Jüdische Gemeinde feiert neue Torarolle

Bad Homburg (fch). Viele Gläubige und Besucher hatten sich am Sonntag im Foyer der Volkshochschule versammelt. Alle wollten der feierlichen Einweihung der neuen Torarolle der jüdischen Gemeinde beiwohnen. Der Begriff Tora bedeutet „Lehre, Gesetz“. Die Tora ist in hebräischen Buchstaben auf handgefertigtem Pergament aus der Haut koscherer („reiner“) Tiere geschrieben.

Zu den Gästen der feierlichen Zeremonie gehörte Oberbürgermeister Alexander Hetjes. Er rief die Bevölkerung und Entscheidungsträger zur Zivilcourage auf, damit jüdische Gemeinden in Deutschland nicht wieder in Angst leben müssen. „Wir müssen gemeinsam laut und deutlich klarmachen, dass wir uns geschlossen jeder Form von Antisemitismus und Rassismus entgegenstellen. Solidarität mit unseren Mitbürgern jüdischen Glaubens muss zur Selbstverständlichkeit werden. Wir sind stärker als der Hass, wir geben Antisemitismus keine Chance.“ Ernste und wichtige Worte bei einem freudigen Anlass.

Rabbiner Ber Rabinovitz hatte die Gemeinde zur Fertigstellung der neuen Torarolle eingeladen. Gespendet hat sie die Familie von Arthur Iliyav zu Ehren der geliebten Großeltern. Damit hat die Familie die Forderung der 613. Mizwa (Gebot der Tora, Bezeichnung jeder Handlung oder Tat, zu der ein Jude durch das Religionsgesetz verpflichtet ist) erfüllt. Heute muss allerdings nicht mehr jeder Jude eine Torarolle schreiben, sondern sich zumindest mit einem Buchstaben beteiligen. Jede Torarolle enthält 304 805 Buchstaben, die 613 Vorschriften, davon 248 Gebote und 365 Verbote, ergeben. Sie bilden das Fundament des jüdischen Glaubens. Buchstabe für Buchstabe wird die Tora als Teil der hebräischen Bibel mit Gänsekielen und Tinte auf Pergament geschrieben. Das Schreiben der Tora ist ehren- und anspruchsvoll zugleich. Die Gäste der Zeremonie waren bei nach festgeschriebenen Regeln stattfindenden Beendigung des Schreibens der Tora (Sijum ktiwat sefer tora) dabei. Zuletzt werden die letzten zwölf Buchstaben des 5. Buch Moses (Deuteronomium) „vor den Augen von ganz Israel“ hinzugefügt.

Eine Torarolle ist kostbar. Die Kosten für eine neue Rolle hat in Bad Homburg die Familie Iliyav übernommen. Die Tora besteht aus den fünf Büchern Mose und ist Teil der hebräischen Bibel. 85 Seiten Pergament näht der Sofer (Schreiber) vorsichtig zu einer Rolle zusammen. Die Torarolle ist auf zwei Holzstäbe aufgewickelt. Die Stäbe werden als „Baum des Lebens“ (hebräisch „Ez Hachajim“) bezeichnet. Um die Torarolle ist ein spezielles Stoffband gebunden. Bedeckt wird sie mit einem bestickten Mantel, der sie beschützen und verzieren soll. Da die Torarolle nicht mit bloßen Händen berührt werden darf, wird ein silberner Stab als Lesehilfe benutzt. An dessen Ende befindet sich eine kleine Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger. Die Lesehilfe heißt „Jad“, nach dem hebräischen Wort für „Hand“.

Nach der Beendigung, Aufwicklung der Tora auf die beiden Holzstäbe und Ummantelung wurde die neue Torarolle in einer feierlichen Prozession durch die Straßen zur am 11. November 2018 geweihten neuen Synagoge im Töpferweg getragen. Musikalisch umrahmt wurde der festliche Umzug durch Jerusalemer Klezmer. Es ist ein historisch bedeutender Weg. Stand doch die ehemalige, am 9. November 1866 eingeweihte und am 10. November 1938 in Brand gesetzte und zerstörte Bad Homburger Synagoge auf dem Grundstück der heutigen Volkshochschule an der Elisabethenstraße. Auf einer Tafel wird an den Standort des Gotteshauses erinnert. Vor dort führte der Weg die Teilnehmer des Festzugs vorbei an dem Mahnmal für die Opfer der nationalsozialistischen Gewalt des Naziterrors bis zur neuen Synagoge.

In einer feierlichen Prozession wird die neue Torarolle durch die Straßen zur 2018 geweihten neuen Synagoge im Töpferweg getragen. Foto: fch

Gespendet hat die neue Torarolle die Familie von Arthur Iliyav (sitzend) zu Ehren der geliebten Großeltern. Foto: fch

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