Musikalischer Ausflug in die Traumwelten der Romantik

Pianist Georgy Tchaidze beendet mit seinem Konzert die Corona-Zwangspause der Schlosskonzerte. Foto: jbr

Bad Homburg (jbr). Die Ehre, den ersten Ton vor Publikum nach etwa zehn Monaten Unterbrechung zu spielen, wurde Georgy Tchaidze zuteil. Dafür versammelten sich etwa 50 Gäste in der hell erleuchteten Schlosskirche. Zumeist handelte es sich hierbei um Abonnenten der Schlosskonzerte, also angestammte und anspruchsvolle Zuhörer. Endlich ging es nach einer viel zu langen Pause weiter im Programm, fand nicht nur Karl-Werner Joerg von der Stiftung Schlosskonzerte, sondern auch die meist untereinander bekannten Musikliebhaber waren dieser Meinung. Betont wurde zu Beginn noch einmal die Dringlichkeit, geimpft, genesen oder getestet zu sein, auch weil der Organisator persönlich für die Gewährleistung haftet. Die Masken durften am Platz abgenommen werden.

Für diesen besonderen Abend hatte der junge Pianist ein vielfältiges Programm vorwiegend romantischer Stücke zusammengestellt, aber auch abseits von Robert Schumann und seinen Zeitgenossen überraschte er mit Werken weniger populärer Komponisten.

Mit leichten, gefälligen Klängen, nämlich einem Adagio in G-Dur von Franz Schubert, begann der 1988 in Sankt Petersburg geborene Tchaidze seine Darbietung. Mit diesen träumerischen Klängen des kurzen Stücks gelang ein perfekter Einstieg. Der erste musikalische Umschwung folgte direkt im Anschluss mit einer Klaviersonate, vier Sätze umfassend, ebenfalls aus der Feder Schuberts, die den Zuhörer immer wieder mit harmonischen Wendungen überraschte. Die beginnenden Marschklänge schwenkten nach dem ersten Satz in ein wiederum ruhigeres Andante (ital. gehend) um, das dem Publikum Zeit zum geruhsamen Zuhören versprach, ehe die Sonate mit zwei verspielt, heiteren Sätzen ein Ende fand.

Als letztes Stück vor der Pause wählte Georgy Tchaidze einen Walzer-Zyklus von Enrique Granados (1867-1916), einem spanischen Komponisten. Streckenweise ähnelte beinahe die ein oder andere Passage einem Liebeslied, worauf wieder rasche und vor allem anspruchsvolle Zeilen folgten. Eindeutig bewies hier der Pianist akkurat und präzise spielend sein Talent.

Nach einer zehnminütigen Unterbrechung, die Karl-Werner Joerg traditionell eine kleine Glocke läutend beendete, bot der mehrfach preisgekrönte Musiker Tchaidze die berühmten „Kinderszenen“ Robert Schumanns dar. Diese bestehen aus 13 Stücken, gezeichnet von Motiven, die Anwesende in die Traumwelten der Romantik mitzunehmen versuchen. Das erste Stück der Reihe „Von fremden Ländern und Menschen“ mag der geneigte Zuhörer allerdings als etwas zu schnell gespielt empfunden haben. Ein Risiko, das jeder Pianist eingeht, sobald er solch bekannte Kompositionen spielt. Doch spätestens bei „Träumerei“, wo der Titel das Tempo und die Stimmung des Stückes perfekt widerspiegelt, waren alle derartigen Wahrnehmungen verflogen.

Mit einer völlig anderen Art der Musik konfrontierte der Star des Abends sein Publikum durch drei Werke des russischen Komponisten Alexander Skrjabin. Weg von den gewohnten Tönen der vorherigen Darbietungen folgten nun schnelle Arpeggien und wilde Läufe, die beinahe über die gesamte Klaviatur reichten. Angelehnt an die Musik Richard Wagners, der auch oftmals ein sehr differenziertes Verhältnis zur klassischen Harmonik aus dem Lehrbuch bewies, ließen sich nun diverse gebrochene und unaufgelöste Akkorde (ähnlich wie bei Wagners „Tristan und Isolde“) hören, begleitet von Dissonanzen und einem lauten Finale. Vielleicht auch gerade dieser Abwechslung wegen verfolgte das Publikum das Spiel des ausdruckstarken Virtuosen mit Begeisterung, die auch im regen Applaus nach dem Konzert zu spüren war.

Mit dem Impromptu in Es-Dur des zu Beginn dargebotenen Franz Schubert als Zugabe beendete Georgy Tchaidze das sehr gelungene Auftaktkonzert und entließ die Zuhörer in den lauen Spätsommerabend.



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