Bad Soden (Sc) – Es war eine traurige Nachricht, die am Montag von der NABU Ortsgruppe Bad Soden veröffentlicht wurde: Der Helle Wiesenknopf-Ameisenbläuling gilt im Main-Taunus-Kreis als ausgestorben. Trotz vorbildlicher Landschaftspflege durch die NABU Ortsgruppe Bad Soden konnte im Rahmen einer Erhebung im vergangenen Jahr kein Schmetterling dieser bedrohten Art mehr im Süßen Gründchen in Neuenhain nachgewiesen werden. „Die aktuelle Bestandserhebung für das Jahr 2024 über die Wiesenknopf-Ameisenbläulinge im Main-Taunus-Kreis legen leider den Schluss nahe, dass der Helle Wiesenknopf-Ameisenbläuling im gesamten Kreis ausgestorben ist. Das letzte Exemplar konnte 2023 im Süßen Gründchen bei Neuenhain registriert werden – vor zehn Jahren wurden dort noch fast 300 dieser schönen Schmetterlinge gezählt. Vermutet wird, dass dies mit dem Rückgang der Bestände der Wirtsameisen in Folge der in den letzten sechs Jahren extrem heißen Sommer zusammenhängt“, ist auf der Webseite der NABU Ortsgruppe Bad Soden zu lesen.
Streng geschützt
Die traurige Nachricht beruht auf einer Untersuchung im Auftrag der Unteren Naturschutzbehörde des Main-Taunus-Kreises, welche die Bestandssituation der beiden Wiesenknopf-Ameisenbläulinge im Kreis zum Gegenstand hatte. Die Untersuchung diente der turnusmäßigen Erfolgskontrolle der Schutzmaßnahmen zur Erhaltung der beiden europaweit gefährdeten Tagfalterarten des Hellen und Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings. Beide Arten brauchen spezielle Bedingungen und sind deshalb auf besonderen Schutz angewiesen.
Gemeinsamer Einsatz gefordert
Das Land Hessen ist gesetzlich verpflichtet, sich um den Schutz der bedrohten Schmetterlingsarten zu kümmern, weshalb es Anfang Januar bereits ein Treffen zahlreicher Naturschutzbehörden und -verbände in Lautertal gab. Das Treffen im Rathaus der Gemeinde im Odenwaldkreis, wo es ebenfalls Vorkommen der betreffenden Tagfalterarten gibt, diente dazu, die Schutzmaßnahmen für die beiden Arten aufeinander abzustimmen.
Besondere Bedürfnisse
Beide Arten benötigen feuchte und ohne oder mit wenig Düngung bewirtschaftete Wiesen. Zudem müssen dort mit dem Großen Wiesenknopf eine bestimmte Pflanze und mit der Knotenameise eine bestimmte Ameisenart vorkommen – andernfalls können sich die Schmetterlinge nicht fortpflanzen.
Die beiden Arten tragen ihre Namen nicht zufällig, denn ein wichtiger Teil ihres Lebens spielt sich auf den Blütenköpfen des Großen Wiesenknopfes ab. Das ist eine Pflanze, die auf artenreichen, ungedüngten Wiesen wächst. Dort auf den Blütenknospen legen die Schmetterlinge ihre Eier ab. Nur wenn die Wiesen im Sommer drei Monate nicht gemäht werden, können sich die Raupen in den Blüten fertig entwickeln. Im Lauf des Sommers lassen sich die Jungraupen auf den Boden fallen. Dort bringen sie eine Knoten-Ameisenart dazu, sie zu adoptieren und in ihr Ameisennest zu tragen. Die Ameisen füttern und beschützen die Schmetterlingsraupen im Ameisennest. Dort fressen die Raupen jedoch nicht nur Ameisenfutter, sondern auch die Ameisenbrut.
In jedem Ameisennest kann sich in der Regel nur eine Raupe des Hellen Wiesenknopf-Ameisenbläulings entwickeln. Daher müssen für den Hellen Wiesenknopf-Ameisenbläuling größere Wiesen mit mehr Ameisennestern zur Verfügung stehen als für den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling. Jedoch werden die Blüten des Großen Wiesenknopfs im Sommer häufig abgemäht. Oft gibt es auch zu wenige Ameisennester in den Wiesen. Fehlen die Wiesenknopf-Blüten oder die Ameisen, können sich die Wiesenknopf-Ameisenbläulinge nicht mehr fortpflanzen. Deswegen sind die beiden Arten sehr selten geworden. Wo sie aber vorkommen, stehen sie für einen intakten Wiesen-Lebensraum. Auf den meisten Wiesen ist das jedoch nicht mehr gegeben. Denn für landwirtschaftliche Betriebe ist es schwierig, Wiesen in ihre Wirtschaftskreisläufe zu integrieren, die sie im Sommer nicht mähen und nicht düngen dürfen. Deshalb sind die beiden Schmetterlingsarten so selten geworden.
Vorkommen im Main-Taunus-Kreis
In der Untersuchung im Auftrag der Unteren Naturschutzbehörde des Main-Taunus-Kreises wurden sechs Flächen mit größeren Populationen der Wiesenknopf-Ameisenbläulinge im Kreisgebiet auf Vorkommen kontrolliert. Es handelt sich um die FFH-Gebiete „Daisbachwiesen“ bei Bremthal, „Krebsbachtal“ bei Ruppertshain (nördlicher und südlicher Teil), „Kickelbach“ von Fischbach, „Wiesen im Süßen Gründchen“ bei Neuenhain und „Sauerbordsbachtal“ bei Schwalbach. Während der Flugzeit der Ameisenbläulinge zwischen dem 15. Juli und dem 12. August 2024 wurde jedes der sechs Teilgebiete genau nach vorhandenen Ameisenbläulingen abgesucht. Bei allen Begehungen wurden jeweils sämtliche im Gebiet fliegenden Ameisenbläulinge gezählt und ihr Verhalten (Paarung, Eiablage) aufgenommen.
Bestände des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings
Die Bestände des Tagfalters lagen bei der Erhebung 2024 erheblich unter denen des Vorjahres – die Bestände waren „zusammengebrochen“ oder ganz verschwunden. Die meisten Tiere wurden dabei (leider) nicht mehr, wie in den Jahren 2021 bis 2023, im Gebiet „Süßes Gründchen von Neuenhain“ festgestellt. Es konnten nur insgesamt acht Falter beobachtet werden. Das war sowohl absolut, als auch bezüglich der aus dem Tagesmaximum berechneten Gesamtpopulation im Gebiet von nur noch 18 Exemplaren, der niedrigste Wert seit 2009.
Bestände des Hellen Wiesenknopf-Ameisenbläulings
Der Bestand des Hellen Wiesenknopf-Ameisenbläulings war nach einer vorübergehenden, leichten Erholung im Jahr 2022 bereits 2023 fast erloschen, auch wenn im FFH-Gebiet „Süßes Gründchen bei Neuenhain“ noch ein einzelner Falter nachgewiesen wurde. Aktuell konnten überhaupt keine Hellen Ameisenbläulinge mehr im Main-Taunus-Kreis festgestellt werden. Damit ist die Population der Art im Main-Taunus-Kreis, ähnlich wie im benachbarten Rheingau-Taunus-Kreis bereits vor einigen Jahren, offenbar erloschen.
Gründe für das Artensterben
Der überregionale Rückgang der Art in Südhessen ist offenbar in den Kreisen Main-Taunus und Hochtaunus besonders stark ausgeprägt. Mögliche Erklärungen liegen vielleicht in den wohl durch die fortschreitende Klimaerwärmung bedingten, extrem heißen Sommern der vergangenen sechs Jahre. Wie in den Vorjahren wurde auch 2024 wieder beobachtet, dass sich in allen untersuchten Vorkommen des Dunklen Ameisenbläulings die Nachweise fast ausschließlich in den feuchtesten Wiesenbereichen in der Nähe von Bachläufen konzentrierten.
Die ursprünglich wechselfeuchten Standorte werden offenbar von der Rotgelben Knotenameise teilweise geräumt und die frei werdenden Neststandorte von anderen Ameisenarten wie der Schwarzen Wegameise übernommen. Diese Art ist gegenüber einer Austrocknung der Wiesen wesentlich toleranter als die Knotenameise, kommt aber als Wirtsameise für die Ameisenbläulinge nicht in Frage. Wenn Arbeiter der Schwarzen Wegameise Raupen der Ameisenbläulinge finden, nachdem diese die Blütenköpfe verlassen haben, werden sie von diesen als Beute getötet. Die Vermutung, dass sich die Dunklen Ameisenbläulinge aus den meisten der jetzt stark ausgetrockneten Wiesenflächen an den Talhängen zurückgezogen haben könnten, erscheint nach diesen Untersuchungen wahrscheinlich.
Es bleibt abzuwarten, ob sich nach diesem zwar heißen, aber im Vergleich zu den Vorjahren sehr feuchten Jahr die Bestände noch einmal erholen können.
Bilanz stimmt traurig
Der Helle Ameisenbläuling konnte schon im Vorjahr nur noch durch einen einzelnen Falter im Süßen Gründchen nachgewiesen werden, die Population im MTK war also im Jahr 2023 bereits praktisch erloschen. Damit sind auch viele der kleinen Restpopulationen der Art, die noch erhalten sind, so stark isoliert, dass sie wahrscheinlich in den nächsten Jahren ebenfalls aussterben werden. Durch die Verinselung und Isolation dieser Populationen ist eine Wiederbesiedlung dann unwahrscheinlich oder sogar unmöglich.
Da jetzt auch im FFH-Gebiet „Süßes Gründchen von Neuenhain“ erstmals kein Nachweis der Art mehr möglich war, ist zu befürchten, dass sie aktuell im Kreisgebiet ausgestorben ist.
Auch die Frage nach sinnvollen Maßnahmen, um einem weiteren drohenden Rückgang der Population des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings entgegenzuwirken, ist nicht leicht zu beantworten. Geht man in anderen Teilen Hessens den Weg, Absprachen mit Landwirten zu treffen, um die Mahd entsprechend zu koordinieren und Aufklärungsarbeit zu leisten, ist im „Süßen Gründchen“ eigentlich bereits alles getan, um den Erhalt der Tagfalter-Population zu unterstützen. Seit mehreren Jahren haben sich die aktiven Mitglieder des NABU – Ortsgruppe Bad Soden um das „Süße Gründchen“ gekümmert, haben Pflegearbeiten koordiniert und Infotafeln aufgestellt – gegen den Klimawandel allerdings vermag auch das engagierte Team rund um den Vorsitzenden Günter Sieper nichts auszurichten.
„Auch im Süßen Gründchen, mit eigentlich idealen Habitat- und Nutzungsbedingungen, setzte sich damit der fast ungebremste Rückgang der Art im Vordertaunus fort“ (Zitat: Untersuchung im Auftrag der Unteren Naturschutzbehörde des Main-Taunus-Kreises). Empfohlen wird die fortgesetzte Pflege aller momentan gemähten Flächen im Talbereich, „um diesen Ideallebensraum für beide Arten auf Dauer in diesem hervorragenden Zustand zu erhalten“.
Ein größeres Lob kann es für die Arbeit des NABU in Bad Soden wohl kaum geben!