Vor 50 Jahren Mordanschlag auf CDU-Politiker Kiep

Kronberger Geschichtssplitter

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Kronberg (war) – Vor 50 Jahren schaffte es Kronberg, auf die Titelseite so gut wie aller deutschen Tageszeitungen und an die erste Stelle in der Tagesschau zu kommen. Der Grund war kein schöner, sondern der zum Glück misslungene Attentatsversuch auf Walther Leisler-Kiep am 30. November 1974. Dieser gehörte als Bundesschatzmeister zur damaligen Führungsriege der CDU und war dadurch nicht nur in Kronberg eine sehr bekannte Persönlichkeit. Die Taunus-Zeitung (TZ) vom 2. Dezember 1974 berichtete ausführlich auf der Titelseite unter der Überschrift „Pistolen-Attentat auf Leisler-Kiep“ über den Vorfall in der Burgstadt. Am Samstagabend waren laut TZ kurz nach 19 Uhr auf Leisler-Kiep drei Schüsse abgegeben worden, als er gerade die Sauna verlassen wollte, welche sich unterhalb seines Wohnhauses im Garten befand. „Ich kann mir nicht vorstellen, daß es jemanden gibt, der mich ermorden wollte. Ich bin auch nicht sicher, daß der Mann mit Mordabsichten kam. Die Absicht einer Entführung könnte ich mir eher vorstellen“, wird Leisler-Kiep in der TZ zitiert. Als er, nur mit einem Bademantel bekleidet, beim Öffnen der Saunatüre im Garten schemenhaft einen Mann habe stehen sehen, habe er instinktiv die Gefahrsituation erkannt, um sofort „geistesgegenwärtig“ wieder in die Sauna zurückzugehen und die Türe hinter sich zu schließen. Sodann habe er sich sofort auf den Boden fallen gelassen und die mit der nahe gelegenen Kronberger Polizeistation verbundene Notrufanlage ausgelöst. Danach habe er einen Schuss vernommen, so Leisler-Kieps Schilderung des Vorgangs. Drei Minuten später war laut TZ bereits die Polizei vor Ort eingetroffen. Eine genauere Täterbeschreibung konnte Leisler-Kiep jedoch nicht abgeben, da es schon zu dunkel bei dem Anschlag gewesen sei. Zudem habe es gerade stark geregnet, was die Sicht zusätzlich beeinträchtigt habe.

Drei Schüsse

Die Polizei stellte am Tatort fest, dass insgesamt drei Schüsse abgegeben worden waren statt eines Schusses, wie von Leisler-Kiep angegeben. Die weiteren Ermittlungen übernahm das Bundeskriminalamt. Dessen Analyse ergab, dass die Schüsse aus einem Revolver Kaliber 38 abgefeuert worden waren und allesamt die Tür der Sauna durchschlagen hatten. Sie mussten folglich aus unmittelbarer Nähe abgegeben worden sein. „Zwei Projektile wurden in der gegenüberliegenden Wand gefunden, das dritte lag auf dem Fußboden der Sauna. Wäre Leisler-Kiep hinter der Tür stehen geblieben, wäre er ohne Zweifel getroffen worden“, befand die TZ.

Nach dem Anschlag wurden Leisler-Kiep und seine Familie in ihrem Domizil im Philosophenweg rund um die Uhr bewacht. Der Angriff auf den CDU-Schatzmeister wurde sogleich mit der RAF (Rote-Armee-Fraktion) in Verbindung gebracht, die seit Beginn der 1970er Jahre über 20 Jahre lang immer wieder als selbsterklärte „Stadtguerilla“ Terroranschläge und Entführungen samt Ermordung einiger ihrer Opfer in Deutschland verübte. Während der Kronberger Anzeiger vom 3.12.1974 festhielt, dass sich die RAF per Anruf beim Frankfurter Büro der Deutschen Presse Agentur zu dem Attentat auf Leisler-Kiep bekannt habe, berichtete die TZ am selben Tag hingegen, dass sich in zwei mit der Deutschen Presse Agentur geführten Telefonaten die anonymen Anrufer, welche sich als Angehörige der RAF „ausdrücklich“ zu erkennen gaben, von dem Attentat auf Leisler-Kiep distanziert hätten.

Die Frankfurter Staatsanwalt lobte zwar zur Ergreifung der Tatperson sogleich eine Belohnung von 10.000 DM aus, aber der Fall ist bis heute ungeklärt geblieben.

Leisler-Kiep hatte in den Wochen vor dem Anschlag vermehrt anonyme Anrufe mit Drohungen erhalten. So wurde er unter anderem als „Vollzieher amerikanischer Kapitalistenpolitik“ beschimpft und am Tod des chilenischen Staatspräsidenten Allende mitverantwortlich gemacht. In einem weiteren Telefonat wurde er als Israelfreund und Palästinenserfeind beschimpft, der bestraft werden müsse. „Kiep nahm diese Art von Anrufen nicht weiter ernst, weil von ihnen kaum ein prominenter Politiker verschont bleibt“, befand die Taunuszeitung abschließend vor 50 Jahren.



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