Musizieren gegen das Vergessen der ukrainischen Kultur

Seit zwei Jahren besteht der „Bozhedary Chor“ unter Leitung von Tetiana Ilchenko in Bad Homburg. Foto: fch

Bad Homburg (fch). Im Rahmen ihrer Europatournee 2024 gab die ukrainische Band „Kobzar Armada“ ein Konzert in der Aula des Kaiserin-Friedrich-Gymnasiums (KFG). Das Motto des Konzerts lautete „Lass die Freiheit klingen, lass die Freiheit erklingen“. Zum Repertoire der Band „Kobzar Armada“, der KFG-Schülerin und Pianistin Taisiia Bakumenko (15) und des „Bozhedary Chors“ unter Leitung von Tetiana Ilchenko gehörte ein breit gefächertes Repertoire aus ukrainischen Volks-, Liebes-, christlichen und patriotischen Liedern.

Im Laufe des Konzerts und der Erläuterungen von Band-Gründer, Musiker und Musikforscher Yurij Fedynsky wurde den Konzertbesuchern schnell klar, warum Diktatoren erst einmal die Kultur eines Volkes unterdrücken und verbieten. Enthält diese doch die nationale DNA. So versuche der russische Staat bereits seit 300 Jahren, die Ukraine zu zerstören und ihre Kultur auszulöschen. Seit 20 Monaten singt und spielt Yurij Fedynsky mit seiner von ihm gegründeten Band „Kobzar Armada“ gegen das Vergessen der von den Sowjets unterdrückten traditionellen ukrainischen Kunst des Kobzar-Gesangs an. Gespielt werden die Melodien auf traditionellen Saiten- und Zupfinstrumenten wie Kobsa, Bandura oder Torban. Diese hat Yurij Fedynsky in seiner Werkstatt nachgebaut, denn in der Ukraine ist noch nicht einmal mehr ein Exemplar der Musikinstrumente in einem Museum zu finden, so gründlich war die russische Säuberung unter Stalin.

Auf seinen Konzertreisen durch die USA und Europa sammelt Yurij Fedynsky Spenden, um sich und den Bandmitgliedern Oleh But, Tetynana Herasymova und Ohla Hvyazdovska Auftritte in der Heimat zu finanzieren, um mit den alten Weisen den Glauben des ukrainischen Volks an Freiheit zu unterstützen. „Wir denken nicht an Geld. Uns geht es um spirituelles Glück“, betonte Yurij Fedynsky. Beim Kobzar-Gesang handelt es sich um eine alte Art, Nachrichten zu verbreiten und den patriotischen Geist zu stärken. Die Mission des Kobzarentums bestand in der Bestärkung des Kampfgeistes und der Hoffnung auf den Sieg. In einem im Krieg mit Russland befindlichen Land hat dies große Aktualität. Kobsaren waren, zum größten Teil von Eroberern um ihr Augenlicht gebrachte, ukrainische Barden, die mit epischen Gesängen, begleitet durch Lautenspiel, durch das Land zogen und Lieder der Freiheit, Unabhängigkeit und christlichen Moral verbreiteten. So wie einst die alten Kobsaren spielt heute die Band „Kobzar Armada“ hinter der Front für die Bevölkerung, um Mut zu machen und das ukrainische Nationalbewusstsein zu stärken. Yurij Fedynskyjinformierte, dass die Band in der Ukraine bereits in Luftschutzbunkern, zerbombten Städten und nahe der Front gespielt hat.

Zur Einstimmung auf das Konzert wurde ein Dokumentarfilm über das Kobzarentum früher und heute, seine wichtige Rolle in der aktuellen Kriegsrealität, Yurij Fedynsky Mission und den Nachbau der traditionellen Instrumente mit dem unverwechselbaren Klang gezeigt. Fedynsky ist Amerikaner ukrainischer Abstammung. Der studierte Musiker ist in die Ukraine zurückgekehrt, um die in der Sowjetzeit zerstörte alte Kunst zu erneuern. Seine Großeltern mütterlicherseits flohen Anfang der 1940er-Jahre aus der Sowjetunion. Sie fanden in Indianapolis (USA) eine neue Heimat.

Er habe sich bereits als Kind zu seinen ukrainischen Wurzeln hingezogen gefühlt. 2001 wanderte er in die alte Heimat seiner Großeltern aus, gründete eine Familie und fand im Forschen und Praktizieren kobzarischer Musiktraditionen seinen Lebensinhalt. Er selbst beschreibt sich als einen „ukrainisch-amerikanischen Ukrainer“ oder „Re-Patrioten“. Nach zehn Jahren in Kiew lebt Yurij Fedynsky mit Frau und drei kleinen Kindern in Kryachkivka in der Region Poltawa. Dort hat er das Zentrum Kobzarskiy Tabir für Instrumentenbau und Kobzar-Ausbildung gegründet, wo er sein theoretisches und praktisches Wissen an seine Schüler weitergibt.

Für die Konzertbesucher und die auftretenden Künstler hatten acht Frauen aus der Ukraine ein leckers Büfett mit traditionellen Gerichten zubereitet. Deren Rezeptur und Zubereitung ist in jeder Familie ein gut gehütetes Geheimnis, das von einer an die nächste Generation weitergegeben wird.

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