Vorsicht! Die Kröten sind wieder auf Wanderschaft

Lumi, Emma und Margarete (alle 8 Jahre alt) haben im letzter Minute einen „Kröten-Doppeldecker“ vor dem Unfalltod auf dem Güldensöllerweg gerettet. Foto: fch

Bad Homburg (fch). Freitagabend kurz vor 20 Uhr in Dornholzhausen. Rushhour auf der Tannenwaldallee, dem Güldensöller- und Waldweg. Unterwegs auf Straßen und Wegen rund um den Forellenteich in Dornholzhausen sind seit Einbruch der Dämmerung viele Paare, aber auch einzelne Verkehrsteilnehmer. Wer genau hinsieht, entdeckt die tierischen Passanten. Diese sind im Licht von Straßenlaternen und Scheinwerfern nur schwer zu erkennen.

Die Kröten haben eine bräunliche von vielen Warzen bedeckte Haut, die auf der Unterseite heller gefärbt ist. Weibchen werden bis zu zwölf Zentimeter groß, Männchen bis zu neun Zentimeter. Sie haben zudem schwarze Schwielen an den Fingern. Petrus spendete den Amphibien dieses Mal reichlich himmlisches Nass. Die hohe Luftfeuchtigkeit sorgte für ideale Reisebedingungen der Kröten, die am liebsten nachts zu ihren Laichgewässern, in denen sie selbst schlüpften, unterwegs sind. Ihre Reisegeschwindigkeit liegt bei rund 600 Metern pro Nacht. Sobald die Temperaturen zwischen fünf und zehn Grad Celsius betragen, erwachen Erdkröten (Bufo bufo) aus ihrer Winterstarre. Die zunehmende Tageslänge und der steigende Hormonspiegel signalisieren den Tieren, dass die Zeit der Fortpflanzung da ist.

Und so verlassen sie ihre frostfreien Winterquartiere und begeben sich auf ihre gefährliche, teils bis zu fünf Kilometer lange Reise. Die Route führt sie von ihren Lebensräumen, die in Dornholzhausen an den Ufern des Heuchelbachs oder im Wald liegen, zur Laichstelle. Den Weg dorthin finden die Erdkröten mithilfe eines speziellen Organs im Gehirn. Ihr natürliches „Navigationssystem“ leitet sie durch Wälder, Wiesen, Bäche, Höfe, Wohngebiete und über Verkehrswege. Viele Kröten werden auf dem Weg zur Eiablage beim Überqueren von Straßen überfahren oder fallen in einen Gully, aus dem sie sich nicht befreien können und verhungern. Unüberwindbare Barrieren sind hohe Bordsteinkanten, Gebäude und enge Zäune.

Um möglichst viele der immer selten werdenden Amphibien vor dem sicheren Tod zu retten, treffen sich engagierte Bürger unter Leitung des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) Bad Homburg mit Beginn der Dämmerung am Eingang des Güldensöllerwegs/Ecke Tannenwaldallee. Mehrere Wochen lang sind sie jeweils zwei Stunden lang pro Abend als Krötenretter im Einsatz. „Wir haben mit der Krötenrettung in diesem Jahr am 13. März begonnen. Da schon viele Kröten auf dem Rückweg sind, planen wir unseren Einsatz Ostern zu beenden. Unser Ziel ist es, dass wir auch diesem Jahr mit vielen Helfern das Totfahren zahlloser Tiere auf ein Minimum reduzieren können“, wünscht sich Heike Bergmeier. Die BUND-Krötenrettungsbeauftragte organisiert die Einsätze der Helfer. Wie wichtig diese sind, zeigt ein Blick in die Statistik. „Die Anzahl der Tiere hat sich innerhalb von fünf Jahren halbiert. Waren es 2018/2019 mehr als 2000 Kröten im Güldensöllerweg, haben wir 2021/2022 nur noch 1000 Tiere gezählt.“ Gründe für das Artensterben seien Pilzerkrankungen, der Verkehr, verschmutzte Gewässer, der Waschbär sowie die trockenen Sommer mit wenigen Insekten, der Nahrung der Kröten. Die BUND-Mitglieder hoffen, dass die Stadt in den Doppelhaushalt 50 000 Euro pro Jahr für Artenschutz eingestellt hat. „Wir brauchen dringend in den Oberen Braumannswiesen einen weiteren Teich“, sagen die BUND-Mitglieder.

Begrüßt wurden die Helfer zu Beginn der Aktion vom Vorsitzenden Hilbert Baldt und der stellvertretenden Vorsitzenden, Dr. Mareike Possienke. Zu den Helfern der „ersten Schicht“ gehörten die drei Grundschüler Lumi, Emma und Margarete. Die drei achtjährigen Mädchen aus Bad Homburg und Frankfurt waren hochmotiviert und für ihren Einsatz perfekt mit Regenjacken, Gummistiefeln und Einmalhandschuhen ausgestattet. Warum die Handschuhe wichtig sind, erklärte Diplom-Biologin Dr. Possienke: „Mit bloßen Händen sollten Kröten nicht angefasst werden. Ihre Haut gibt eine Flüssigkeit (Sekret) ab, die die menschliche Haut reizen kann.“ Bis zum Donnerstagabend hatten die Tierfreunde bereits 1481 Kröten gerettet. Und zwar 600 Männchen, 179 Weibchen und 351 „Doppeldecker“ sprich Männchen, die sich auf dem Rücken eines Weibchens festgeklammert hatten. Grund dafür ist, dass es etwa drei Mal so viele Männchen wie Weibchen gibt. Und dadurch nicht jedes Männchen eine Partnerin findet.

Diese und viele weitere Informationen zu den Erdkröten gab es für die Helfer von Dr. Mareike Possienke. Erdkröten sind wechselwarme Tiere, deren Körpertemperatur schwankt. Bei kaltem Wetter bewegen sie sich kaum. Tagsüber ruhen sich die Tiere versteckt unter Laub oder in Erdlöchern aus. Wird es wärmer werden sie in der Dämmerung aktiv. Sie benötigen einen Lebensraum mit Gewässer wie Teiche oder Seen, die mindestens 50 Zentimeter tief sein müssen. Weibchen legen zwischen 3000 bis 6000 Eier. Aus ihnen entwickeln sich Kaulquappen, denen nach zwei bis drei Monaten Beine und Lungen wachsen. Sie gehen an Land. Geschlechtsreif sind Köten erst mit drei bis fünf Jahren. Sie können zehn Jahre alt werden. Erdkröten stehen wie die meisten Amphibien in Deutschland unter Schutz.

!Wer das faszinierende Naturschauspiel der Krötenwanderung hautnah miterleben und helfen möchte, kann sich bei Heike Bergmeier per E-Mail an kroetenrettung-hg[at]ov-badhomburg.bund-hessen[dot]net melden.



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