Kronberg (war) – Wenn in unserer Burgstadt das Thema auf den Deutschen Orden („DO“) fällt, ist Walter von Kronberg für viele sofort präsent. Zweifelsohne hat sich dieser für den Ritterorden in äußerst schweren Zeiten große Verdienste erworben. Dazu später mehr. Der DO selbst ging als jüngste Rittervereinigung neben den Templern und Johannitern im Jahr 1198 aus einer Hospitalbruderschaft hervor, welche ursprünglich Seeleute aus Bremen und Lübeck 1190 während der Belagerung von Akkon im Rahmen des dritten Kreuzzuges gegründet hatten. Nachdem das Heilige Land von den Muslimen zurückerobert worden war verlagerten sich die Aktivitäten des Ordens, der sich aus adeligen Ordens – sowie geistlichen Priester – und „einfachen“ Laienbrüdern zusammensetzte, in den Ostseeraum. Dort gelang es dem DO rasch einen eigenständigen Ordensstaat zu etablieren, aus dem später Preußen hervorging.
Doch bestanden schon längst vor Walter, der von 1477 bis 1544 lebte, jahrhundertealte Beziehungen zwischen dem DO und dem hiesigem Adelsgeschlecht. Diese Verflechtungen verfolgte der Historiker Gregor Maier, Leiter des Fachbereichs Kultur des Hochtaunuskreises und des Kreisarchivs in Bad Homburg, in seinem spannenden Referat, zu dem er kürzlich im Rahmen der diesjährigen Vortragsreihe des Burgvereins auf die Burg gekommen war.
Eingangs zeigte Maier beispielhaft anhand von Niederwöllstadt in der Wetterau, dass das Verhältnis zwischen den Kronbergern und Ordensbrüdern durchaus konfliktgeladen sein konnte. In dem Ort war die DO-Niederlassung („Kommende“) aus Frankfurt-Sachsenhausen seit dem 13. Jahrhundert der wichtigste Grundherr. Nachdem die Kronberger Mitte des 15. Jahrhunderts den Grafen von Sayn deren Besitzrechte in Niederwöllstadt abgekauft hatten, kam es schnell zu massivem Streit. Der Grund: Die Kronberger versuchten sukzessive ihre Herrschaftsrechte auf Kosten des Ordens auszubauen. Selbst dem damaligen Erzbischof von Trier gelang es nicht, die Querelen zur Zufriedenheit beider Parteien zu schlichten.
Andererseits fungierte der DO durchaus als übergeordnete Vertrauenseinrichtung für die Kronberger Familie, welche sich als sogenannte Ganerbengemeinschaft im Laufe der Zeit in drei Zweige – den Flügel-, Kronen- und Ohrenstamm – aufgespalten hatte. Bei innerfamiliären Zwistigkeiten, die allzu oft auftraten, wurde dann gerne auf den juristischen und eher neutralen Sachverstand des DO zurückgegriffen. Zudem verwaltete die Sachsenhäuser Kommende zentrale Urkunden der Kronberger, deren Einsicht genau geregelt war. Der DO wachte streng darüber, dass diese Regeln eingehalten wurden. „Wollte beispielsweise eine Gruppe bestimmte Urkunden einsehen, mussten zuvor die anderen Parteien darüber informiert werden“, so Maiers Erklärung. Sehr geschätzt war der DO auch als Versorgungsinstitut für nachgeborene Söhne, weil sie durch den Eintritt in den Orden sichere Pfründe für ein standesgemäßes Auskommen erwerben konnten. Darin unterschieden sich die Kronberger nicht von anderen Adelsfamilien. Im Gegenzug waren die betreffenden Ordensbrüder zu Ehelosigkeit, Gehorsam und Verzicht auf persönlichen Besitz verpflichtet. Da verwundert es nicht, dass bereits 1250 ein Hartmut von Kronberg als erstes Familienmitglied im DO nachweisbar ist. Wenig später war er als Leiter („Komtur“) der sehr bedeutenden Kommende in Thorn im heute polnischen Kulmerland aktiv, um dort wohl den Bau einer der mächtigsten Burgen des Ordens vorzubereiten. Nach 1260 übernahm er dann die Kommende in Marburg, in der schon bald sein Vetter Frank Mitglied wurde. Selbstverständlich ging Maier abschließend auf Walter von Kronberg ein, der in der Ordensgeschichte eine zentrale Rolle innehat. Dieser trat bereits 16-jährig in die Sachsenhäuser Kommende ein, um 1508 deren Leitung als Komtur zu übernehmen. 1515 bewarb er sich erstmals erfolglos um das Amt als Deutschmeister, der einem Großteil der deutschen Ordensprovinzen vorstand. 1526 wurde ihm dann sehr kurzfristig dieser Posten übertragen als der Orden in seiner bis dato schwersten Krise steckte. Ein Jahr zuvor hatte Albrecht von Brandenburg als Hochmeister, wie sich der oberste Repräsentant des Gesamtordens nannte, den Orden verlassen, da er zum evangelischen Glauben übergetreten war. Den bisher von ihm geführten Ordensstaat erklärte er daraufhin zum weltlichen Herzogtum unter dem Protektorat des polnischen Königs. „Das kam einem Staatsstreich innerhalb des Ordens gleich“, so das Urteil von Maier. Zu allem Unglück setzten rebellische Bauern kurze Zeit später Burg Horneck am Neckar als bisherigen Sitz des Deutschmeisters in Brand. Der damalige Deutschmeister Dietrich von Cleen legte daraufhin kurzerhand sein Amt nieder. Jetzt schlug die Stunde des neuen Deutschmeisters Walters von Kronberg, den Kaiser Karl V. im Dezember 1527 in Burgos zusätzlich zum „Administrator des Hochmeistertums“ ernannte. 1530 kam für Walter die Reichsfürstenwürde auf dem Augsburger Reichstag hinzu. Was für eine steile Karriere für einen Niederadligen! Äußerst geschickt und besonnen übte Walter nunmehr sein Amt mittels straffer Führung aus von Mergentheim im Taubertal als neuem Deutschmeister-Amtssitz. Auf diese Weise gelang es ihm, den Orden vor dem drohenden Untergang zu bewahren. Maier dazu: „Nicht zuletzt half Walter dabei die von ihm beschlossene ‚Cronbergsche Konstitution‘ umzusetzen. Diese verlangte unter anderem absoluten Gehorsam ihm gegenüber als Deutschmeister. Andererseits war Walter politisch klug genug, theologischen Streitpunkten weitgehend aus dem Weg zu gehen.“ Das zeigte sich zum Beispiel daran, dass der DO neben Katholiken nunmehr auch Lutheranern und Reformierten offenstand. Einzige Bedingung für alle drei religiösen Glaubensrichtungen war die Ehelosigkeit. Diese Forderung wurde nicht theologisch begründet, sondern vielmehr mit dem Argument, dass die Erlaubnis zu Heiraten bedeutet hätte, dass nicht wie bislang nur die Ordensleute, sondern von nun an auch deren Familien durch die Pfründe zu versorgen wären. Das hätte aber die finanziellen Mittel des Ordens überfordert. Den verlorenen Ordensstaat wieder zurückzugewinnen gelang Walter von Kronberg hingegen nicht. Er forderte zwar den Kaiser auf, militärisch gegen den abtrünnigen Albrecht von Brandenburg vorzugehen. Das lehnte Karl V. jedoch ab, da er dadurch mit dem polnischen König in Konflikt geraten wäre unter dessen Schutz Albrecht stand. Die polnische Unterstützung im Kampf gegen die Türken, die 1529 erstmalig vor Wien standen, war dem Kaiser dann doch wichtiger als die Wiedergewinnung der einstigen Provinz im Baltikum, weit weg vom eigentlichen Kernland.