Kronberg (aks) – Während draußen SUVs parken und Chauffeure in Erwartung ihrer Herrschaften in Limousinen dösen, gibt sich Maxi Schafroth im „Speckgürtel Frankfurts“, im Kronberger Kino, die Ehre. Er kennt sie alle, die Klischees vom guten Leben im Taunus, wo man/frau um 11 Uhr aufsteht, dann in Ruhe shoppen geht und später die Kinder mit dem SUV von der Privatschule abholt – wo man als Banker in der City Geschäfte macht und stylish Freunde trifft.
Im Allgäu ist alles anders
Ganz anders das Leben im Allgäu. Das fängt schon beim Trachtenhut an und bei der Lodenjacke, mit der Kabarettist Maxi Schafroth vor ausverkauften Plätzen die Bühne betritt. Er begrüßt die „Crème de la Crème“ augenzwinkernd zur Neugründung und zum Kick-Off der „CSU Kronberg“ mit den Themen „Hirngespinst, Heimat- und Grenzschutz“, zu einem „gemütlichen umzäunten Miteinander“. „Seehofer lässt sich entschuldigen, er musste zu einer Minarett Einweihung am Tegernsee“. Oberstes Partei-Ziel, das sei klar: Ein Banker-Deutschland mit bayrischen Sitten und Gebräuchen. Nach dem Motto „Der Mensch braucht Konkurrenz, sonst wird er faul“ würde man bei ihm in der Heimat regelmäßig den ärmsten Starnberger nackt durchs Dorf jagen. Ja, so ist er, der Maxi Schafroth, im Allgäu aufgewachsen, mit allen Wassern des Lebens gewaschen und auf alle Härten vorbereitet. „Man schlupft in den Kittel und wird komisch – man verfilzt“. Ganz anders als seine eigene Filz-Lodenwelt erscheint ihm die heile Luxus Welt wie eine leuchtende Fata Morgana, um im Bild der „Pilger aus dem Morgenland“ zu bleiben, deren „Häusle“ im „toleranten“ Bayern gern in Brand gesteckt werden. Die Weinkultur hier sei ganz anders als die „käsige Lethargie im Allgäu“, wo Biergutscheine verschenkt werden, um Eskalationen zu verhindern.
Der mit der Elite spielt
Der über alle Backen grinsende, feixende und charmante Maxi Schafroth, der überzeugend den Bergbauernsohn mimt, gewinnt spontan die Herzen der Kronberger. Die Lacher gelten seinen intelligenten knorrigen Wortspielen ebenso wie seinem krachledernen Burschencharme, der derb, aber herzlich bei allen gut ankommt. Er lobt sein Publikum, feuert es an, feiert dessen Eitelkeiten. Das fühlt sich geschmeichelt, dass man ihm Luxusautos mit Chauffeur unterstellt, dass es Rotwein schlürfe und zum „Vulgär-Mozart“ in die Oper nach Frankfurt fährt. Schließlich ist das nicht die schlechteste aller Welten, es ist sogar die Nobelvariante einer Elite, zu der sich jeder gern zählt.
Der Comedian zeigt sarkastisch Verständnis für das offensichtliche Kulturgefälle von Norden und Süden. Und so besingt er das „strukturschwache Allgäu“ in Begleitung des talentierten Gitarristen Markus Schalk, das Lied von der „poor region“. Im Taunus spiele man auf grünen Wiesen Golf, im Allgäu fährt man Traktor, auch schon in jungen Jahren und ohne Führerschein. Das Allgäu ist wirklich ein malerisches Fleckchen Erde. Wer dort aufgewachsen ist und beim Spielen im Wald nicht verloren ging, der ist belastbar. Als „Ackergeburt“, wie er sich selbst bezeichnet – „meine Mutter hat mich für einen Sack Kartoffeln gehalten“ – wollte er immer mit den Starnberger „Gesichtschirurgenkindern“ spielen. Aber sie nicht mit ihm. Irgendwie war er halt anders, sah komisch aus. Immer, wenn „die Hessen zum Skifahren kamen“, hieß es: „Kinder, raus zum Betteln!“. Die geräuschlosen SUVs hielten direkt vorm Lifthäuschen und es stieg die „Bogner-Steppjacken-Mafia“ aus, die nicht wie die Allgäuer effizient, das heißt ohne Kurven und Energieverlust, Ski fuhren, sondern den Berg herunter „carvten“. Sehnsüchtig schaute er schon damals von außen in die Hütten, wo es sich „Frankfurter Patrizier“ gut gehen ließen und er die „Kunst des feuilletonistischen Geplänkels“ nur erahnen konnte. Ihr Savoir-vivre beeindruckte ihn auch wegen der Pfeffermühlen, die wurden mit der Zeit immer größer. Fuhr man deshalb so große Autos? „Damit die Pfeffermühle reinpasste?“ Bei all den krassen Unterschieden, nennt Schafroth, der selbst „Babybel“ mit der roten Rinde aß, damit er satt wurde, diesen schieren Überfluss gnädig „Vielfalt“. Immerhin hat er es ja später selbst in die Bank geschafft und ist froh darüber, schließlich komme dies dem Kabarett am nächsten. Er imitierte in diversen Stimmlagen den Vorstand der ländlichen Raiffeisenbank sowie den Anrufbeantworter der Deutschen Bank in säuselndem Sopran. Da glaubt man oft, es befänden sich mehr als zwei Menschen auf der Bühne.
Bis München
Als Azubi in München lernte er die typischen Städter kennen, die das „Landleben und die Bodenständigkeit wieder entdeckten“ und nach „Muh-Muh-Rindern“ Ausschau hielten, während er sich als „Landwirt mit Stallmolekülen schämte“. In rasantem Tempo und urkomisch streift er das Phänomen „Manufactum“, wo Kosmopoliten vor dem Wurzelbürsten-Regal mit Tränen in den Augen stünden, und singt im Anschluss die „Sparsamkeitsballade“ als schwäbische Grundeigenschaft, die ihm sein Vater schon in die Wiege legte, der beim Abendessen auch schon mal das Licht ausknipste: „Was braucht Ihr zum schwätze Licht?“. Das Gitarrenspiel klingt einlullend wie „Afterwork in der Goethestraße“ im„urban lounge-Style“. Herzzerreißend, Schafroths Falsett à la Johannes Oerding zu einem rührend einfachen Text: „Du folgst mir, ich folge dir, wir folgen uns Tag für Tag, beide, an die günstigste Tankstelle im Allgäu – Gemeinsam sparsam sein“, das klingt doch wie das ganz große Glück! Nach der Pause berichtet Schafroth begeistert vom Pausenpublikum, so ganz ohne „Berührungsängste“: „ein Miteinander im Zeichen der Heimat!“ Und so geht er weiter, der „fetzige Heimatabend“ mit Maxi Schafroth und seinem kongenialen Mitspieler an der Gitarre, Markus Schenk. Das Kulturgefälle beginne bereits im Kühlschrank, weswegen man im Allgäu zum „Restepfännle“ einlädt, wenn „was weg muss“ – in feineren Kreisen dagegen serviere man „flauschiges Gemüse“ und Ingwerschaumsüppchen, „sieht gut aus, aber schmeckt nach nichts.“ Meistens habe er danach noch mehr Hunger als vorher. Die Einladung erfolge selbstverständlich schriftlich mit einem Excel-Anhang für Allergien, und die wohlgeratenen Kinder der Gastgeber schauten um 21 Uhr noch Bibi Blocksberg auf Altgriechisch.
Loslassen und mitsingen
Allen Helicopter-Eltern rate er, immer noch sonnig lächelnd, im Übrigen doch mal sein Seminar „Loslassen“ zu besuchen oder besonders empfehlenswert sein „Ineffizienz-Coaching“, „bei der die komplette Riege des BER-Flughafens anwesend war“. Schließlich ginge es doch bei allen Meditationen um den „Zustand des reinen Seins“, also „eine Minute, in der ich ineffizient bin“. Zu spät habe er erkannt, dass die Banklehre „sein selbstverschuldeter Ausstieg aus dem Allgäuer Kinderparadies“ war. Der Song of Protest, der folgt, in dem der Kabarettist mitreißend das „kleine alemannische Wutmännchen“ mimt, verführt die Zuschauer zum Mitsingen, Mit-Grölen trifft es eher!: Der Text ist einfach und so stimmen bald viele Kehlen ein in „I hab kei Luscht mehr“ oder „mir habn kei Luscht mehr“. Schafroth reibt sich die Hände ob der Singlaune seiner Fans und sieht schon die Überschrift (im Kronberger Boten, Anm. der Autorin): „Ein sozialistischer Bankeraufstand im Frankfurter Speckgürtel“.
Er toppt das Singspiel noch mit einer rockigen Ballade à la John Denver-Cat Stevens in memoriam seines Vaters: „Mähen oder nicht mähen“, Albtraum-Entscheidungen eines Landwirts: „To mow or not to mow, Good Lord, how will the weather be“. Dabei wäre seine Mutter das beste Mäh-Orakel gewesen: „Männer hört auf Eure Frauen!“ Und seine politische Botschaft noch hintendran: „Frauen in Führungspositionen und Fremden mit einem Lächeln begegnen“. Dann ist nach fast zwei Stunden Riesenspaß auf einmal Schluss: „Lasst’s Eure Fahrer nicht so lange warten!“