Branchentreffen „Innenstadt“ – viele Fragen und neue Ideen

Königstein
(gs) – In der vergangenen Woche fand am Dienstagabend das 1. Branchentreffen „Innenstadt“ auf Einladung der Stadt Königstein statt. Insgesamt hatte Jörg Hormann, Leiter des Bereichs Stadtmarketing und Wirtschaftsförderung, fast 200 Einladungen ausgesprochen – immerhin ca. 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den Reihen der Gewerbetreibenden konnte er zu der Veranstaltung um 18.30 Uhr begrüßen. Die Resonanz zu dieser Veranstaltung war damit höher als zu den vorangegangenen Gesprächen ähnlichen Formates, was erfreulich war und sicher der Aktualität des Themas „Innenstadtgestaltung und Verkehrsdrehung“ geschuldet war. Dass es nicht mehr Teilnehmer waren, lag nach Aussage einiger „betroffener“ Geschäftsinhaberinnen und -inhaber an dem gewählten Zeitpunkt, der mitten in der Urlaubs- und Ferienzeit anberaumt war – ob des scheinbar dringenden Gesprächsbedarfs (viele Gewerbetreibenden sind mit den Auswirkungen der Verkehrsdrehung mehr als unzufrieden) hatte sich die Stadt jedoch für einen „zeitnahen“ Gesprächstermin entschieden. Im Rahmen der Veranstaltung wurden drei Situations-Vorträge gehalten, die im Anschluss in einer Podiumsdiskussion mit dem Publikum besprochen und diskutiert wurden.

Vom Parkplatz zum „Platz im Park“

Bürgermeister Leonhard Helm begrüßte die Gäste im Haus der Begegnung (HdB) und bedankte sich für die große Resonanz auf die Einladung zu einem Thema, dass die Menschen in Königstein „umtreibe“. In seiner Begrüßungsrede warb er mit den (Projekt-) Bildern einer neu gestalteten Konrad-Adenauer-Anlage und des Kapuzinerplatzes für die Fortsetzung des Verkehrsversuches und einen Blick auf das „große Ganze“, anstatt sich über die temporären und zum großen Teil vorläufigen Maßnahmen, die seit dem Frühjahr mittels Verkehrsdrehung in der Georg-Pingler-Straße getestet würden, über Gebühr aufzuregen. Der Fokus der neuen Planungen liege, so Helm, auf den Themen Barrierefreiheit der Bussteige, einer höheren Aufenthaltsqualität und damit einhergehend der Aufwertung des öffentlichen Raumes, von dem schließlich alle Bürgerinnen und Bürger profitierten. Die Auswertung von, in der Innenstadt erhobenen, Handy-LogIn-Daten zeige, dass sich mehr Besucher in der Innenstadt aufhielten, als man allgemeinhin denke. Problematisch sei jedoch die Abfolge der jüngst durchlebten Krisen (Coronapandemie, Ukrainekrieg, Inflation), die die Menschen ängstigten und zu extremer Konsumzurückhaltung führten. Grund für fehlende Umsätze seinen zum größten Teil eben diese Krisen, die es zu meistern gelte und für deren Bewältigung er gemeinschaftliche Lösungen anmahnte.

Zahlen lügen nicht

Zum Thema „Situation der Innenstädte“ hatte Hormann Patrick Marquard vom Handelsverband Hessen eingeladen. Marquard hatte viele Zahlen im Gepäck, die zusammengenommen nichts Gutes verhießen: Die allgemeine Lage des hessischen Einzelhandels ist bedrückend! Mit mehr als 7.000 Mitgliedern steht der Verband im ständigen Austausch und bietet u.a. das Förderprogramm „Zukunft Innenstadt“ an. Marquard konnte berichten, dass die Erwartungshaltung des Einzelhandels für das Jahr 2022 nach Beendigung der Coronapandemie eigentlich recht positiv ausfiel. Eine Eintrübung erfolgte im Sommer – 45% der Befragten gaben an, dass sie für die folgenden Quartale mit rückläufigen Umsätzen rechneten. Preissteigerungen führten branchenübergreifend zur Verunsicherung der Verbraucher, was die Umsatzrückgänge erkläre. „Die Unsicherheit im Einzelhandel ist so stark wie seit 1994 nicht mehr“, lautete sein Resümee. Der Handel, so führte er an, sei der größte „Innenstadtakteur“ und Frequenzbringer – er diene als Treffpunkt und schaffe Atmosphäre. Die Zukunft der Innenstädte liege, so Marquard, in aktiver Gestaltung. Die Innenstädte veränderten sich und müssten dabei der „urbanen Mobilität“ Tribut zollen. Autoorientierte Städte seinen „tot“, Fußgängerzonen und ein leistungsfähiger Personennahverkehr stehen im Trend. Ziel einer Neugestaltung von Innenstädten müsse die Vermeidung von Verkehr sein. Dazu müssten alle Interessengruppen an einer Neuordnung der Innenstädte beteiligt werden, wobei ein regelmäßiger Gedankenaustausch elementar sei.

Empfehlung zur Fortführung des Verkehrsversuchs

Auch Dipl. Ing. Claas Behrend vom Planungsbüro IMB Plan war bei dem Branchentreffen zugegen und erläuterte erste Ergebnisse aus dem laufenden Verkehrsversuch rund um die Konrad-Adenauer-Anlage (KAA). Das Planungsbüro begleitet die Innenstadtplanung seit vielen Jahren und ist für die Planung der „Verkehrsdrehung“ verantwortlich. Das zentrale Resümee zum laufenden Verkehrsversuch lautete: Es läuft besser als gedacht! Der eingeschlagene Weg, so führte er an, ziele auf eine Reduzierung des Verkehrsaufkommens rund um die KAA, eine Neuordnung der Bushaltestellen sowie deren barrierefreier Ausbau. Eigentlich, so sei festzuhalten, sei man auf einem guten Weg, diese Anforderungen zu erfüllen. Der Verkehr in der Georg-Pingler-Straße sei deutlich geringer geworden, die Bushaltestellen sind neu „sortiert“ – wenn auch mit deutlichem Verbesserungsbedarf bei den parkenden Bussen in der Adelheidstraße – und der Ausbau der barrierefreie Ausbau der Haltestellen nur an den aktuellen Haltepunkten sinnvoll umsetzbar. Aktuell sei man dabei, die Rückmeldungen aus der Bevölkerung zu analysieren und Verbesserungsbedarf herauszuarbeiten – dazu gehören die (temporären) Staus auf der Frankfurter Straße und die Verkehrsabläufe an der „abknickenden Vorfahrt“ zur Adelheidstraße und in Richtung B8. Aus Sicht des Planungsbüros empfiehlt Behrend die Fortführung des Verkehrsversuchs bis mindestens Dezember – besser bis zum Frühjahr 2023. In dem Verlauf sollen auch Verbesserungen und Optimierungen getestet werden. Darüber hinaus sieht er die Notwendigkeit zur Anpassung der Parkregeln und deren Einbeziehung in den Versuch.

Sorgen der Gewerbetreibenden

Es war an Martin Neubeck, Vorsitzender des Handwerker- und Gewerbevereins e.V. (HGK), aus dem breiten Erfahrungsschatz der Königsteiner Gewerbetreibenden zu berichten und kurzfristige Änderungen anzumahnen. Der HGK sieht in dem aktuell durchgeführten Verkehrsversuch einen ausschlaggebenden Grund für die Kundenzurückhaltung und die damit verbundenen Umsatzeinbrüche von bis zu 70% im 2. Quartal. In den Gesprächen mit ihren Kunden hörten die Gewerbetreibenden immer wieder von einer „Unzumutbarkeit“ des Wegfalls der kostenlosen Kurzzeitparkplätze in der Georg-Pingler-Straße und der Adelheidstraße sowie dem „Verkehrschaos“ an der neuen abknickenden Vorfahrt. „Es mache keinen Spaß mehr, nach Königstein zu fahren“, zitierte Neubeck einige Kunden. Viel früher, so merkte er an, hätte man auf den Wegfall der Parkplätze hinweisen und Alternativen anbieten müssen. Das Parkhaus unter den Supermärkten sei – besonders bei den älteren Mitbürgern – unbeliebt und werde nicht genutzt. Darüber hinaus sei der Versuch optisch wenig ansprechend und der Lärmpegel rund um die Kreuzung Georg-Pingler-Straße/Klosterstraße deutlich gestiegen. Er legte jedoch nicht nur dar, was für die Einzelhändler der Stadt wichtig sei, sondern lieferte auch Lösungsvorschläge, die zumindest einer Diskussion wert seien
(siehe Bericht in dieser Ausgabe)
. Es sei mehr Kreativität gefragt, so Neubeck, denn wenn die Einzelhandelsgeschäfte mangels Kunden erst einmal weg seien, dann kämen nur sehr wenige wieder.

Podiumsdiskussion

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion standen Tina Blome (HGK), Patrick Marquard (Handelsverband Hessen), Claas Behrend (IMB Plan), Bürgermeister Leonhard Helm und Gerd Böhmig (Stadtplanung) den anwesenden Gewerbetreibenden Rede und Antwort. Die Fragen und Anregungen, mit denen sie sich auseinandersetzten mussten, waren ebenso vielfältig wie herausfordernd. Obwohl es von einer Seite auch Lob für die Durchführung und positiven Auswirkungen des Verkehrsversuchs in punkto „Lärm in der Georg-Pingler-Straße“ gab, wurde sehr viel Kritik an Maßnahmen und Umsetzung geübt. Thema waren nicht nur die Umsatzeinbrüche aufgrund von fehlenden Parkmöglichkeiten, sondern auch rasende Busfahrer im unteren Teil der Hauptstraße oder die optischen Auswirkungen der haltenden Linienbusse auf den Gesamteindruck rund um die KAA. „Das Thema Bus nimmt zu viel Platz in der Stadt ein!“ war ein Diskussionsbeitrag, der viel Zustimmung fand. Die betroffenen Podiumsmitglieder warben für etwas mehr Geduld und merkten mehr als einmal an, dass es sich bei dem Verkehrsversuch um ein „Zwischenstadium“ handele, dem noch viele Ausbaumaßnahmen folgen werden – wenn der Versuch denn Erfolg habe. Der ÖPNV, so war zu vernehmen, werde tendenziell mehr werden, weswegen eigentlich mit mehr als den aktuell geschaffenen acht Haltestellen geplant werden müsse, so Dipl. Ing. Behrends (IMB Plan) – hier müsse man schon heute „die Zukunft mitdenken“.

Tina Blome gab zu bedenken, dass es nicht NUR um das Befinden von Bürgern und Kunden gehe, sondern dass auch die Gewerbetreibenden von ihren Geschäften leben müssten, diese jedoch teilweise in ihrer Existenz bedroht seien. Um die Innenstadt nachhaltig zu beleben, müssten mehr Erlebnisse geschaffen werden, um den Kunden einen Anreiz zum Besuch der Innenstadt zu geben – hier seien das Stadtmarketing und die Wirtschaftsförderung gefragt!



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