Aufarbeitung auf der Zielgeraden

Jürgen Wrona macht neugierig auf die Dokumentation zu der goldenen Ära der Geher, die er mit seinem Team erstellt.Foto: Lenz

Von Tatjana Lenz

Nun ist Jürgen Wrona kein Geher, sondern eher ein Läufer und vor allem ein Organisator. Sein Spezialgebiet der Eschathlon, der sich über viele Jahre hinweg einen Namen als das sportliche Ereignis für alle Kurz- und Langstreckenläufer gemacht hat. Ein Ruf, den sich der Stadtlauf-Verein als Ausrichter mühsam und mit viel Aufwand über die Jahre hinweg erarbeitet hat. Zu den Organisatoren und Vorstandsmitgliedern gehört Jürgen Wrona, der in Niederhöchstadt lebt, dem Marathonlauf als aktiver Teilnehmer aber inzwischen zurückhaltend gegenübersteht.

Ein Satz der alles veränderte

Stehen ist also das Stichwort für jenen denkwürdigen Tag, als er an der Laufstrecke des Eschathlon stand und ihm ein Läufer im Vorbeigehen zurief, dass man das „früher schon mal hatte und sogar besser“. Der Satz war gesagt, der Sprecher verschwand in der Menge, und bei Jürgen Wrona begann es zu arbeiten. Bei seinen Nachforschungen stieß er schnell auf die Zeit, als Eschborn noch eine Hochburg für die Leichtathletik-Sportart Gehen war. „Eigentlich dachte ich, dass das nicht länger als ein gutes halbes Jahr Zeit in Anspruch nehmen würde“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung rückblickend. Doch ganz so einfach war es dann doch nicht. Die besten Zeiten des Sports hatte Eschborn nämlich in der Zeit von 1963 bis 1993. Acht Deutsche Meisterschaften richtete die Stadt in dieser Zeit aus, 1970 und 1973 zusätzlich die Deutsche Marathon-Meisterschaft. 1970 und 1979 kamen zu den Deutschen, auch noch die internationalen Meisterschaften dazu-Eschborn im Olympia-Rausch.

Nun ist Gehen in der Sportwelt inzwischen eher eine Randsportart, dennoch schafften es die Eschborner in den goldenen Zeiten bis zu

16 000 Zuschauer dafür zu begeistern. Zum Vergleich: Im Dezember 2021 zählte Eschborn rund 21 000 Einwohner insgesamt. Für die 60er und 70er Jahre hätte die Zuschauerzahl also bedeutet, dass sich jeder Haushalt aufgemacht hätte, um die Sportler an der Strecke anzufeuern.

Wenig Informationen gibt es digital

Nun hat sich das Eschathlon-Team also selbst auf eine Art Marathon begeben, bei der es um die Suche nach Dokumenten, Zeitzeugen und Bildern geht. Das Archiv des Turnvereins Eschborn, der das Spektakel damals organisierte, gab nicht viel her. „Und auch im Internet findet sich dazu sehr wenig“, sagt Wrona. Und dann war Kommissar Zufall und sein Kollege Glück quasi mit im Spiel, so dass Wrona den Kontakt zu deutschen und internationalen Läufern und Mitstreitern dieser Zeit fand. Das Ziel, die Geschichte dieser Zeit für die Nachwelt aufzuarbeiten, war und ist ein mühsames Geschäft. „Wir haben Zeitzeugen gefunden und wollten sie auch zu Wort kommen lassen“, schildert der Organisator. Einer von ihnen ist Dieter Pawlak. Er war 30 Jahre lang aktiver Veranstalter des Gehen-Marathons. „Auch ihn haben wir gefunden“, schildert Wrona. Allerdings sei er noch vor einem Interview verstorben. Dabei hätte er sicherlich selbst auch noch viel zu erzählen gehabt, schließlich organisierte er insgesamt 14 Meisterschaften. Dafür habe sich aber seine Witwe bereiterklärt zum Interview und schilderte, was die Menschen zu dieser Zeit bewegte, welche Hürden zu nehmen waren und wie Eschborn das Gehen-Fieber packte. Auch andere Spitzensportler haben die Organisatoren gefunden und noch vor die Kamera gebracht.

Kaum vorstellbar, doch um eine solche internationale Meisterschaft auszurichten, musste sogar die Deutsche Bundeswehr aktiv werden und kilometerlange Telefonkabel verlegen. Schließlich sollte kein Geher unterwegs verlorengehen. Darauf haben zum Beispiel auch die „Begleiter“ der ehemaligen DDR-Sportler geachtet.

Hinsichtlich der schriftlichen Dokumentationen bedeutete die Recherche sehr viel Aufwand. Noch schwieriger war es bislang, auch Foto-oder Videomaterial zu bekommen, weshalb Wrona nun auf die Mithilfe der Bevölkerung hofft. Denn sehr gerne würden die Organisatoren des Eschathlons diese besondere Zeit für die Nachwelt festhalten, und zwar in allen verfügbaren Formen. „Das ist ein einzigartiger Teil der Eschborner Geschichte“, ist Wrona überzeugt.

Seitens der Heimatkundler und der Stadt gab es schon die Zusage für weitere Unterstützung, nun fehlt es aber noch an der Hilfe durch die Bevölkerung. Bis zum kommenden Jahr soll die Dokumentation und Recherche möglichst abgeschlossen sein. „Dann wollen wir das Ergebnis präsentieren und entsprechend der Öffentlichkeit zugänglich machen", sagt Wrona abschließend.

Drei Jahre Detektivarbeit sind dann vergangen und insgeheim hofft der Organisator auch, dass der damalige Läufer diese Zeilen liest und sich meldet. Denn er hat mit nur einem einzigen Satz den Stein des Anstoßes gegeben. Das vorläufige Ergebnis zeigt schon jetzt: Es hat sich gelohnt. Wer Fotos aus der privaten Sammlung für die Dokumentation zur Verfügung stellen möchte, der kann sich unter Telefon 0152 53521841 oder per E-Mail an j.wrona[at]eschathlon[dot]de wenden.



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