Martin Schreck: „Es gelingt mir immer wieder, gelassener zu werden“

Seit 30 Jahren das Gesicht des MTVs: Martin Schreck. Foto: Westenberger, privat

Kronberg (mw) – Es war eine einschneidende Erfahrung, die den leidenschaftlichen Turner zum Innehalten zwang und nicht nur ihn, sondern auch viele um ihn herum zum Nachdenken über ihr eigenes Leben brachte. „Bei mir wurde zufällig entdeckt, dass ich direkt vor einem Herzinfarkt stand und es wurde sofort gehandelt.“ Ein Einschnitt für den Geschäftsführer des MTV-Vereins, der dort übrigens dieses Jahr sein 30-jähriges Jubiläum feiert und als Übungsleiter in der Abteilung Turnen von den Kleinsten bis zu den Senioren allen Altersgruppen bekannt ist. Keiner wollte es glauben, wie kann denn das sein bei einem Vollblutsportler? Doch Martin Schreck musste schmerzlich am eigen Leib erkennen, dass eine erbliche Disposition sich durch einen gesunden Lebenswandel nicht aufheben lässt, und er um eine große Bypass-Operation nicht herum kam. „Heute weiß ich, ich habe unheimlich viel Schwein gehabt.“ Seitdem ist Martin Schreck bewusst geworden, dass das Leben ein Geschenk ist, und das es gilt, aus dem Geschenk etwas Vernünftiges zu machen, für sich, aber für andere auch. Wer Martin Schreck kennt weiß aber, dies hat er eigentlich von Beginn seines Fulltime-Jobs beim MTV-Verein gelebt: Anpacken, ansprechbar sein, Hilfestellung geben, nicht nur beim Turnen, auch wenn es zwischenmenschlich mal hakt. „Wer auf das Gemeinwohl achtet, wer ehrenamtliches Engagement einfordert, der muss das selbst bis zu einem gewissen Maß vorleben, das ist doch klar.“ Damals, vor 30 Jahren, als Martin Schreck nach abgeschlossenem Sportlehrer-Studium in Mainz und erfolgloser Suche einer Lehrer-Stelle beim MTV vom Übungsleiter zum „Mädchen für alles“ aufstieg, nachdem der neu gewählte Vorstand einsah, dass der damals schon 2.500 (heute 3.800 Mitlgieder) zählende Verein nicht mehr allein von Ehrenamtlern geführt werden kann, brachte er auch ein heimliches Vorbild mit den Verein. „Das war Wolfram Wendt, ihm habe ich sehr viel zu verdanken“; erzählt er. „Er war mein Sportlehrer damals an der Altkönigschule. Er hat mich sehr geprägt. Ich weiß gar nicht, ob ich sonst Sportlehrer geworden wäre.“ Irgendwann habe er allerdings erkannt, dass er seinen eigenen Weg als Übungsleiter gehen muss. „Ich habe nicht länger versucht, ihn krampfhaft zu imitieren.“ Bei Wendt habe ihn vor allem die breite Bildung beeindruckt. „Das hat mir unheimlich imponiert, seine Geistesbildung bei gleichzeitiger Herzensbildung“. Doch auch Martin Schreck ist wissbegierig, wenn er auf ein Thema stößt, das ihn interessiert. Das kann das Gartenwesen genauso sein, wie die Kunstgeschichte. Und inzwischen ist auch die Philospophie hinzugekommen, mit der er sich während seines Studiums noch gar nicht auseinandergesetzt hat. Aber alles hat eben seine Zeit, da ist er sich sicher, und wirkt fast schon tiefenentspannt. Doch wenn dann die Handwerker in sein MTV-Büro hereinschneien und es die nächsten Termine für die begonnenen Renovierungsarbeiten und Großumbauten koordiniert werden müssen, und er als Scharnierfunktion wirkt, spürt man, sofort ist er auf Zack, aber ruhig. „Ja, es gelingt mir immer wieder, gelassener zu werden“, merkt er lachend an. Er müsse nach der OP schon kürzer treten und arbeite noch daran. So hat er neben seinem Fulltime-Job beim MTV als Sportlehrer, Platzwart, Ansprechpartner bei allen Fragen für die Mitglieder etc. die Sportlehrer-Stunden in der Montessori-Schule abgetreten. Für seine Freizeit hat er längst das Passende gefunden, das gibt ihm den nötigen Ausgleich zu seinem Job: Es ist das Zeichnen und die Malerei. Dabei geht Martin Schreck gerne unter Menschen und beobachtet sie, bei Veranstaltungen und bei Festen in Kronberg beispielsweise, er hält fest, was er sieht. Oder ihn beschäftigt politisch ein Thema, dass er dann in eine Karikatur (siehe Flüchtlingsboot mit dem Slogan: „Die Würde des Menschen ist unantastbar) verwandelt. Auch Kronberg selbst hat ihn schon zu vielen mit Pastellkreide gemalten Bildern inspiriert. Plötzlich ist da eine Idee und die muss raus, beschreibt er diesen kreativen Prozess. „Ich kann mich im Bild viel besser ausdrücken, als mit der bildreichsten Sprache.“ Schon als Kind habe er gerne gemalt, als fünfköpfiger Vater gab es aber eine Zeit, wo die Fachwerkhaus-Renovierung und die Kinder an den Wochenenden oberste Priorität hatten. Für ihn ebenfalls ein Lebensabschnitt, den er nicht missen möchte. Schwer war ihm die Trennung von seiner damaligen Frau gefallen, kommt er doch selbst mit sechs Geschwistern aus einer Großfamilie. Doch inzwischen lebt er eine echte Patchworkfamilie und ist sich „langsam sicher, doch nicht so viel falsch gemacht zu haben“, da er längst mit Stolz auf die Laufbahn seiner 15 bis 28-jährigen Kinder blicken kann.

Das Gemeinsinndenken – wie kann man mit wenig Geld möglichst viel bewegen – hat er natürlich längst verinnerlicht und ist stolz darauf, dass auch heute noch sehr viele Arbeiten durch ehrenamtliche Senioren, die sich regelmäßig treffen und sich handwerklich und gärtnerisch einbringen, erledigt werden. Neben aller Routine nach 30 Jahre als Geschäftsführer beim MTV, fordert ihn sein Job gerade wieder richtig heraus: In den Sommerferien – seinen Urlaub hat er deshalb schon auf später verlegt – sind beim MTV die Handwerker im Großeinsatz. Es gilt, 2.000 Quadratmeter Estrich, teilweise mit Fußbodenheizung abzutragen. Natürlich soll die Vollrenovierung des Foyers samt der Umkleidekabinen möglichst zügig vonstatten gehen, jetzt, wenn viele der Mitglieder selbst im Urlaub sind. „Trotzdem wird der Umbau über die Sommerferien hinausgehen“, so Schreck. Aber am 22. September, wenn hier der traditionelle Volkslauf startet, dann müssen zumindest die Duschen und Umkleiden wieder funktionieren.“ Ein Wasserschaden bei der Ableitung in den Männerduschen, nach dem über Monate aufwendig gefahndet worden war, erfordert eine größer angelegte Renovierung als geplant: Unter dem Estrich steht überall Wasser, dass natürlich längst auch die Wände, Kacheln etc. in Mitleidenschaft gezogen hat. Die Kosten für die Umbaumaßnahmen sind auf 193.000 Euro kalkuliert, wie Schreck berichtet. „Bezuschussung beim Land Hessen ist beantragt und es werden aufgrund des Wasserschadens auch Versicherungsleistungen einfließen“, erläutert er. Gleichzeitig will der Verein die Umkleiden jedoch umfassend modernisieren, diese Kosten hat der MTV natürlich selbst zu stemmen. Für den Fall, dass es beim Abriss doch noch ein paar böse Überraschungen gibt, will sich der 59-jährige Sportleher jedenfalls nicht so schnell ärgern lassen. Auch hier habe ihn die Erfahrung reifen lassen. „Gelassenheit lernt man leider nicht wie das Einmaleins, aber man kann an seiner eigenen Lebenseinstellung etwas ändern.“ Oder die Erfahrung lehre es einen. „Jedenfalls ärgere ich mich nicht mehr so schnell wie früher und schon gar nicht über Dinge, die mit mir persönlich nichts zu tun haben.“ Eines kann er jedoch noch immer schlecht, gibt er zu: Daneben stehen und zusehen, wenn andere etwas versuchen, was nicht gehen kann und er die Lösung schon kennt. „Dazu bin ich dann wohl doch zu ungeduldig.“ Und ab und zu ertappt er sich dann doch als Oberlehrer.

Neben der momentanen Herausforderung, alle Bautätigkeiten gut aufeinander abzustimmen, schätzt er an seinem abwechslungsreichen Job noch eine ganz andere Komponente: „Ich kenne inzwischen oftmals Familien über drei Generationen“. In so viele Gesichter zu schauen, die man kennt, von jung bis ganz alt, so viele persönlich zu kennen, ihre Namen, ihre persönliche Entwicklung zu verfolgen, „das ist schön, das ist wohltuend.“ So etwas gibt es eben nur, wenn man lange dabei bleibt.

Kronberg

Kultur/Soziales

Weitere Artikelbilder



X