Bad Homburg (jbr). Die Orgel ist nicht nur das Instrument des Jahres 2021, sondern gilt allgemein als „die Königin der Instrumente“. Die Pfeifenorgel, wie man sie aus Kirchen und Konzertsälen kennt, gibt es in der bekannten Form etwa seit dem 15. Jahrhundert. Bereits zuvor gab es Instrumente, die Klänge durch Aneinanderreihungen von Pfeifen, die durch Luftzufuhr reguliert werden, erzeugten, doch erst mit der Spät-Gotik wurde die Orgel populärer und fand schließlich ihren Weg in die Gotteshäuser. Eine der ältesten, spielbare n Orgeln steht heute in Ostönnen (Region Westfalen-Lippe).
Das Jahr der Orgel ist ein guter Grund, um das majestätische Instrument, das in allen Größen, Formen und für Werke aller musikalischen Epochen auch in der Kurstadt zu finden ist, in den Mittelpunkt zu rücken und einmal außergewöhnliche Pfeifenorgeln in der Bad Homburger Woche vorzustellen.
Den Anfang macht die 1988 erbaute Orgel in der Gedächtniskirche Kirdorf von Alfred Kern, einem Orgelbaumeister aus Straßburg. Sie ersetzte zur damaligen Zeit ihre Vorgänger-Orgel aus der ebenfalls namenhaften Orgelbauwerkstatt Wilhelm Sauer aus Frankfurt/Oder. Die Kosten von 4380 Mark übernahm der Erbauer der Kirche, Johann Georg Dippel. Nachdem die zusammen mit der Gedächtniskirche eingeweihte, romantische Sauer-Orgel aus dem Jahr 1913 nicht mehr dem Klangideal der Nachkriegszeit entsprach, wurde diese erst nach barockem Klangideal umgebaut und schließlich in den 80er-Jahren ersetzt.
Der Erbauer der späteren Orgel in der Dresdner Frauenkirche (erbaut 2005), Alfred Kern, wurde nun mit dem Bau eines ebenfalls barock-klingenden Instruments in der Gedächtniskirche Kirdorf beauftragt. Die dezent auf der Empore der Kirche platzierte Orgel mit 20 Registern, verteilt auf zwei Manuale (Klaviaturen für die Hände) und Pedal (30-tönige Klaviatur für das Spielen mit den Füßen), findet noch heute bei Organisten und Orgelfreunden Anklang.
Das Instrument mit insgesamt 1184 Pfeifen ist ein getreuer Nachbau einer Orgel, wie sie in der Barockzeit gebaut wurde. Entsprechend werden die Pfeifen der einzelnen Register (Klangfarben) vom Spieltisch aus mechanisch angespielt. Die Tasten werden – wie zu früheren Zeiten auch – über dünne Holzleisten, sogenannte Abstrakten, mit den Pfeifen verbunden und öffnen die Windzufuhr bei Betätigung der entsprechenden Taste. Diese bewährte Bauweise findet sich heute nicht mehr bei allen Orgeln. Zur Erzeugung verschiedener Klangfarben sind die Pfeifen unterschiedlich geformt und haben unterschiedliche Längen. So erklingen auf der Kern-Orgel der Gedächtniskirche weiche Flötenklänge, aber auch feierliche Trompetenregister gehören zum Repertoire des Instruments.
Nicht nur für Gottesdienste und Konzerte wird die vielseitige Orgel genutzt. Dekanatskantorin Karin Giel erteilt hier regelmäßig Orgelunterricht für Jugendliche und Erwachsene. Die Zahl ihrer Orgelschüler sei erfreulicher Weise in den vergangenen Jahren stark angestiegen, merkt die hauptamtliche Kirchenmusikerin der Gedächtniskirche an. Mittlerweile lassen sich vier Jugendliche und einige Erwachsene aus verschiedenen Gemeinden Bad Homburgs zu Organisten ausbilden. Sie lernen nicht nur das Spielen mit Händen und Füßen, dem oftmals einige Jahre Klavierunterricht vorrausgehen, sondern sammeln auch Erfahrung beim musikalischen Begleiten der Gottesdienste in ihren eigenen Gemeinden, aber auch als Vertretung für die erfahrene Organistin Karin Giel, die seit 1994 in Bad Homburg arbeitet.
Am liebsten Barockmusik
Nach einigen Jahren können die angehenden Organisten, die dem Spielen meist nebenberuflich im späteren Leben verbunden bleiben, die sogenannte D-Prüfung machen. Diesen Eignungsnachweis hat zum Beispiel Caroline Jacob, die bereits seit ihrem zwölften Lebensjahr Orgel spielt. Sie spiele am liebsten Barockmusik, die sich hervorragend für die Kern-Orgel der Gedächtniskirche eignet. Doch manchmal scheiterte es am Üben, gesteht die Schülerin aus Ober-Erlenbach. Denn auch bei begabten Organisten gibt es stets Übungsbedarf. Orgelschüler Leopold Berggötz lässt gerne mal Jazz erklingen, spielt aber auch Werke der Romantik. Er selbst sei eher ein Praktiker und achte weniger auf das Ins-trument, das er gerade spiele, während Orgellehrerin Karin Giel und Caroline Jacob klare Vorstellungen haben, was eine schöne Orgel ausmacht. Die langjährige Kirchenmusikerin schätzt besonders den Spielkomfort der Kern-Orgel, den die leicht gewichteten Tasten bieten. Aber auch die vielfältigen Klangfarben begeistern viele Spielende und auch Zuhörer, stellt Karin Giel fest. Das Instrument der Gedächtniskirche wird gerne und oft von Profis und Nebenamtlichen genutzt, und ihre Klänge erfreuen Gottesdienst- und Konzertbesucher.