Im Fokus: Der Pionier der gärungslosen Früchteverwertung

Die neue Dauerausstellung im Ober-Erlenbacher Heimatmuseum über Josef Baumann, den deutschen Pionier der gärungsfreien Obstsaftgewinnung, hier präsentiert von Torsten Martin und Felicitas Hartmann von Verein

Heimatstube Ober-Erlenbach, ist ein wichtiges Stück deutscher und europäischer Industriegeschichte. Foto: a.ber

Bad Homburg (a.ber). Unverkaufte Äpfel und Birnen auf dem Heimweg vom Markt in den Straßengraben kippen? Fruchtsaft, der nicht haltbar ist und nach zwei Tagen schon eklig vergoren schmeckt, literweise in den Ausguss schütten? Für viele Obstbauern war das Anfang des 20. Jahrhunderts bittere Realität – das Obst wuchs im Überfluss, der Verwertung ihrer Ernte waren enge Grenzen gesetzt, die Preise für Obst sanken immer tiefer. Josef Baumann (1877-1963) schuf Abhilfe. Dem studierten Pomologen und Obstbaulehrer, der sich seit 1912 zum berühmten deutschen Pionier der gärungslosen Früchteverwertung entwickelte und damit nicht nur den Obstbauern half, sondern mit der Erfindung eines „Saft-Apparats“ und einer großen Forschungs- und Lehranstalt das Dörfchen Ober-Erlenbach in den 1940er-Jahren zum „Mekka der Süßmost- und Fruchtsaft-Industrie“ werden ließ, ist eine neue Dauerausstellung in der Heimatstube Ober-Erlenbach gewidmet. Für Samstag, 11. Juni, um 15 Uhr lädt der Geschichtsverein zur Eröffnungsfeier seiner Ausstellung in das Museum in Ober-Erlenbach ein.

Aufgereiht stehen die Original-Saftflaschen „Erlenbacher“ – Johannisbeere, Sauerkirsche, Quitte, Zwetschgen-Nektar und Tomatensaft –, die originalen Fink’schen Mostfässer für Süßmostaufbereitung prangen frisch gereinigt gegenüber der großen Baumann’schen Entkeimungsglocke zur Pasteurisierung und Homogenisierung von Fruchtsaft. An den Wänden hängen alte Fabrikschilder und Stäbe mit Bezeichnungen für einzelne Obstsorten, neue Stellwände mit Informationstafeln berichten in Text und alten Bildzeugnissen über den „Vater des Fruchtsafts“ : Josef Baumann, der 1927 nach Ober-Erlenbach kam. Er forschte und lehrte zur Fruchtsaftherstellung, entwickelte seine Versuchsanstalt nebst Süßmost-Betrieb mitten im Ort zur Lehranstalt für den Lehrberuf „Süßmoster“ weiter und gründete 1957 schließlich noch die „Zentralschule für Lehrlinge des Süßmostgewerbes“ in Bad Homburg, die Lehrlinge aus ganz Deutschland und anderen Ländern anzog. Baumann wird in der neuen Dauerausstellung umfassend und unterhaltsam gewürdigt.

Die Ehrenamtlichen des Vereins Heimatstube Ober-Erlenbach haben die zwei Jahre Zwangspause durch die Coronapandemie genutzt, um die alte Heimat-Ausstellung abzuräumen, zu renovieren und auf 63 Quadratmetern im 1. Stockwerk des Museums in der „Alten Schule“ nun alles Wichtige zu Josef Baumann, Originale und Kuriositäten in museumspädagogisch ansprechender Weise zu präsentieren. Unterstützt wurden sie dabei vom Hessischen Museumsverband.

Nicht nur die lehrreichen Texte und Fotos auf den Stellwänden zur Person des Fruchtsaft-Pioniers und seiner Mitarbeiter und der Entwicklung der deutschen Fruchtsaft-Forschung sind hochinteressant: Wer weiß schon, dass die Entwicklung von gärungsfreiem Obstsaft maßgebliche Impulse durch die Abstinenzler-Bewegung bekam, die ab 1880 die vielen durch die Industrielle Revolution verelendeten Alkoholiker ins Visier nahm, die literweise zu Alkohol vergorene Obstsäfte tranken? Es sind vor allem die vielen originalen Apparate, technischen Geräte und Besonderheiten, die die Ausstellung prägen.

Felicitas Hartmann vom Verein Heimatstube erinnert sich noch an das Ausschenken Erlenbacher Fruchsäfte in kleinen Fläschchen zwischen 1963 und 1974 auf Flügen der Lufthansa, an den Geruch der Mostherstellung im Ort und wie ihre Familie Obst bei der von den Erlebächern so genannten „Früchteverwertung“ anlieferte. Das Fabrikgelände wurde 1997 von der Stadt Bad Homburg abgerissen. Ein Jahr zuvor habe der gerade gegründete Geschichtsverein „in einer Heldentat“ viele Dokumente und Objekte vom Gelände des Süßmost-Betriebs von Josef Baumann gerettet, so Felicitas Hartmann – ein wertvolles Stück Industrie- und Lehrgeschichte Deutschlands, das nun repräsentativ in der Ober-Erlenbacher Heimatstube ausgestellt wird.

!Die feierliche Eröffnung der Dauerausstellung „Josef Baumann“ ist am Samstag, 11. Juni, um 15 Uhr in den Räumen der Heimatstube Ober-Erlenbach, Am Alten Rathaus 9. Das Museum ist jeden 1. Sonntag im Monat von 15 bis 18 Uhr geöffnet (außer in den Schulferien) und nach Vereinbarung. Führungen, auch für Schulklassen und Gruppen, können bei Felicitas Hartmann (Telefon 0162-5186544) oder Torsten Martin (Telefon 0176-87911758) angemeldet werden.

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