Keine Mehrheit für Beitritt zur „Initiative Seebrücke“

Kronberg (pu) – „Dies ist ein Hilferuf“, überschrieb Gabriela Roßbach, SPD-Spitzenkandidatin für die am 14. März stattfindende Kommunalwahl, ihre Rede, mit der sie die Parteien anderer Couleur für den schon im September letzten Jahres gestellten Eilantrag ins Boot holen wollte, der darauf zielte, dass die Stadt Kronberg der „Initiative Seebrücke“ beitreten und sich per Stadtverordnetenbeschluss zum „Sicheren Hafen“ für geflüchtete Menschen, die aus Seenot gerettet wurden, erklären sollte.

Die Sozialdemokraten hatten bei ihrem Ersuchen die Menschen aus dem zerstörten Flüchtlingslager in Moria auf der Insel Lesbos in Griechenland vor Augen – 13.000 ohne Obdach. Griechenland alleine könne alle weder menschenwürdig unterbringen noch ausreichend versorgen. Kinder und Jugendliche könnten nicht zur Schule gehen. Zu alldem sei die versprochene europäische Lösung nicht in Sicht und würde außerdem zu lange dauern. Dabei zähle für die Menschen aus Moria jeder Tag. Das Schlimmste sei, so Roßbach, „dass die Menschen keinen Ausweg sehen und ihre Würde mit Füßen getreten wird!“ Um wenigstens ein wenig Abhilfe zu schaffen, sollte ein kleiner Teil eine neue Heimat in der Burgstadt finden. „Wir reden hier von etwa zehn Menschen“, nannte sie eine Größenordnung.

Da sich schon im Vorfeld Widerstand gegen den Antrag abzeichnete und verlängerte Redezeit beantragt worden war, skizzierte die Sozialdemokratin die aktuelle unsägliche Situation und warb für die Initiative „Seebrücke“ seebrücke.org, in der sich bundesweit Kommunen zusammengeschlossen hätten, um Geflüchtete aus Seenot und aktuell Menschen aus dem Lager in Moria je nach ihrer Kapazität aufzunehmen (#WirHabenPlatz). 227 deutsche Stadtparlamente, etwa die von Hamburg, Berlin, Bremen, München, Wiesbaden, Darmstadt, Gießen, Kassel oder Kelkheim, hätten sich bereits zum Beitritt entschieden. „Jede Kommune, die sich zum ‚Sicheren Hafen‘ erklärt, macht die Initiative stärker und erhöht den Druck auf den Bundesinnenminister, Menschen aus den Lagern aufzunehmen. Warum machen die Kommunen das? Weil sie diejenigen sind, die den Menschen Zuflucht und eine Perspektive bieten. Ein Dach über dem Kopf, einen Platz in der Schule. Die Menschen, die aus der Not geflüchtet sind und die die EU mit voller Absicht notleiden lässt, wollen nur eines: menschenwürdig leben, arbeiten, zur Schule gehen, eine Ausbildung machen“, legte Roßbach dar.

Auch eine kleine, aber starke Stadt wie Kronberg könne und solle nach Erachten der Sozialdemokraten aktiv werden. „Je mehr Kommunen mitmachen, desto höher der Druck desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland helfen kann und desto kleiner und verträglicher die Zahl der Aufgenommenen pro Kommune. Unsere christlichen und humanistischen Werte dürfen keine Lippenbekenntnisse sein. Menschen in Not zu helfen ist für uns selbstverständlich und würde der Stadt Kronberg gut zu Gesicht stehen. Über ein überparteiliches Bekenntnis würden wir uns besonders freuen.“

Kein geeigneter Weg

Dass Hilfe zwingend nötig ist, wissen auch die Kronberger Christdemokraten. Dem von den Sozialdemokraten vorgeschlagenen Weg wollten sie dennoch nicht folgen. „Die Situation der Flüchtlinge und Migranten in vielen Lagern innerhalb der Europäischen Union oder an ihren Außengrenzen ist eine humanitäre Katastrophe. Ich glaube, hieran besteht kein Zweifel“, unterstrich der CDU-Stadtverordnete Stefan Möller. Ähnliche humanitäre Katastrophen wie in Moria oder Bosnien-Herzegowina sieht die CDU in der Situation der Menschen, „die versuchen, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen, der Situation der Menschen im Krieg in Syrien und in Afghanistan, im Bürgerkrieg im Jemen und den anderen unzähligen kriegerischen Auseinandersetzungen, genauso aber auch in den anhaltenden Hungerkatastrophen wie zum Beispiel in Äthiopien, Somalia oder im Südsudan“.

„Es ist deshalb richtig und wichtig“, so Möller weiter, „dass der Versuch unternommen wird, Menschen in solchen akuten Notlagen schnell und entschieden zu helfen.“

Die CDU Kronberg begrüße daher das Engagement der Bundesregierung, durch welches nach dem Brand in Moria geflüchtete Menschen aus Griechenland in Deutschland aufgenommen wurden. Darüber hinaus erwarten die Kronberger Christdemokraten von der Bundesregierung ein weiter andauerndes, nachhaltiges und wirksames Engagement, es gelte, eine EU-weite, menschenwürdige und nachhaltige Lösung für die Unterbringung von Flüchtlingen im Rahmen einer sogenannten „Koalition der Willigen“ herbeizuführen. Dies sei wichtig, weil ein einzelnes Land diese Herausforderung nicht alleine lösen könne.

Im von der SPD geforderten Beitritt Kronbergs zur Initiative „Seebrücke“ sah die CDU „keinen geeigneten nachhaltigen Weg“, um insgesamt mehr Menschen in Moria oder auch Lipa kurzfristig zu helfen. „Wir halten es für richtig, dass die Kompetenz und Zuständigkeit für einheitliche Regelungen zur Aufnahme und Unterbringung von Menschen in Not bei der Bundesregierung liegt. Auch die innerdeutsche Verteilung der Menschen nach dem Königsteiner Schlüssel halten wir für das richtige Verfahren“, unterstrich Möller.

Ganz abgesehen davon, dass die Initiative „Seebrücke“ offen mit der Unterstützung durch Gruppierungen werbe, die nach Wissen der Christdemokraten vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet und von diesem als linksextremistisch eingestuft werden. Hier sei insbesondere die „Interventionistische Linke“ zu nennen. Möller zitierte aus Verfassungsschutzberichten 2018 und 2019 schloss seinen Redebeitrag mit den Worten: „Die CDU Kronberg wird keine Initiativen unterstützen, die offen mit extremistischen Organisationen werben und kooperieren. Dies gilt sowohl für rechtsextremistische Organisationen wie für linksextremistische Organisationen.“

In ähnlicher Weise äußerte sich die Co-Fraktionsvorsitzende Alexa Börner von der KfB: „Mit ihrer Forderung nach einer Bewegungsfreiheit für alle Menschen und einem offenen Europa fordert die Seebrücke die Abkehr von derzeit geltendem Recht.“ Des Weiteren bringe eine Migrationspolitik „von unten“ und ein Beitritt zahlreicher Kommunen die Bundesregierung in ihrem Bemühen um eine europäischen Lösung in eine schlechte Verhandlungsposition und mindere die Chance für eine gemeinsame Lösung. „Wir bezweifeln, ob ein solcher Beitrittsbeschluss überhaupt rechtlich umsetzbar wäre. Denn die Verteilung der Flüchtlinge ist Sache des Bundes und der Länder. Eine direkte Aufnahme von Geflüchteten als Kommune ist nach derzeitigem Rechtsstand nicht möglich und nicht vom Schutzbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie umfasst“, legte sie die Position der Wählergemeinschaft „Kronberg für die Bürger“ dar.

Die Spitzenkandidatin für die Kommunalwahl des FDP-Ortsverbands, Kristina Fröhlich, lenkte, ebenso wie Fraktionsvorsitzender Walther Kiep, den Blick auf ein weiteres Problem. „Die FDP bekennt sich zur humanitären Hilfe und wir waren es im Übrigen, die die fast begrabene Flüchtlingsunterkunft im Grünen Weg wieder auf den Weg brachten“, rief sie in Erinnerung. Da diese nach wie vor nicht fertig sei, „werden wir kurzfristig nicht helfen können, denn wir haben schlichtweg keinen Platz!“

Ein flammendes Plädoyer für den SPD-Antrag hielt dagegen die Bündnis90/Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Petra Fischer-Thöns: „Heute müssen Sie Farbe bekennen, es geht um 5,6,8 oder 10 Menschen bei 18.000 Einwohnern!“, brachte sie ihr Bekenntnis auf den Punkt. Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Haas versuchte angesichts der sich abzeichnenden Ablehnung, das Ruder noch einmal herumzuwerfen und zeigte sich befremdet darüber, dass der humanitäre Aspekt bei den Kritikern der „Initiative Seebrücke“ völlig aus dem Blickwinkel gerate.

Im Endeffekt stimmten allerdings lediglich 11 Abgeordnete für einen Beitritt bei einer Enthaltung und 19 Gegenstimmen.



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