Theater in der Eichendorffschule: „The Fair Maid of the West oder Eine abenteuerliche Liebe“

Bess muss sich der Avancen des Sultans von Fez erwehren. Fotos: Ackermann

Kelkheim
(tub) – So karg die Bühne, umso beseelter und geradezu stürmisch der Auftritt: Mit „The Fair Maid of the West oder Eine abenteuerliche Liebe“ hat sich die Theater-AG der Eichendorffschule in Kelkheim am vergangenen Sonntag im Theatersaal der Schule zu neuem Leben nach Corona erweckt. Das Stück aus der Feder von Thomas Heywood, eines Zeitgenossen William Shakespeares, ist eine Entdeckung von Brigitte Hofmeister-Zey, die die Theater AG von 1981 bis Ende des vergangenen Jahres geleitet hat.

Drama um Liebe und Glück

Sie hat das Stück nicht nur aus dem gesunkenen Fundus der englischen Theaterwelt geholt, sondern ihr Ehemann Detlef Hofmeister hat es auch ins Deutsche übertragen. So war das, was sich am vergangenen Sonntag auf der Bühne der Eichendorffschule entfaltete, nichts Geringeres als die deutsche Erstaufführung dieses Dramas um Liebe, Glück, ein erfolgreiches Leben und nicht zuletzt die Ehre und damit die Selbstachtung von Mann und Frau, die sich mit Selbstüberwindung und Todesmut in das Gedächtnis der Welt eintragen.

Doch der Premieren nicht genug: Mit dem ersten Auftritt der „Fair Maid of the West“ hat der neue Leiter der Truppe, Maximilian Rübner, sein Debüt als Regisseur gegeben – und zugleich eine der Hauptrollen eingenommen. Eigentlich hätte die Premiere schon vor drei Jahren stattfinden sollen. Doch die Coronapandemie hat auch hier ein Intermezzo bewirkt, das trotz einer Dauer von drei Jahren den Elan der Theatertruppe nicht geschmälert hat.

Im Gegenteil: Die Darsteller, inzwischen gar keine Schüler mehr, haben ihr Abitur gemacht, eine Ausbildung oder Studium begonnen und stehen zum Teil schon vor dem Abschluss. Was Zeit genug binden mag, aber nicht so viel Zeit, dass die Bretter, die die Welt bedeuten können, vergessen oder abgeschrieben wären.

Noch während der Coronapause haben sie sich per Videokonferenz zusammengesetzt, über das Stück gesprochen und begonnen, Szenen einzustudieren. Und als sich das Quarantäneregime zu lockern begann, konnte die Probenarbeit in der Aula, dem Aufführungsort des Stückes, wieder aufgenommen werden.

Allen Versuchungen widerstanden

Die „fair maid“ dieser abenteuerlichen Liebe ist Bess Bridges, die sich vielleicht nicht höherer Abstammung rühmen kann, aber gerühmt wird wegen ihrer Schönheit, ihres überwältigenden Charmes und ihrer legendären Tugendhaftigkeit. Die denn auch auf schwerste Probe gestellt werden soll, welche ein Leben im 17. Jahrhundert zu bieten hatte. Bess arbeitet in einer Taverne in Plymouth, wo einer der Gäste, Spencer, so unsterblich in sie verliebt ist, dass er einen anderen Gast, der Bess beleidigt, in aufwallendem Affekt beim Duell mit dem Degen tötet.

Um der Bestrafung – Duelle waren damals schon verboten – zu entgehen, muss er fliehen und nimmt ein Schiff gen Übersee. Er bittet Bess, die seine Zuneigung erwidert, seine Weinstube in dem Örtchen Foy zu übernehmen. Die treue Bess geht das Wagnis ein, das Lokal mit seinen nicht zimperlichen Gästen zu betreiben. Eine erste Bewährungsprobe ihrer Tugend und Standhaftigkeit in einem Leben mit strapaziösen Sitten lässt nicht lange auf sich warten. Ein Gast namens Rauhbein, der sich rühmt, mit seiner Lebensweise seinem Namen alle unrühmliche Ehre zu erweisen, glaubt, dass Bess ihm nur willfahren könne. Doch weit gefehlt. Die tapfere Bess nimmt die Herausforderung an in der Gewissheit, dass Großsprecher letztlich Feiglinge sind. So verkleidet sie sich als Mann, stellt das Rauhbein, und es gelingt ihr, den Unhold so sehr zu erniedrigen, dass er zu ihrem Gefolgsmann mutiert.

Unterdessen kehrt Goodlack, der Kapitän des Schiffes, das Spencer auf die Azoren gebracht hat, zurück und überbringt Bess die Botschaft, dass ihr geliebter Spencer ums Leben gekommen ist. Worin er sich täuscht. Zwar ist Spencer bei einem Gefecht schwer verwundet worden, hat aber die Verletzungen überstehen können. Goodlack ringt derweil mit seinem schlechten Gewissen als Überbringer der schlimmen Todesnachricht. Denn nun will er seinerseits versuchen, ob sich Bess versuchen lässt. Und das aus purer Gewinnsucht: Spencer hatte Bess als seine Erbin eingesetzt, wenn sie ihm treu bis in den Tod bliebe. Wenn nicht, sollte das Erbe an Goodlack übergehen. Doch Bess besteht auch diesen Test und erringt Goodlacks Bewunderung. Ihre Tugend zeigt sich nun umso berührender, als sie das überlassene Vermögen dafür einsetzt, ein Schiff anzuheuern, mit dem sie den Leichnam des Geliebten nach England holen will.

Unterdessen ist Spencer die Flucht nach Marokko gelungen. Der Zufall (des in Abenteuerfantasien verstrickten Stückeschreibers) will es, dass es Bess und ihre Crew als Schiffbrüchige nach Fez verschlägt – dorthin, wo Spencer inzwischen eingetroffen ist. Mullisheg, Sultan von Fez, wird die Kunde von der unbeschreiblich schönen Bess überbracht. Er entbrennt in Liebe zu der Fremden und will sie zu seiner Geliebten machen – aber auch er vergeblich: Bess bleibt sich und ihrem Spencer treu.

Die beiden kommen denn auch wieder zusammen, aber neues Unheil lässt nicht lange auf sich warten. Tota, Mullishegs Gemahlin, will nicht zurückstehen und begehrt Spencer. Ein Intrigengewirr entsteht, mit dem die marokkanischen Gastgeber ihre amourösen Ziele zu verwirklichen suchen. Aber die englischen Gäste verstehen es, das Intrigenspiel auf die Spitze zu treiben: In dunkler Nacht bringen sie Mullisheg und Tota zusammen, die in ihrem Liebesrausch glauben, eine unvergleichliche Nacht mit den Angebeteten zu erleben.

Jetzt geht es darum zu entkommen. Bess und Goodlack gelingt die Flucht auf das Schiff, doch Spencer wird vom Großwesir, Pascha Joffer, gefasst. Spencer kann den Großwesir überzeugen, ihn freizugeben, damit er sich von Bess verabschieden kann. Er verspricht Joffer, unter allen Umständen zurückzukehren – was er denn auch einhält. Obwohl ihn Bess und Goodlack anflehen, das Geschenk der Freiheit zu nutzen, um sich in Sicherheit zu bringen. Doch die Verpflichtung seines Ehrenworts ist Spencer so heilig bindend, dass er, obwohl immer noch unsterblich in Bess verliebt, in die Hände von Joffer zurückkehren will.

Der verschlungenen Pfade dieser abenteuerlichen Geschichte nicht genug: Dem Stückeschreiber Heywood fällt noch eine weitere Volte ein, die sich überschlagenden Wechselfälle dieser Abenteuer zu steigern: Bess und Goodlack machen ihrerseits kehrt, um dem Sultan von Fez ihr Leben für das von Spencer anzubieten. So viel Edelmut und Opfersinn überwältigt den Sultan. Er kann nicht anders, als seinen englischen Gästen die Freiheit zurückzugeben. Und er beschenkt sie obendrein orientalisch üppig.

Das Abenteuer aus unendlich vielen Gefahren und lebensbedrohlichen Wechselfällen findet sein glückliches Ende. Thomas Heywood hat seinem Namen, ein ingeniöser Erfinder von Theaterschicksalen zu sein, alle Ehre gemacht und das Genre der sogenannten „Mantel- und Degen-Komödien“ um ein Glanzstück erweitert.

Ein eingespieltes Team

Solche Dramen der ewigen Liebe entfalten sich immer in wechselvollsten Abenteuern vor exotischer Kulisse – in der Aula der Eichendorffschule als grandios gespieltes Leidenschaftspanorama, das auf üppige Ausstattung aus naheliegenden Gründen verzichten muss. Schülertheater kann keine Hollywood-Perspektive bieten. Doch umso besser, umso überzeugender die schauspielerische Leistung der jungen Truppe, umso gewinnender ihr Spirit und die Begeisterung am darstellenden Spiel, das sich im Kontrast zu den kaum geschmückten Theaterbrettern umso mächtiger entfaltet. Kein Wunder, dass das Publikum begeistert Beifall klatschte, dankbar für diesen bewegenden Theaterabend.

Neben Maximilian Rübner, dem Leiter der Theater-AG, der den Sultan gibt, sind Nicola Krug als Bess Bridges, Sebastian Rübner als Spencer, Kevin Klein als Kapitän Goodlack und ferner Jasmin Spielmann zu nennen, die mal die Dienerin Clare, mal eine um ihre Worte ringende Pförtnerin gibt. Außerdem Rauhbein Jago Ecknig, Lukas Stöhr als Pascha Joffer sowie Daniel Schwingel, der gleich fünf Rollen – zum Beispiel als Chirurg, Bandit oder Henker – übernommen hat, und last but not least Isabell Reiter als Königin Tota.

Aber auch wiederum Brigitte Hofmeister-Zey für ihren Einfallsreichtum bei der Dramaturgie, Kathrin Schneider für die stilgerechten wundervollen Kostüme und die vielen jungen Frauen und Männer bei der Gesamtgestaltung und technischen Bewältigung dieser eindrucksvollen Inszenierung. Einen besonderen Auftritt hat überdies Martin Eichler, der nicht nur die begleitende Musik komponierte, sondern auch als Chorus wie in der griechischen Tragödie die rasant fortschreitende Handlung in ihren Zeitsprüngen und Ortswechseln dramatisch zusammenfasst.

Besonders freut sich AG-Leiter Rübner auch darüber, dass Nachwuchs aus der Schülerschaft bereitsteht, in künftige Rollen zu schlüpfen und dieses Mal auch bei der Bedienung der Technik eine unverzichtbare Rolle spielt. Ihre Bedeutung weiß Rübner nicht zuletzt deshalb richtig einzuschätzen, als er selber als Schüler der Theater-AG bis zu seinem Abitur 2008 angehörte. Und der AG seither verbunden blieb, auch wenn er inzwischen, nach dem Studium, als Gewerbekundenberater einer Sparkasse arbeitet.

Weitere Termine

Die „Fair Maid of the West” wird noch zweimal zu sehen sein: am Samstag, 28. Januar, um 19 Uhr in der Eichendorffschule sowie am Sonntag, 29. Januar, um 16 Uhr.

Die Theater-AG empfiehlt, Karten entweder über das Internet (www.theater-kelkheim.de) oder telefonisch unter der 06195-9944182 zu bestellen. Die Karten kosten zehn Euro. Schüler und Studenten zahlen sechs Euro, angemeldete Schülergruppen fünf Euro je Theatergast.

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