebenslust ausstrahlende Künstlerin, vermisst den Strand in der Kurstadt. Es sind die ersten wirklich warmen Tage im Jahr, und sie hatte sich sagen lassen, in Deutschland ginge es vor allen Dingen ebenso steif und unterkühlt zu, wie sich auch das Wetter in diesen Breitengraden gibt. Nun wird ihr heiß, noch bevor sie selbst die ihr vor Begeisterung zujubelnden portugiesischen Gäste unter dem ansonsten gepflegt diskret zurückhaltenden Publikum in Stimmung bringen kann.

Gisela João mit den leuchtenden Augen, der großen weißen Schleife, die ihr mit einer weiß glänzenden Hose und glitzernden Highheels als Outfit dient, verspricht dem Fado, dass er nicht mehr länger von der Schwere und dem Unglück des Schicksals erzählen muss. Sie hat ihm ein Relaunch verpasst und ihm damit einen modernen Touch verliehen, der ihm gut zu Gesicht steht. Ihre Stimme verweilt nicht mehr länger hauptsächlich auf den traurig-klagenden Tönen. Damit nimmt sie der Fado-Tradition die Dramatik, doch so folgt auf eine getragene Langsamkeit die mitreißende Abwechslung der Zwischentöne.

Der Fado, den Gisela João liebt, der beflügelt ihre Fantasie, und mit seiner Hilfe erzählt sie Geschichten, die man glauben kann oder glauben muss oder in denen man einfach versinken kann und sich für zwei Stunden wegtragen lässt an Orte, wo die angenehm salzige Luft nach Meer riecht und nach Vino Verde schmeckt. Wo sich eben alles viel leichter anfühlt und der Gedanke, dass nicht der Kopf, sondern die Füße im warmen Sand stecken, nicht mehr weit ist.

Aliens will die Sängerin in ihrem Garten entdeckt haben, und davon singt sie ebenso gern und zum Anbeten schön wie von ihrer verflossenen Liebe in Brooklyn oder Erkenntnissen, die sie auf dem heimischen Sofa darüber nachdenken lassen, wann es Zeit ist, zu gehen. Wann Liebe wehtut und ein Abschied unvermeidlich. Sie nennt es „Beauty In Sadness“ und macht wunderschönen Fado daraus.

Mit einem „Isch lieb Disch“ ist sie in den Abend gestartet, um unter Beweis zu stellen, dass sie nur das Wichtigste auf Deutsch sagen kann. Ansonsten verfällt sie in ein südländisch akzentuiertes Englisch. Sie erzählt viel und anschaulich von dem, was sie gleich singen wird. Weil der Fado an diesem Abend zwar Musik ist mit ungemein professioneller, brillanter musikalischer Begleitung, die die Stimme zum Tragen bringt, aber weil er auch eine Musik ist, die weit weg vom pathetischen Gestus seinen Ernst und die Untiefen der Traurigkeit abgelegt hat.

Stattdessen sinnlich, alltägliche Lebensfreude und Kindheitserinnerungen: Wie Gisela João mit ihrer Großmutter zum Markt ging in der kleinen portugiesischen Stadt, aus der sie stammt, frühmorgens. Und die Großmutter sich erfreuen konnte an all den Gerüchen und den frischen Obst- und Gemüsesorten. Oder wie die Stufen der Treppe sie knarrend verrieten, weil sie „Twin Peaks“ schauen wollte, sich heimlich zum Fernseher heranschlich, da ihre Mutter befand, sie sei dafür noch viel zu jung. Gisela Joãos Fado lebt von unverwechselbaren Ingredienzen: Ihrer Präsenz, ihrer Unaufgeregtheit, und vor allem ihrer einprägsamen Stimme, die lange in Erinnerung bleibt.

Gisela João ist ganz bei sich, wenn sie singt.Dabei verzaubert sie ihr Publikum. Foto: nl



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