Corona-Lockerungen „wichtig für das seelische Gleichgewicht!“

Am späten Montagnachmittag zeigte sich im Gegensatz zu den letzten Wochen ein Bild, das fast schon wieder ein Stück weit das Gefühl der Normalität aufkommen ließ Foto: Puck

Königstein (pu) – „Wir haben geöffnet!“ Drei Worte, die sowohl vom Königsteiner Einzelhandel als auch von der örtlichen Bevölkerung seit dem endgültigen Lockdown am 23. März, der darauf zielte, die Corona-Pandemie durchschlagender einzubremsen, sehnsüchtig erwartet wurden.

Trotz weiterhin geltendem bundesweiten Kontaktverbot bis vorerst Sonntag, 3. Mai, haben seit Montag im ersten Schritt zur Lockerung der strikten Beschränkungen auch in der Burgenstadt kleine und mittlere Geschäfte mit einer Verkaufsfläche bis zu 800 Quadratmetern unter der Auflage wieder geöffnet, strenge Schutzkonzepte mit Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten sowie Warteschlangen zu vermeiden. Als Richtwert gilt, pro angefangene 20 Quadratmeter für den Publikumsverkehr zugängliche Fläche darf sich nur ein Kunde im Laden aufhalten, um einen Abstand von mindestens 1,5 Metern zwischen Personen sicherzustellen. Besteht die Gefahr einer Unterschreitung, etwa in Kassenbereichen, müssen Trennvorrichtungen vorgesehen werden. Unabhängig von ihrer Größe durften Kfz- und Fahrradhändler, Buchhandlungen, Bibliotheken und Archive im Gegensatz zu Restaurants und Gaststätten ihre Pforten ebenfalls wieder aufschließen. Für die beiden letztgenannten Betriebe sind wie bisher lediglich Bestellungen zum Mitnehmen und Lieferungen möglich. Entgegen kamen die politischen Entscheidungsträger den Betreibern von Eisdielen durch die Erlaubnis, sowohl Ware ausliefern als auch an der Theke – bei Einhaltung der Abstandsregeln – verkaufen zu können, allerdings nur im Außer-Haus-Verkauf und ohne das Anbieten von Sitzgelegenheiten. Um Konflikte mit dem Abstandsgebot zu vermeiden, ist strikt untersagt, im Umkreis von 50 Metern Eis zu verzehren. Friseure dürfen ihre Läden ab Montag, 4. Mai öffnen. Auch für sie gelten Hygiene- und Schutzmaßnahmen.

Erster wichtiger Schritt

Selbstredend kann alles andere als von einer Rückkehr zur bis März gekannten Normalität die Rede sein. Nichtsdestotrotz sind die Lockerungen ein „wichtiger Schritt für das seelische Gleichgewicht“, wie es Anne Pfenninger von der MillenniuM Buchhandlung treffend umschrieb. Darüber hinaus bewertet sie die Neuregelung als deutliche Entspannung, weil die Kunden nunmehr nicht mehr aus herausgelegten Bücherstapeln oder online nach dem Passenden suchen müssten, sondern wieder selbst die komplette Auswahl in prüfenden Augenschein nehmen können. Diesen Ball nahm ihr Bruder, Thomas Schwenk, auf. Er zählte zu den Glücklichen, die in den letzten Wochen zwecks Zeitungs- und Zeitschriftenversorgung nicht komplett schließen mussten; mit dem zusätzlich wieder anlaufenden Betrieb zeigte er sich am Montagmittag zufrieden. Gleichwohl wissen er und die anderen Königsteiner Gewerbetreibenden um die von Kanzlerin Merkel in aller Deutlichkeit erwähnten Gefahren. Deshalb setzt Schwenk seinem Sorgfaltspflichtverständnis nachkommend, in Eigenregie weitere Grenzen, um im Sinne der Allgemeinheit keinen Rückschlag zu riskieren.

Großes Verständnis

„Eigentlich dürften sich bei unserer Räumlichkeiten-Größe den Vorgaben entsprechend 15 Kunden gleichzeitig im Laden aufhalten. Wir haben das jedoch selbst auf maximal zehn Kunden begrenzt und das klappt bisher ganz gut. Nach meiner Beobachtung haben die Menschen großes Verständnis für die Ausnahmesituation, dass alles etwas anders sowie langsamer vorangeht.“

Das sei zum Teil auch auf die momentan knappe Personaldecke zurückzuführen, denn zum Schutz aller verzichtet der Firmenchef aktuell vorsichtshalber auf Mitarbeiter, die entweder selbst zu Risikogruppen zählen oder Verwandte haben, die diese Sorge haben müssten. Last not least sind aktuell die Öffnungszeiten montags bis freitags auf 9 bis 13 Uhr und 15 bis 18 Uhr geändert.

Ein ähnliches Bild zeichnete Wolfgang Ernst, Inhaber des gleichnamigen Herrenausstatter-Geschäfts. „Wir haben uns vorbereitet und schon letzte Woche neu dekoriert. Nichtsdestotrotz sehen wir der neuen Situation gelassen entgegen.“ Als besonderes Bonbon will er Kunden, die eine Wartezeit in Kauf nehmen müssen, eine Tasse Kaffee spendieren.

In diesem Zusammenhang wirbt Wolfgang Ernst dafür, trotz aller teils existenzbedrohender Lage nicht den Mut und den Zweckoptimismus zu verlieren. „Jeder hat sicher mal einen Tag, an dem die Verzweiflung die Oberhand zu gewinnen scheint, aber dagegen sollte man ankämpfen. Mit einem Lächeln lebt es sich bekanntlich viel leichter!“

Blick voraus

Auch Bekleidungsgeschäft-Inhaberin Tina Blome will den Kopf nicht in den Sand stecken, sondern wirft den Blick bereits voraus. Sobald wie möglich soll nach Aufheben der Beschränkungen aus ihrer Sicht in Zusammenarbeit von Stadt, Einzelhändlern und Königsteiner Woche ein dreitägiges Fest mit Laufsteg, verkaufsoffenem Sonntag und weiteren Attraktionen stattfinden. In der aktuellen Situation sieht sie zwiegespaltene Reaktionen in den Reihen der Einzelhändler. Einerseits Freude ob der gewährten Chance zur Wiederbelebung der Geschäftswelt, andererseits auch die nicht nur sie quälende Sorge der womöglich zu früh datierten Lockerungen.

Obwohl auch im örtlichen stationären Modehandel in den letzten Wochen die Möglichkeit der Lieferung zuvor bestellter Ware nach Hause bestand, konnten starke finanzielle Einbußen dem Vernehmen nach keineswegs vermieden werden. Über allem schwebt die trotz der teils gewährten Soforthilfen und Kredite ungewisse Prognostizierbarkeit der Zukunft.

Hoffen auf schönere Tage

„Über die neuen Lockerungen sind tendenziell die Einzelhändler in gemieteten Immobilien besonders glücklich“, fasste der Vorstandsvorsitzende des Handwerk- und Gewerbeverein (HGK), Martin Neubeck, die ihn erreichten ersten Reaktionen zusammen. Ungeachtet dessen stecke keiner diese schweren Zeiten mühelos weg. Mit Blick auf die voraussichtlich ausfallenden Veranstaltungen und Feste bis mindestens Ende August ruht die Hoffnung auf dem für Mitte September geplanten Oktoberfest. „Es gibt Mittel und Wege, Besucherströme zu leiten und wir setzen alles daran, damit es in Königstein wieder schöne Tage gibt“, versprüht Neubeck ein wenig Optimismus. Seine Sorge gilt neben den Einzelhändlern vor allem den gastronomischen Betrieben. „Dort ist die Situation schon extrem angespannt!“

So viel Normalität wie möglich

All diese Probleme und Herausforderungen vor Augen setzt sich der städtische Wirtschaftsförderer Jörg Hormann ebenfalls nach Kräften für die Gewerbetreibenden ein. So organisierte er unter anderem, dass Königsteiner Schneider Alltagsmasken, die ab 27. April in Hessen zur Pflicht werden, für den Einzelhandel produzieren (siehe auch weiteren Bericht in dieser Ausgabe). Des Weiteren ist es ihm ein Anliegen, „an vielen Stellen so viel Normalität wie möglich zurückzuholen!“ Vor diesem Hintergrund sollen zeitnah alle städtischen und nichtstädtischen Veranstaltungen, die noch nicht abgesagt oder in den Herbst verlegt wurden, dahingehend abgeklopft werden, ob unter Umständen unter Berücksichtigung der Corona-Beschränkungen andere Formate denkbar sind.

Nun ist jeder Einzelne gefordert, die Chancen der Lockerungen zu ergreifen, dabei jedoch mitnichten die strikten Auflagen außer Acht zu lassen, um persönlich dazu beizutragen, dass einerseits der örtliche Handel erhalten bleibt, andererseits ein neuerlicher Lockdown in jedem Fall verhindert wird.



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